Sie ist weg. (Tag 8)
Eigentlich könnte und wöllte ich ja an dieser Stelle meinen ganzen angestauten Weltschmerz in den virtuellen Äther rotzen ob der USA-Wahl und welche Auswirkungen das alles auf uns Deutsche/Europäer/Weltbürger hat und inwiefern dies doch ein generelles Zeichen über den vollständig desolaten Zustand der Menschheit ist, in Zeiten in denen Populisten mit Lügen und vermeintlichen Antworten postfaktisch dank Bauchi-Bauchi als erfolgreiche Seelenfänger unterwegs sind.

Aber das wäre ja zum einen reichlich weinerlich und unsexy (und damit kenne ich mich aus), zum anderen geht das ja am eigentlichen Thema vorbei.

Deswegen nur in der Kürze: Was zum Fick war das heute in den USA?
Whatever.

Tag 8.

Und ich denke, ich habe die Zeit bis hierhin auch so gut rum bekommen, weil es dann doch einige Termine zum Wahrnehmen und Dinge zum Erledigen gab. Nächste Woche stehen dann mal keine Termine drin, vielleicht kann ich stattdessen ein paar Dinge hinzufügen.

Ich glaub, Staubsaugen wäre da nicht schlecht.

Im Allgemeinen möchte ich mich aktuell mit allzu negativen Dingen zurückhalten – Frauchen liest hier ja ggf. auch mit (wenn sie es mitbekommt) und ich möchte sie nicht negativ beeinflussen. Ich finde es nämlich für Sie selbst unheimlich toll und wichtig, dass sie diesen Schritt gewagt hat und sich auf die Reha einlässt. Mittlerweile hat sie dort eine kleine Gruppe von Leuten gefunden, mit denen sie „abhängt“, den Essenstisch teilt, quatscht und abends noch Karten spielt etc. pp.
Da soll sie sich absolut keine Sorgen machen, dass hier etwas nicht funktioniert oder ich emotional in den Seilen hänge.

Vielleicht schreibe ich stattdessen mal, wie wir an diese Stelle gekommen sind. Also aus der anderen Perspektive, wie ich es erlebt und erfahren habe.

Nur noch eine kleine Seitennotiz: Trump ist trotzdem ein verurteilter Straftäter, Populist, Narzisst und Frauenfeind. Just saying.
So jemanden vielleicht nicht wählen im Allgemeinen?
Doch? Oh… okay.

Wie dem auch sei… Beim Frauchen gab es gefühlsmäßig immer mal wieder Schwankungen im Leben… Zeiten der Antriebslosigkeit, in der Sie zu wenig Lust hatte und motivationslos(er) war… bis sie dann für sich gesagt hat: „Jetzt ist aber gut.“, sich aus dem Loch gezogen, Krönchen gerichtet und dann weiter gemacht hat. Vielleicht auch ein Stück weit aus Pflichtgefühl, weil Sie nun mal die Mutter und Chefin ist und den Laden hier zusammen hält.

In den letzten Jahren war es dann so, dass einige Personen aus Ihrem (ohnehin schon kleinen) familiären Kreis weggebrochen sind… die Großtante (die zumindest einen großen Teil der Kindheit von ihr mitbekommen hatte) ist gestorben, danach Ihr Vater und dann der Ehemann der Oma/Patenonkel unserer Großen. Das alles waren immer wieder Einschläge, die einen in der Summe tiefer reindrücken, als man wieder hochkommen kann… bzw. bis der nächste Einschlag in der Zwischenzeit draufkommt.

Im Freundeskreis hat sie sich von der ehemals besten Freundin ein Stück weit entfremdet (bzw. umgekehrt?)… jedenfalls ist es nicht mehr so, wie es einmal war, als diese mit Ihrem Cousin zusammen gekommen ist und diesen dann hinter ihrem Rücken (also ohne vorher etwas zu sagen) geheiratet hat.

Zuguterletzt ist dann noch unsere Große komplett ausgezogen. Also so ganz. Sie hatte während des Studiums schon mal in einer WG gewohnt, war dann aber wenig Uni-Ausfall und Corona-bedingten Heim-Studium dann doch mehr bei uns als dort. Und so sehr man als Elternteil natürlich Verständnis hat, dass Kinder groß werden und ihr eigenes Ding machen, so schmerzt es dennoch, sie gehen zu lassen. Das ist als Mutter mit Sicherheit noch mal schlimmer.

Jedenfalls kam das Frauchen dann im Frühjahr auf mich zu und hat geäußert, dass sie in einem Loch steckt, aus dem sie dieses Mal irgendwie nicht mehr alleine rauskommt und ärztliche Hilfe möchte. Und es hat damals gar nicht viel zusätzliches Zureden gebraucht, dass sie bei unserer Hausärztin vorstellig wurde.

Und die hat ein echt unheimlich feines Gespür für das Frauchen und meinte gleich: „Ihnen geht es nicht gut, was ist denn los?“ Also nein, wahrscheinlich hat sie für alle Patienten so ein gutes Händchen – jedenfalls hat sie genau den richtigen Ton getroffen. Hat Ihr recht schnell eine Reha empfohlen und auch eine Liste mit diversen Therapeuten aus der Gegend an die Hand gegeben.

Naturgemäß war das dann natürlich too much too fast für meine Holde… mehrere Wochen Reha und weg von zu Hause… braucht sie nicht und ist zu lange… und Therapeuten? Die lassen mich ja gar nicht mehr gehen und weisen mich direkt ein.
(Wären übrigens auch meine eigenen Reaktionen auf solche Vorschläge… vielleicht ist es zwischen uns beiden doch etwas Pathologisches?!)

Als sie dann einige Wochen später wieder bei der Ärztin war, hat diese sie grinsend angeschaut und gefragt: „Na, haben sie schon was wegen Reha/Therapie entschieden oder unternommen? Nein? Das habe ich mir ehrlicherweise schon gedacht.“
Wie es der Zufall aber gnädigerweise so wollte, macht unsere Ärztin aber auch Therapiegespräche und es war gerade ein Platz frei gewesen, so dass das Frauchen gleich dort Gesprächstermine wahrnehmen konnte.

Manch einer mag so etwas als Hokus Pokus abtun und ich würde meine Liebste mit Sicherheit als absolut reflektiert bezeichnen, die sehr wohl weiß, wer sie ist und wie sie so geworden ist… aber es hilft halt doch, wenn jemand aus einer anderen Perspektive draufschaut, manche Dinge bestätigt, an anderer Stelle neue Impulse setzt… das kann unheimlich wertvoll sein.

Und so ist das Frauchen nun auf Reha… hofft auf neue Impulse… arbeitet an dem allgemeinen Wohlbefinden und versucht, die allgemeine Verspannungen und Rücken-/Schulterschmerzen in den Griff zu kriegen. Hier unten sagt man ja, das jeder sein Päckle zu tragen hat, aber ich denke und weiß, dass ihres wohl immer ein wenig schwerer als andere Päckle waren.

Und wenn es dann Lasten gab, die ich nicht ausreichend für Sie mittragen konnte oder es dunkle Gedanken gab, die mein Licht nicht genügend aufhellen konnte, wünsche ich ihr von ganzen Herzen, dass sie hierfür einen Weg/ein Mittel findet. Klar sagen wir beide immer, dass das Wohl und Glück der Kinder an erster Stelle stehen… aber es genauso klar, dass an zweiter Stelle bei mir ganz klar der Wunsch steht, dass diese Frau einfach nur glücklich ist.

Wenn sie sich doch nur einmal mit den gleichen Augen sehen könnte wie ich sie sehe.