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Tagebuch TT
2023-07-26 19:57
Niemals geht man so ganz (2018) Part 1
Ist das Lied eigentlich auch außerhalb NRW populär? Läuft im Rheinland wohl voll oft auf Beerdigungen. Ist aber auch ein schöner Text. Wir hatten ja stattdessen bei BTs Beerdigung "Abschied nehmen" von Als-er-noch-kein-Schwurbler-und-Antisemit-war-(zumindest nicht offiziell)-Xavier laufen. Passte textlich ganz gut. ...und das letzte Mal, dass ich dieses Lied gehört habe. Und das liegt nicht an Herrn Naidoo. Wie dem auch sei... Ich bin ja kein Fan von "Über die Toten nur Gutes" (Herr Hitler war übrigens Vegetarier) – im Umgang mit Toten find ich es wichtig, auch die negativen Dinge beim Namen zu nennen… Man sollte es natürlich in 95% der Fälle schade finden, dass der/diejenige gegangen ist aber man sollte erst recht nicht bei aller Offenheit nachtreten. Also nicht in der Öffentlichkeit. Zum Beispiel bei einer Grabrede. Ergo: aufs Grab pissen also nur wenn keiner hinschaut. Nunja, ist hier nicht der Fall, da BT trotz aller Komplexität einer der 95%-Fälle war. Definitiv. Und er wird vermisst. Was seine Eltern bzw. Vaterqualität angeht, waren diese durchaus eher – sagen wir mal - wechselhaft. Also okay… Man erstrahlt schon in einem besonderen Licht, wenn der weibliche Gegenpart sich dadurch auszeichnet, Mann und Kind (also noch unter 18 Jahren damals) aus dem gemeinsamen Haus zu schmeißen. Von der Frank-Rijkaard-Gedächtnis-Spuck-Attacke und einer meiner Alltime-Favorite-Sätze der besten Abschiedsworte zwischen Eltern und Kindern mal abgesehen. Und klaro: natürlich werde ich es auch ab dieser Stelle nochmal zitieren. Weils so schön ist. "Der größte Fehler meines Lebens war, eine solche Drecksau wie Dich in die Welt gesetzt zu haben." Hach ja. Das findet man auf keiner Aphorismus-Seite und in keinem Poesie-Album. Wäre vielleicht was für Mallorca. Ole Ole. Am liebsten würde ich der Ollen ja sagen, dass ihr größter Fehler bedeutet hat, dass ich die drei wichtigsten Menschen meines Lebens getroffen habe. Eat this. Aber gut, es sollte hier ja nicht über die Geierwally gehen. BT war wie gesagt ein schwieriger Zeitgenosse. Vor allem aufbrausend, herrisch und laut. An guten Tagen konnte er aber auch zeitgleich geduldig sein, hat zugehört und sogar an den passenden Stellen die richtigen Fragen gestellt. Das nennt man wohl aktives und empathisches Zuhören. Was ja vermutlich sowas wie Empathie voraussetzt. Also er war nicht per se ein kleines HB-Männchen. Es war echt so ein bisschen wie Mr. Hyde und Dr. Jekyll. Und ich sage das nur umgekehrt um zu verdeutlichen, dass BT besonders komplex war. Leider war er aber auch recht körperlich und hat seine Tochter in den 80-90ern einige Male verdroschen. Ich denke, das alles erklärt dann die Grundhaltung des Frauchens zu ihrem Vater: ängstlich vor dem nächsten Ausbruch und recht hilflos gefangen in diesem Machtverhältnis, von dem sie ganz genau weiß, dass sie eigentlich zu Unrecht vom Gegenüber klein gehalten und abgewertet wird. Aber natürlich hat sie ihn dennoch geliebt. Man sagt ja immer, dass Kinder und Eltern immer dies bleiben werden, aber die ersten Male hat es mich immer geflasht, wie krass dieser Umschwung beim Frauchen war. Also eigentlich eine eigenständige gestandene Frau, die einen 4-Personen-Haushalt quasi alleine schmeißt, die dann im nächsten Moment dann aber unheimlich klein und unsicher ist, nur weil ihr Vater sagt, dass ihr Argument blödsinnig ist. So to say. Wahrscheinlich auch der Grund, warum sie damals mit mir so einen respektvollen und netten Beta (sind wir mal großzügig und nehmen den zweiten Buchstaben)-Dulli geheiratet hat. Auf dem anderen Weg wäre sie vermutlich in einer toxischen Ehe-Unterdrückung gelandet... Oder aber ihr Ehemann zerhäckselt in einer selbstgemachten Lasagne – vielleicht zurecht, aber dennoch rein rechtlich gesehen problematisch. Nun denn... Allein aufgrund BTs Origin-Story kam er mit unserer gewaltfreien Erziehung unserer Kinder nur minder gut klar. Würde mal vermuten, dass er ein ums andere Mal gedacht hat: "Jetzt hau dem Kleinen mal hinten drauf, dann diskutiert der nicht mehr blöd rum". In all den Jahren hat er wohl auch deshalb nur zwei Mal auf unsere Kinder aufgepasst. Sagen wir es mal so: Keine der beteiligten Seiten hat besonderen Wert darauf gelegt, diese Zahl zu erhöhen. Auch wenn wir echt am Limit waren und ein paar Auszeiten gut hätten vertragen können damals. Stattdessen haben wir unsere Kinder nahezu ohne Auszeit selbst verzogen, ohne echte Oma-Opa-Zeiten, immer allein zu viert. Sorry Kids. Was Konflikte angeht, hatte BT immer die selbe Taktik. Wenn es (richtig) geknallt hatte, hat man Wochen- bis Monate-lang nichts mehr von ihm gehört. Dann kam meist aus dem Nichts ein Anruf "Ich bin gerade in der Nähe, machst Du einen Kaffee"... und dann war er wieder da. Natürlich wurde nicht darüber gesprochen, was vorgefallen war. Geschweige sich erklärt oder entschuldigt. Aber letzten Endes kam er dann ja immer wieder zurück. Ich habe dieses Prozedere einmal erlebt, als er wegen Elternabend des Sohnes "Baby"sitting gemacht hatte. Keine Ahnung, was damals das Problem war. Als wir heimkamen, ist er gleich aufgesprungen und sagte: "Das nächste Mal könnt Ihr Euch jemanden anderen suchen."...und war weg. Also für ein paar Monate weg. BT hat es einmal sogar geschafft, das Frauchen im Baumarkt sitzen zu lassen. Sie hatte sich gerade vom ersten Mann getrennt und es ging darum, nach Malerzeugs für die neue Wohnung zu schauen. Ich weiß nicht mehr genau, was genau war – es gab eine Diskussion zwischen den beiden, dann Stille – und als sich O. umgedreht hat, war er mit einem Mal weg. Und ja - die beiden waren nur mit einem Auto dort und Frauchen musste sich dann selbst um die Rückreise kümmern. Wie gesagt... Ein Stück weit hat man sich immer daran gewöhnt, dass er wieder kommt. Nur eben dieses Mal eben nicht... also nicht so richtig, es waren nur 2 Kurz-Episoden zwischen ihn und O. Ein paar Monate nachdem er gegangen war, hat er angerufen, dass er doch noch Werkzeug bei uns vergessen hat. Frauchen hatte noch gefragt, ob sie einen Kaffee machen soll. Nee nee, er hat keine Zeit. Ist dann auch nur kurz in die Garage, hat sein Zeug genommen und war schon wieder weg. Selbst unseren neuen Mitbewohner hat er nur flüchtig zur Kenntnis genommen. Die zweite Episode war ein kurzer Anruf, dass er sich einen neuen Fernseher gekauft hatte ob wir seinen alten wollen. Nicht? Okay... er wollte nur fragen. Telefonat beendet. Natürlich kann man das Ganze jetzt wohlwollend werten. Er hat dann ja doch irgendwie Kontakt gesucht. Vielleicht hätte es ja schon gereicht, wenn er wenigstens gefragt hätte, ob es uns gut geht oder irgendwas. Ich meine, er hätte ja eigentlich wissen müssen, dass er etwas verbockt hatte (also unterm Strich). Es klingt so seicht, aber der Tod ist einfach endgültig (hört hört). Auch wenn das Frauchen nach der Haus-Geschichte ziemlich straight für sich festgestellt hatte, dass sie keinen Vater braucht, der sie im Stich lässt und (das fand ich noch viel schlimmer) häufiger runterputzt und "klein hält", so dass immer eine angespannte Stimmung herrscht, wenn man sich sieht... Wenn die Person aber ganz weg ist... Ist sie weg. Und sie hatte sonst keine Familienbande (zu diesem Zeitpunkt) mehr. Keiner mehr da, den man mal fragen könnte, wie dieses oder jenes bzw. man selbst in der Kindheit war. Außer Erinnerungen und Erzählungen hatten die beiden nichts - Photos blieben ja zu 99% im verwiesenen Haus. Die erste Zeit war unheimlich hart. Viele verheulte Abende, in denen ich nicht viel mehr machen konnte, außer die Frau in den Armen halten und ab und an mal eine idiotische belanglose Floskel raushauen... Ich bin echt nicht gut in solchen Dingen. Ganz egal, wie sehr man über seine bescheuerte Verwandtschaft meckert... Keine Familie mehr zu haben wiegt ungleich schwerer. Kommentare |
TT (T T) OfflineMitglied seit: 11.06.2004DE 2023-07-26 19:57 |