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Tagebuch MI
2005-10-06 15:43
Tag der deutschen Einheit
Am Montag war ich mit meiner Familie in Potsdam. Dort wollte ich an den Feierlichkeiten zum Tage der deutschen Einheit teilnehmen. Auf Grund vorheriger Erfahrungen wußte ich, was es bedeutet, mit drei kleinen bis mittelkleinen Kindern auf eine Massenveranstaltung zu gehen. Ohne Drama geht das nie ab. Andererseits will ich auch nicht immer auf solche Ereignisse verzichten, nur weil wir immer drei Kinder mitnehmen müssen. Und in gewisser Weise habe ich auch eine Strategie entwickelt, wie man ohne allzugroße Dramen mit Kindern solche Ereignisse übersteht.

Zum Beispiel darf man die Kinder nie irgendetwas sofort machen lassen (ein Fahrgeschäft, eine Losbude), sondern man muß erst einmal sondieren, sie sollen sich in Ruhe aussuchen, was sie machen wollen. Und wenn das geklärt ist, dann geht man - dem Geldbeutel entsprechend - das gesteckte Programm durch. Ich habe also das Drama-Risiko in Kauf genommen, weil ich einfach mal bei irgendwas dabei sein wollte.

Es hat dann auch schöne Momente gegeben. Zum Beispiel sind wir alle gemeinsam Riesenrad gefahren. Und es hat natürlich auch die Dramen gegeben ("Der hat dies, aber ich noch nicht das!!" usw.). Aber das verlief alles in erträglichen Bahnen. Was ich aber überhaupt nicht ertragen konnte, das war der Lärm. Es war nicht nur der Lärm des "Rummels" (der war nur ein paar hundert qm2 groß), sondern die ganze Stadt war einfach nur irrsinnig laut. Firmenausstellungen, deren Bässe noch einen Kilometer weiter durch die Magengegend dröhnten, ein Nestle-Kinderland, in dem sich die Akteure gegenseitig mit Lärm überboten, ein Auto-Rennen mit offen liegenden Motoren und entsprechener Geräuschkulisse. Selbst der mexikanische Straßensänger hatte einen Verstärker dabei, der einem das Trommelfell platzen lassen konnte.

Ich weiß nicht, vielleicht bin ich das auch nicht mehr gewohnt. Aber ich glaube, es ist auch einfach laut geworden. Wie das eben immer so ist. Der eine fängt damit an, dann muß der andere eben auch lauter werden. Diese ganz normalen sich selbst verstärkenden Effekte, da waren sie wieder zu beobachten.

Ich hatte aber auch das erwartet oder besser: befürchtet. Daher gehe ich schon gar nicht mehr ohne Wachskugeln zu solchen Ereignissen und hatte auch dieses mal welche dabei. Als mir das Geräuschaufkommen schließlich wirklich unerträglich wurde (ich bekomme dann richtige Aggressionsschübe und würde am liebsten die Boxen eintreten), habe ich mir die Kugeln in die Ohren gestopft. Man kann so immer noch ein Gespräch führen und die Menschen um sich herum hören. Ein bißchen aufmerksamer muß man nur sein. Hauptsache der Lärm ist weg! Was für eine Wohltat.

(Die sehende Aufmerksamkeit wird dadurch übrigens enorm verstärkt. Man wird viel mehr aufmerksamer Beobachter als durchgeschleuster Event-Teilnehmer. Und wenn ich ehrlich sein soll, ist das ziemlich erschütternd, was man da zu sehen bekommt. Ich will nicht sagen, es IST tatsächlich erschütternd, es ist nur so, daß mich das erschüttert und trifft. Es ist alles vollkommen hohl und leer, eine komplett künstliche Welt, in der alle Menschen so tun, als hätten sie Anteil daran. Und doch sieht man ihnen an, daß sie wie ich eigentlich gar nicht wissen, was daran toll sein soll und was das überhaupt soll. Vielleicht würden sie auch wie ich lieber leise und friedlich dem Land gedenken, anstatt diesem Lärm ausgesetzt zu sein).

Das war in dem Nestle-Kinderland (natürlich nichts anderes als eine unmaskierte Werbeveranstaltung). Ich hielt das Wachs sicher eine Stunde in den Ohren. Auf dem Rummelplatz habe ich es schließlich wieder rausgenommen, weil ich mit Standverkäufern sprechen mußte. Da wäre ich beinahe schier umgekippt und konnte nicht fassen, daß all die Menschen um mich herum das einfach so ertragen. Daß so eine Lärmerzeugung überhaupt erlaubt ist, konnte ich mir gar nicht erklären. Ich finde, die Menschen werden dadurch massiv geschädigt. Aber wir haben doch genug Bürokratie, ich bin nicht für lauter Verbote. Das muß doch auch auf privater Basis klappen. Nur, wenn nicht?

Tag der deutschen Einheit, davon habe ich eigentlich überhaupt nichts mitbekommen. Es war halt voll und laut. Leiser Zweifel meldet sich an. Was sollte das? War es das wert? Im Grunde weiß ich nicht, was das mit der deutschen Einheit zu tun hatte, was ich da getan habe. Eigentlich nichts.

Michael

Kommentare

13:49 12.10.2005
Und Recht hast Du. LG zurück. MI
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unbekannt
21:03 11.10.2005
Selbst Schuld hast Du, wenn Du Dir das antust - Veranstaltungen für Massen sind halt immer so! Aber es geht auch anders, wenn Du mit den Kindern Pilze suchen oder Vogellaute bestimmen gehst o. ä.- bringt Ruhe und Stärkt die "Hörgenauigkeit"!
LG


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2005-10-06 15:43