hilflos
Der erwartete Supergau ist eingetroffen. Als ich mit meiner Freundin zusammen unterwegs war war es noch ok, und ich konnte sie auch ein wenig auf andere Gedanken bringen.

Am Heimweg fing es dann an. Noch als ich in der U-Bahn sass hat sie mich schon angerufen, erst nur weil sie nicht allein die Strecke lang gehen wollte, aber dann ist daraus das ärgste Drama geworden. Ihr Vater, schwerer Alkoholiker, ist wie befürchtet zu Hause am Boden rumgelegen weil er wieder mal hingefallen ist im Suff. Er wollte sich auch nicht helfen lassen, und ordentlich ansprechbar ist er sowieso nicht. Ich konnte nicht mehr tun als ihr anzubieten dass sie zu mir kommt, oder wir uns treffen und was machen, das wollte sie aber nicht. Also konnte ich nur am Telefon bleiben und ihr zuhören wie sie über ihn schimpft und heult und nicht weiß was sie tun soll, ich hab mich richtig mies gefühlt weil ich nicht weiß wie ich ihr helfen kann.
Die Rettung rufen wollte sie auch nicht weil ihr Vater ihr das vorhalten würde, und sie lässt sich auch nicht überzeugen dass es ein guter Weg wäre und sie sich in keinem Punkt wegen irgendwas schuldig macht nur weil sie ihm helfen will. Zuletzt als wir telefoniert haben hat sie gemeint sie ruft jetzt ihre Tante an und erzählt ihr alles und fragt was sie machen soll- heikle Sache, da keiner aus der Familie über das Alkoholproblem Bescheid weiß.. wie blind kann man sein frag ich mich da.

Ich hab schon öfter überlegt wie ich sie da ein bisschen unterstützen kann, denn ohne einen Hebel von außen geht sie auch nicht mit ihrer Mutter (die durch den Vater ebenfalls ein Alkoholproblem hat) zu einer Beratung. Ich müsste fertig mit Unterlagen und Vorschlägen vor ihr stehen damit sie sich vielleicht wirklich mal traut. Und wenn nur ich mit ihr zusammen zu einer Beratungsstelle gehe, es gibt ja auch Hilfe für Angehörige von Alkoholikern. Ich hab allerdings keine Ahnung wo ich mich hinwenden könnte oder wie ich mich verhalten soll dass ich sie überzeugen kann damit sie auch endlich wirklich was unternimmt.

Wir haben vor etwa einer halben Stunde zuletzt telefoniert.. ich hab Schiß nachzufragen, weil ich Angst hab wieder einfach nicht helfen zu können. Ich hab ihr auch gesagt sie kann sich JEDERZEIT melden (das weiß sie aber eh auch), egal wie spät es ist.. dass sie sich bis jetzt nicht nochmal gemeldet hat macht mich unsicher- entweder telefoniert sie noch immer mit ihrer Tante oder es geht ihr wieder ein bisschen besser- oder sie möchte mich nicht anrufen weil sie denkt sie belästigt mich damit. Ich schick ihr jetzt eine sms und sag nochmal sie soll sich melden wenn sie wen braucht.. anrufen trau ich mich nicht falls sie wirklich noch mit der Tante telefoniert, das wär heikel. Wenn sie sie überhaupt angerufen hat, was ich schon hoffe.

Mann.

[edit 01:22]

Den Moment als ich den Text beendet habe hat sie mich angerufen. Sie hat tatsächlich so lange mit ihrer Tante telefoniert, und sie hat viel besser geklungen als vorher noch. Wir haben noch geredet bzw. ich hab ihr zugehört.. jetzt versucht sie zu schlafen, ich wünsch ihr wirklich dass sie es schafft sich auszuruhen.. sie meint ihr Vater ist bestimmt spätestens um drei wieder auf und rumort durch die Wohnung auf der Suche nach was essbarem oder mehr Alkohol, und sie wacht immer davon auf.

Ich bin froh dass sie sich dazu durchgerungen hat ihre Tante anzurufen, denn die kennt die Familienverhältnisse, und kann ihr vielleicht auch eher raten was sie tun kann und ihr zur Seite stehen, weil sie selber weiß wie es ist wenn der Vater alkoholkrank ist. Außerdem muss sie jetzt nicht mehr die ganze Last alleine tragen, die Familie hat ja überhaupt nicht Bescheid gewußt. Die Tante hat zwar schon etwas geahnt bzw. befürchtet, aber sie hätte nie gedacht dass es schon so schlimm ist. Jetzt ist es wenigstens heraus und meine Freundin muss nicht noch vor den anderen heile Welt spielen.

*sigh* Ich schaue dass ich jetzt ein paar Dinge erledigt bekomme und geh dann auch bald schlafen. So möchte ich nicht einschlafen (zum Glück bin ich noch nicht müde), ich muss mich erst auf andere Gedanken bringen. Die Einschlafzeit gehört nicht den Sorgen.