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Tagebuch doomed_man
2007-09-15 22:27
Die vier Tage ...
Ich habe mich mit meiner neuen Mitarbeiterin, mit der ich von nun an mein Zimmer teilen durfte, wahrlich sehr gut verstanden. Es war meist recht lustig, und die Arbeit lief wie von selbst.

Auch wenn es manchmal eine Belastung war, ihr "unsere" Arbeitswelt näher zu bringen und ihr Dinge beizubringen, die sie bislang noch nicht kannte ... ich habe schnell gemerkt, dass sie die richtige Wahl war. Sie hat eine unheimlich schnelle Auffassungsgabe. Auch ist sie eine "Fleißmeise", die keine Arbeit abgelehnt hat, und wenn sie dafür manchmal bis spät am Abend im Büro bleiben musste.

Die Wochen vergingen, alles war in bester Ordnung. Bis eines Tages meine Frau mir offenbarte, dass sie mit einer Arbeitskollegin nach Ägypten fliegen wolle. Ich hatte nichts dagegen. Da ich keinen Urlaub bekommen hätte und ich ihr aber eine Woche Urlaub mehr als nur gegönnt habe war ich auch ziemlich schnell einverstanden, dass sie ohne mich fliegt. Und so geschah es dann auch ...

Ich gestehe, dass ich ein Ernährungskrüppel bin. Ich kann zwar unheimlich gut essen, aber Kochen ist nun wirklich nicht meins. So habe ich mir dann für diese eine Woche einen Plan zurecht gelegt, wie ich mein leiblich Wohl unter Zuhilfenahme von Freunden und Kollegen sicher stellen kann.

Am ersten Abend, es war ein Dienstag, ging ich dann mit meiner neuen Arbeitskollegin zum Italiener. Es war sehr lecker, es war sehr interessant ... es war schön. Wir haben uns super nett unterhalten und der Abend wurde lange ... sehr lange. Bis uns der nette Ober irgendwann mal rausgworfen hat.

Schon Tage zuvor hatten wir vereinbart, dass wir eigentlich am Freitag der Woche Essen gehen wollten. Und trotzdem haben wir einen kleinen Zwischenschritt eingebaut. Ich wusste für diesen Tag einfach keinen Anderen, und sie hat spontan ja gesagt. Mir war es recht. Sehr recht sogar.

Die Woche verging und es wurde Freitag. Aus einer blöden Laune heraus haben wir vereinbart, dass wir an diesem Freitag ein "Spielchen" machen: Alle Fragen beantworten und immer die Wahrheit sagen. Ich habe mich sehr darauf gefreut. Ich fand die Idee ganz lustig.

Für den Abend habe ich es ihr freigestellt, was sie machen möchte. Essen gehen, einen Videofilm ansehen, gemeinsam ein Tiramisu basteln ... sie konnte völlig frei bestimmen. Und sie wollte alles. Ohne Ausnahme.

So sind wir nach der Arbeit in ein italienisches Restaurant gefahren und haben uns dort lecker vollgefuttert. Auch wenn wir beide voll auf Tortellini stehen ... ich habe mir dann ein Pilz-Risotto bestellt. Sie wollte gerne probieren. Dumm nur, dass es so lecker war, dass ich ihr nichts übrig gelassen habe. Das durfte ich mir noch Wochen später anhören.

Danach sind wir dann in meine Wohnung gefahren. Und, da sie es so wollte, haben wir uns gleich an die Arbeit gemacht, das Tiramisu zu basteln. Ich und Küche. Maximal die Spülmaschine und die Kaffemaschine sind mir vertraut. Ich musste erst mal suchen, wo meine Frau das ganze Werkzeug versteckt hatte. War sehr interessant. Man lernt seine eigene Küche mal neu kennen.

Während wir so das Tiramisu bastelten war ich eigenartiger Weise immer darauf bedacht, ihr nicht zu Nahe zu kommen. Ich wollte nich die Situation ausnutzen, dass sie in meiner Wohnung war. Ich wollte, dass es ihr gut geht und ihren "Freiraum" hat. Immer bin ich in einem großen Bogen um sie herum. Irgendwie eigenartig, aber so bin ich eben.

Nachdem wir den lustigen Versuch, ein Tiramisu zu machen, hinter uns gebracht hatten gingen wir ins Wohnzimmer. Dort wollten wir uns dann einen Film ansehen. Wir hatten uns im Vorfeld schnell darauf geeinigt, den Film "Club der toten Dichter" anzusehen. Wir haben irgend wann mal darüber gesprochen, und wir fanden den beide gut.

Während wir den Film angesehen haben habe ich mich immer wieder zu Ihr umgedreht und gefragt "Geht es uns gut?". Und immer wurde ich mit einem kleinen Lächeln und einem Kopfnicken belohnt. Und ich wusste, es geht ihr wirklich gut ...

Irgendwann, als wir nach dem Tiramisu gesehen hatten, wurde mir offenbart, dass wir es 24 Stunden kalt stellen müssen. Das war, zumindest von meiner Seite her, nicht geplant. Ich schlug darauf hin vor, einen weiteren Film zu sehen ... und wir kamen auf "Sister Act". Ist von der Story her vielleicht nicht ganz mein Film, aber die Musik finde ich nicht schlecht. Und so setzten wir uns wieder ins Wohnzimmer und sahen uns den zweiten Film an.

Am Ende des Filmes waren wir uns darüber einig, dass die Musik was ganz Besonderes hat. Und so haben wir die (in unseren Augen) schönsten Musikstücke immer wieder angehört und über Filmmusik geredet. Und irgendwann fing sie an, über die Musik aus dem Film "Sieben" zu schwärmen. Mir war zwar der Film präsent, nicht aber die Musik, die sie meinte.

Ein Glück, dass wir so viele DVDs zuhause haben. So ging ich in mein Arbeitszimmer, holte die DVD und wir haben den Film nach der Szene, die sie meinte, durchforstet. Es war die Bibliothek-Szene ... und im Hintergrund lief "Air" von Bach. Dann wusste auch ich, was sie meinte ...

Wir haben uns dann noch weitere Filme angesehen ... und es wurde spät und später. Irgendwann kam in mir das Gefühl auf, dass ich sie nicht mehr nach Hause fahren lassen wollte. Und so bot ich ihr an, sie könne gerne im Wohnzimmer schlafen. Mein Angebot nahm sie wohl gerne an und so blieb sie. Es war ja auch schon sieben Uhr früh ...

Da ich nicht besonders gut schlafen konnte stand ich wenige Stunden später auf. Ich setzte mich mit einer Tasse Kaffee (die Maschine kenn ich ja in- und auswendig) ins Esszimmer und überlegte, wie ich denn meinen Besuch nun wieder wach kriegen würde. Ich habe ihr empfohlen, die Türe abzusperren. Nicht wegen mir, sondern wegen unserer Katzen. Ich wollte, dass sie ungestört schlafen kann.

Ich musste an diesem Tag noch auf Kaffee und Kuchen zu meinen Schwiegereltern. Und irgendwie kam ich dann in eine zeitlich Not. Auch das Klingeln des Telefons hat meine Kollegin nicht aus ihrem Schlaf gerissen. Ich war irgendwie ein wenig machtlos ... aber dafür um so glücklicher, als ich dann doch Geräusche aus dem Wohnzimmer vernahm.

Nach einer kleinen "Frühstückszigarette", es war inzwischen fast 15 Uhr, habe ich ihr offenbart, dass ich weg muss. Ich machte ihr aber den Vorschlag, am späten Nachmittag wieder zu kommen. Schließlich stand ja noch die ganze Schüssel Tiramisu im Kühlschrank. Nicht schlecht gestaunt habe ich, dass sie sofort und ohne zu zögern ja gesagt hat. So fuhr ich zu meinen Schwiegereltern und sie zu sich nach Hause.

Nachdem ich meinen Pflichttermin hinter mir hatte raste ich wie ein geölter Blitz zum nächstgelegenen CD-Laden ... und besorgte die CD von Bach. Ich wollte meiner Kollegin eine kleine Freude machen, und habe mich dabei selbst sehr gefreut. Es war ein schönes Gefühl.

Kaum zu Hause angekommen lief ich hilflos wartend am Parkplatz auf und ab. Ich war pünktlich (was nicht immer so der Fall ist), sie aber nicht. Ich habe mir schon Sorgen darüber gemacht, ob Sie denn überhaupt kommt. Und doch, sie kam. Und hatte Apfelsaft dabei.

Kurzentschlossen sind wir dann in einen nahegelegenen Schlosspark gefahren und dort spazieren gegangen. Wir haben uns nett unterhalten ... über dies, das und jenes. Es schien genau so nett und lustig weiter zu gehen, wie es am Morgen geendet hatte.

Und wieder landeten wir in meiner Wohnung, haben etwas beim Heimlieferservice zu Essen bestellt ... und Filme angesehen. Irgendwann musste dann mal das Tiramisu dran glauben ... und es war genial. Klingt zwar überheblich, aber ich glaube, ich habe noch nie ein besseres Tiramisu gegessen!

Und der Abend ging weiter. Es wurde wieder spät, sehr spät. Erneut bot ich ihr an, sie könne im Wohnzimmer übernachten - zumal wir den restlichen Amaretto mit Apfelsaft vernichtet hatten. Ich zog mich dann so gegen fünf Uhr morgens in mein Schlafzimmer zurück und sie nächtigte im Wohnzimmer.

Am nächsten Morgen, oder auch einige Stunden später, stand ich auf um kochte wie üblich eine Tasse Kaffe. Warum auch immer öffnete ich die Tür zum Wohnzimmer. Sie war unverschlossen. Als ich sie jedoch da liegen sah und den Eindruck hatte, sie wäre oben ein wenig zu wenig bekleidet, dreht ich sofort um und schloss die Tür. Als mein Kaffee dann fertig war, ich aber auch gerne auf dem Balkon sitzen wollte, startete ich einen neuen Versuch ... und sah, dass ich mich im ersten Anlauf geirrt hatte. So zog ich ruhigen Gewissens an ihr vorüber und ging auf den Balkon. Es war schon Mittag und es war herrlich warm.

Nach einiger Zeit zeigte sich Leben im Wohnzimmer. Irgendwann kam sie dann reichlich verpennt aussehend zu mir auf den Balkon um eine mit mir zu rauchen. Aus jugendlichem Leichtsinn heraus fragte ich sie, ob sie denn am Abend erneut wieder kommen wolle ... und erneut sagte sie ja. Ich war überrascht, aber dankbar. Ich habe ihre Gesellschaft sehr genossen.

Und wieder kam sie. Und wieder haben wir geredet. Und wieder wurde es ein sehr, sehr angenehmer Abend. Nur ein kleiner fader Beigeschmack war dabei ... ich musste, im Gegensatz zu ihr, am nächsten Tag ins Büro und somit früh aufstehen. Dennoch blieb sie sehr lange bei mir und wir trennten uns um halb eins. Sie wieder im Wohnzimmer, ich wieder im Schlafzimmer ... alles war in bester Ordnung. In aller bester Ordnung. Bis zum nächsten Morgen.

Es war wahrlich nicht leicht, sie wach zu bekommen. Und so mühte ich mich morgens um sechs Uhr mit allen Mitteln, sie aus "der Ferne" wach zu bekommen. Ich wollte sie nicht anrühren oder an ihr rütteln. Aber letzten Endes blieb mir nichts anderes über. Oh, kann die zerknirrscht schauen, wenn sie unausgeschlafen ist.

Wir trennten uns. Sie fuhr zu sich nach Hause, ich ins Büro. Noch während des gemeinsamen Ganges zum Parkplatz fragte ich sie erneut, ob sie denn wohl wieder kommen möchte ... und erneut sagte sie ja. Wir vereinbarten, sie würde mich im Büro anrufen.

Der Tag verging ... aber sie rief nicht an. Der Tag kam mir vor wie eine Ewigkeit. Keinen Moment ließ ich mein Handy aus den Augen, vor lauter Angst, ich könnte ihren Anruf verpassen. Und doch, am späten Nachmittag: ihr Name auf meinem Display. Mir viel ein Stein vom Herzen. Und wieder verabredeten wir uns. Und wieder landeten wir in meiner Wohnung.

Auch dieser Abend verging mit einem Film, mit Musik hören, mit viel reden. Und es war einfach nur genial. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so gut und intensiv mit jemandem unterhalten. Es war interessant, es war aufregend, es war phaszinierend.

Was ich in all den Gesprächen aber am überwältigensten fand: Meine Kollegin ist über zwölf Jahre jünger als ich. Und dennoch haben wir immer und jederzeit ein Gespräch "Aug in Aug" geführt. Und vor allem ... es war immer Freitag. Alle Fragen beantworten, immer die Wahrheit sagen. Es war eine irre Idee. Aber sie war gut.

Ich kann mich noch an so viele Themen erinnern. Noch nie, noch nicht einmal mit meiner Frau oder früheren Freundinnen habe ich über solche Themen gesprochen. Jetzt weiß ich zumindestens einiges über Epilierer ... und noch viel mehr.

Und wieder wurde der Abend lang, und wieder übernachtete sie bei mir. Sie wieder im Wohnzimmer, ich wieder im Schlafzimmer. Alles hatte noch immer seine aller beste Ordnung.

Am nächsten Tag, es war wieder Dienstag, sollte meine Frau aus dem Urlaub zurückkommen. Und so machte ich mich auf, alle "Spuren" zu beseitigen. Es gab nichts, was mir hätte peinlich sein oder was nun zwingend hätte entsorgt werden müssen. Aber ich wollte meiner Frau den Schock ersparen, dass sie so davon erfährt, dass eine fremde Frau bei uns zu Hause gewohnt hat.

Es war Dienstag, es war ein Feiertag. Wir fuhren nach der groben Aufräumaktion ins Büro. Ich kann mich nicht mehr wirklich daran erinnern, warum wir das getan haben, aber da saßen wir dann. In unserem Büro. Irgendwann sagte ich ihr, ich müsse ihr ein Lied über den PC vorspielen. Ich wollte ihr damit was sagen. Und so spielte ich aus dem Musical "Elisabeth" das Stück "Boote in der Nacht". Auf ein Mal sprang sie auf und rannte aus dem Zimmer.

Ich ging ihr hinterher und sah, wie sie auf der Damentoilette verschwand. Hilflos stand ich auf dem Gang und wußte nicht so recht, was ich falsch gemacht habe. Minuten, Ewigkeiten später kam sie mit verheulten Augen wieder ins Zimmer. Ich fragte sie, was passiert sei ... und sie meinte, sie würde sich wünschen, ich könne der andere sein.

Ich habe ihr weh getan. Und das wollte ich nicht. Ich habe während der vielen Zeit, die wir zusammen verbracht haben, noch nicht ein Mal die Anstalten gemacht, mich an sie heranzumachen. Ganz im Gegenteil. Ich habe immer versucht, körperlichen Kontakt zu vermeiden. Ich habe mich immer nur darum bemüht, dass es ihr gut geht. Dass es ihr an nichts fehlt. Und das sie ein wenig Spaß hat.

Wir verließen das Büro, Sie fuhr zu sich nach Hause, ich zum Flughafen. Und irgendwie bemerkte ich, dass in mir was eigenartiges passiert ist. Ich fühlte mich befreit. Absolut wohl. Mir ging es gut. Ich freute mich darauf, meine Frau vom Flughafen abzuholen.

Noch am Flughafen schrieb ich meiner Kollegin eine SMS. Ich bedankte mich bei ihr für die vier wohl schönsten Tage, die ich seit vielen Jahren verlebt habe.

An einem der Abende fragte meine Kollegin mich, warum ich so traurige Augen hätte. Ich versuchte (da es ja Freitag war), ihr zu erklären, woher das kommt. In ihrer Antwort auf meine SMS schrieb sie nur ... "Jetzt war er doch schneller. Ich danke ihm dafür, dass ich einen Moment in glückliche Augen sehen konnte."

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doomed_man Offline

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2007-09-15 22:27