Willkommen auf Tagtt!
Friday, 26. April 2024
Tagebücher » staunistauni » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch staunistauni
 1980-10-02 hh:mm
Mut zur Fahrschule

 


Über Elviras Betrieb gab es die Möglichkeit, ohne die übliche Wartezeit von drei Jahren einzuhalten, Fahrschule zu machen. Elvira wusste zwar, dass ihr Mann davon nicht begeistert war, aber sie meldete sich trotzdem an. Es reizte sie, zu beweisen, dass sich ihre Nerven wieder stabilisiert hatten.

Auf Anhieb bestand sie die theoretische und auch die praktische Prüfung. Allerdings war diese für sie ein Horror.

In ihrem Fahrschulwagen „Moskwitsch“ wartete der Fahrlehrer mit den Prüflingen auf den Abnehmer der Prüfung. „Es wird heute nicht schlimm werden, der schärfste Prüfer ist nach Angola gegangen!“

Der Fahrlehrer hatte es noch nicht ausgesprochen, da kam eben dieser Fahrprüfer auf sie zu. Er war also noch in der DDR und gleich würden zwei Schülerinnen sein Opfer werden.

Zuerst kam eine junge Frau, die beste Fahrschülerin des Durchgangs, dran. Kaum war sie zehn Minuten gefahren, ließ sie der Prüfer vor dem Volkspolizei-Kreisamt anhalten und brüllte sie fürchterlich an. Sie war am Pirnaischen Platz in die falsche Spur gewechselt. Für sie hatte sich die Prüfung erledigt. Elvi, die die nächste war, zitterte schon vor dem Anfahren wie Espenlaub, fuhr aber dann fast fehlerfrei. Vor lauter Angst hatte sie sich allerdings nicht getraut, in einen höheren Gang zu schalten und fuhr die ganze Zeit nur im zweiten Gang.

Mit hochrotem Kopf und der Gewissheit, dass auch sie durch die Prüfung geflogen sei, stellte Elvira das Auto auf dem Fahrschulparkplatz ab. Sie ließ ein schlimmes „Gewitter“ über sich

ergehen. Der Fahrprüfer kritisierte sie so lautstark, dass ihr Hören und Sehen verging. Plötzlich hielt er inne, gab Elvira die Hand „Gratuliere zur bestandenen Fahrprüfung! Das Schnellfahren lernen Sie von allein!“ Völlig schockiert, aber dennoch glücklich, fuhr Elvira nach Hause. Gerne hätte sie sich jetzt jemandem mitgeteilt, aber leider war keiner zuhause. Die Kinder waren im Ferienlager und Helmut hatte schon am Vorabend die Bemerkung fallen lassen: „Schade um`s Geld, Du fährst doch so wie so nicht!“

In den nächsten Tagen wollte sie es ihm aber beweisen. Sie machte sich auf den Weg, fuhr quer durch die Stadt zu ihren Eltern und zu Freundinnen. Ab und zu fuhr sie dann noch zum Einkaufen. Nachdem sie aber beim Einlenken auf einem Parkplatz das nebenstehende Auto gerammt und auch der eigene Pkw eine größere Schramme hatte, wurden die Fahrten immer seltener. Wenn Helmut als langjähriger Fahrer mit im Auto saß, hatte sie keine Lust und ließ lieber ihn ans Steuer. Sie war doch als Anfängerin froh, wenn sie das Auto zum Laufen brachte und hatte damit zu tun, alle Verkehrszeichen zu beachten. Helmut aber verlangte von ihr, dass sie z.B. hörte, wenn sie im falschen Gang fuhr. Ihm, der seit Jahren Auto fuhr, tat es leid, wenn sie das Auto quälte und außerdem ging es über die Teile, die ja in der DDR so schwer zu bekommen waren. Um den nicht enden wollenden Vorhaltungen zu entgehen ließ Elvira tatsächlich das Fahren wieder bleiben.

Außer dem Thema Auto lief es im Ehe- und Familienleben wieder recht gut. Jörg begann nach dem Abschluss der zehnten Klasse eine Lehre zum Nachrichtentechniker.

Eigentlich hätte er gern die Chance genutzt, einen „Beruf mit gleichzeitigem Abitur“ zu lernen. Dafür gab es aber nur wenige Plätze und mit politisch gestrauchelten Eltern kam er dafür nicht infrage.

Kommentare

Noch keine Kommentare!
Kommentieren


Nur für registrierte User.

staunistauni Offline

Mitglied seit: 19.07.2012
81 Jahre, DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

1980-10-02 hh:mm