Willkommen auf Tagtt!
Friday, 19. April 2024
Tagebücher » staunistauni » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch staunistauni
 1984-08-20 hh:mm
Abschied ganz anderer Art


Im August 1984 gab es noch ein einschneidendes Erlebnis. Hier kurz die Vorgeschichte: Die guten Freunde Ingeborg und Hermann Hansen hatten schon seit Jahren die „Ausreise aus der DDR“ beantragt. Hermann konnte vieles, was in der DDR so lief, einfach nicht mehr ertragen. Er bemerkte beispielsweise bei „guten“ Genossen Gesetzesübertretungen, ohne dass diesen dabei etwas passierte. So wurden trotz der Wohnungsknappheit und trotz einer Anweisung, dass Wohnungen nicht als Arbeitsräume genutzt werden durften, genau solche Sachen gemacht. Hermann selbst hatte eine Wohnung, wo man auf Grund des Alters der Anlagen fast eine Stunde warten musste, bis die Badewanne vollgelaufen war. Er kam aber an keine andere Wohnung ran und ein Tausch war in deren Zustand nicht möglich. Weiterhin war ihm, nachdem er promoviert hatte, versprochen worden, dass er in seinem Arbeitsteam „ der zweite Mann“ werden sollte. Als es soweit war, setzte man ihn wieder hinten an, weil er nicht in der richtigen Partei war. Er war damals einer Blockpartei beigetreten, nur deshalb, um Ruhe vor den Werbern der SED zu bekommen. Wegen dieses Ärgers und noch vieler anderer Probleme hatte sich Hermann bei einem anderen Betrieb beworben und von dort auch schon eine Zusage in der Tasche. Danach kündigte er in seinem Betrieb. Als er die neue Arbeit antreten wollte, nannte man ihm fadenscheinige Gründe, warum er die Stelle doch nicht bekommen könnte. Die lieben Genossen hatten kräftig zusammengearbeitet und dem ewigen Kritiker einen Denkzettel verpasst. Das war nur noch der Punkt, der auf dem „I“ fehlte. Dr. Hermann Hansen war nun praktisch dazu verdonnert, eine Arbeit weit unter seinem Niveau anzutreten. Er durfte „gnädigerweise“ als Straßenbahnfahrer arbeiteten. Das tat er dann auch, nachdem er mit seiner Familie die Ausreise beantragt hatte. Sofort mussten die Söhne Maik und Thoralf ihre „Berufsausbildung mit Abitur“ beenden und in eine normale Lehrausbildung einsteigen. Nun war tatsächlich die Ausreise bewilligt worden. Kurzfristig mussten Hansens mit ihren beiden Söhnen die DDR verlassen. Zum Glück hatte irgendein „Engel“ dafür gesorgt, dass die Ausreise erst dann genehmigt wurde, als die Söhne ihren Facharbeiterabschluss in der Hand hatten. Nachdem der Hausrat in Kisten verpackt war, gab es noch eine kleine Abschiedsfeier mit Helmut und Elvira sowie Schwester Christel und Schwager Werner im „Meißner Weinkeller“. So ein feines Lokal hatten sich Schefflers noch nie leisten können, aber der Anlass dafür stimmte sie sehr traurig. Waren Hansens doch ihre vertrautesten Freunde geworden, hatten sie doch manchen Abend miteinander diskutiert und gegenseitig ihren Frust abgelassen. Wer weiß, ob sie sich jemals wiedersehen würden? Nun standen die Freunde in der gleichen Formation wie im Weinlokal auf dem Bahnsteig des Bahnhofes Dresden-Neustadt. Da standen nun die Vier vor einer unsicheren Zukunft. Wohin würde es sie verschlagen? Sollte man sie bedauern oder beneiden? Auf alle Fälle waren die Zurückgebliebenen sehr traurig als der „Flüchtlingszug“ mit einer riesigen Verspätung den Bahnhof verließ. Viele Begleiter der anderen Flüchtlinge weinten, nahmen ihre leeren Sektflaschen mit und verließen den Bahnhof, um wieder im DDR-Alltag unterzutauchen. Schefflers und Kesslers schlurften auch langsam davon. An der Post wagte Elvi einen Seitenblick auf Christel. Sie war also nicht allein mit ihren Tränen.

Kommentare

Noch keine Kommentare!
Kommentieren


Nur für registrierte User.

staunistauni Offline

Mitglied seit: 19.07.2012
81 Jahre, DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

1984-08-20 hh:mm