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Friday, 19. April 2024
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Tagebuch Zoe
2008-05-08 14:08
Jessie
Juli hatte mittlerweile Arbeit in einem Bordell gefunden und ich beschloss sie an einem Abend zu besuchen, denn an der Uni traf ich sie höchst selten an. Überhaupt, ich fragte mich, ob sie wohl ganz in diesem Milieu bleiben würde. Ich sah vor meinem inneren Auge, wie das ihre Endstation war und trotzdem hoffte ich, dass ich falsch lag. So wickelte ich mich in eine Bluse aus Samt um mich von den bevorstehenden Damen abzuheben. Offen gesagt habe ich einen Schutzschild gesucht, ich wollte nicht mit diesen Frauen in Verbindung gebracht werden. Es war eine pure Falscheinschätzung von mir, denn solch liebenswürdige Frauen, habe ich sonst nirgends kennengelernt. So hopste ich die Treppen in meinem Wohnblock hinab und nahm den nächsten Bus in Richtung des berüchtigten Bordells. Die Fassade sah nicht wirklich nach so einem Etablissement aus. Das Haus musste erst vor kurzem in diesem sanften Ton gestrichen worden sein, es erinnerte mich mehr an ein kleines Geschäft. Kein Schild, nichts deutete darauf hin, was sich Nacht für Nacht, Tag für Tag hinter diesen Mauern abspielte. So trat ich auf die Türschwelle und drückte auf die goldene Fassung der Klingel, darauf Stand in geschwungener Schrift, der Name der zum ganzen Komplex gehörte. Sekunden später wurde mir von einer unglaublich großen Frau geöffnet. Sie hatte ein leichtes Schielen in ihren Augen, die Haare waren kurz und platinblond. Ich glaube sie hatte mehr etwas von einer Bulldogge als von einem Menschen. Sie beäugte mich ungläubig und sagte dann so was wie »Ich wüsste nicht, was Sie hier wollen könnten« ich setzte mein kokettes Lächeln auf, was sie zu beunruhigen schien und erwiderte dann »Doch ich wüsste schon, was ich hier wollen könnte« der Zorn stieg regelrecht in ihre Augen »Verdammt was willst du?« einen Moment lang war ich selbst vollkommen perplex »Ich möchte bitte zu Juli«. Sie trat einen Schritt zurück und ließ mich ins innere des Gebäudes treten. Der Eingangbereich sah nicht sehr viel versprechend aus, ich konnte eine Theke erkennen, wo wohl die Telefonate entgegengenommen wurden. Der Boden war abgewetzt und alt. Die Bulldogge lief in einem Heidentempo voraus und ich musste beinahe rennen um mit ihr mitzuhalten. Die nächste Tür ging auf, dahinter befand sich die Bar, wo die Mädchen saßen und sich um die Männer stritten. Dazu standen ein paar schrullige Sofas dort, wo sich bereits Mädchen mit Freiern befanden und wahrscheinlich darum feilschten, was sie ihnen bieten konnten. Ein Spannteppich zog sich durch den Raum, er musste vor einigen Jahren mal rot gewesen sein. Die nächste Tür flog auf, ich hastete der Dogge die Treppe hoch nach und dann fiel die letzte Tür auf. Wo Juli vor einem Spiegel ihre Haare drapierte, sich wohl fertig machte für die nächsten Kunden. Die Bulldogge schrie regelrecht »Juli, Besuch! Machs kurz!« sie drehte sich um und nickte kurz bis die Bulldogge verschwunden war. Das Zimmer war geräumig, ein Bett stand an der Seite mit rosarotem Satin bezogen, ein paar Meter daneben war eine kleine Duschkabine vorzufinden, wo sich die Freier wohl duschen konnten. Juli saß immer noch vor ihrem Spiegel, sie trug dick roten Lippenstift auf. Ihr Gesicht war mehr wie eine Puppe geschminkt als dass es einem Menschen gestanden hätte. Sie trug ein schwarzes Babydoll und Plateaus. »Sag mal, fühlst du dich hier wohl?« fragte ich ohne zu zögern »Ja klar, why not?« sagte sie kurz und drehte sich dann in meine Richtung. »Was bekommst du hier? Muss das sein Juli?« sie kramte in ihrer Tasche nach ihrem Parfum und spritzte es sich grosszügig an den ganzen Körper. »Je nach dem was der Kunde wünscht, Verkehr einen Hunni, es wird nicht nach Zeit abgerechnet, sondern nach Art. Ist ein bisschen anders als bei euch« ich legte die Stirn in Runzeln und rechnete nach. Früher hatte sie in der Stunde mindestens 250 abgesahnt und jetzt musste sie um die Freier mit anderen Kämpfen und bekam höchstens 100 und die ganze Nummer war wahrscheinlich so, als ob sie eine leblose Gummipuppe wäre. Sie stand auf und bat mich mit runter zu kommen. Wir betraten wieder die Bar, wo die verschiedenen Damen saßen und billigen Fusel tranken. »Juli es wird wohl noch bessere Etablissements in dieser Stadt geben, viel bessere!« flüsterte ich ihr ins Ohr »Ich weiß Schätzchen!« erwiderte sie und setzte sich auf einen Hocker an der Bar. Ein Freier betrat das Rauminnere und schaute sich nach einer ihm ansprechenden Dame um und prompt stand er neben mir. Er strich mit über den Hals mit seinen schwieligen Fingern und zischte so was wie »Na neu hier, kleine?« Ich glaube ich habe einen riesigen Sprung zur Seite gemacht. Denn danach waren alle Augen auf mich gerichtet. »Schon gut Eddie! Sie arbeitet hier nicht. Zu großes Kaliber für dich!« sagte Juli mit dunkler rauer Stimme, so wie ich sie noch nie gehört hatte. Dieser Eddie trat wieder vor mich und lächelte mich an, er hatte eine Fahne und roch nach Schweiß. Mein ganzer Körper wollte sich direkt vor ihm übergeben. »Deine Haut scheint wie Porzellan zu sein, so schön glatt, eben und blass« sagte er zu mir. Ich trat nochmal einen Schritt zurück. Was hatte mich nur geritten, als ich beschlossen hatte in dieses Gewerbe einzutreten? Hatte ich nur Gentlemen erwartet? So sah die Realität aus! Ich bekam das Sahnehäubchen des Gewerbes, die Reichen, die meist gut gekleidet waren und hinzu auf sich achteten. Meist auch Achtung vor mir hatten. Ich wurde gut bezahlt und bekam die Guten. Hier sah ich eine andere Realität, vielleicht war die Bezahlung besser, als wenn man stundenlang putzen gegangen wäre, aber der Preis mit solch einem Mann ins Bett zu gehen wäre für mich psychisch zu hoch gewesen. Klar, es waren an diesem Ort nicht alle so. Ich will nicht eine Illusion herstellen die es nicht gibt, es gab auch anständige Kerle. Aber eben auch solche wie Eddie einer war! Eine kurvige Latina betrat den Raum, sie trug einen Mantel und war wohl gewandt um zu gehen. Sie schubste Eddie auf die Seite und packte mich leicht grob am Arm und zog mich auf die Strasse heraus. Dann blieb ich wie angewurzelt stehen. »Sorry, ich wollte dir nicht wehtun Aber ich glaube es ist besser du bleibst von solch einem Ort fern« ihre Stimme war weich, sie erinnerte mich an dessen von meiner Mutter. »Juli hat schon viel von dir erzählt, ich mach grad Feierabend, willst du noch auf ein Bier mitkommen?« Nach kurzem zögen willigte ich ein und gab ihr meine Hand »Ich bin Zoe« »Freut mich Zoe, ich bin Jessie«. So schlenderte ich mit ihr bis in die Innenstadt zu einer kleinen Bar. Wir tranken zusammen ein Bier und Jessie erzählte mir von ihrem Leben.
»Ich hatte keine Wahl, ich bin zwar hier aufgewachsen, aber meine Eltern hatten nie wirklich ein Ohr für mich. Das liebe Leben lang haben sie sich um das Geld gestritten. Mein Vater hat jeden Drecksjob angenommen, doch anstatt das Geld nach Hause zu bringen hat er es versoffen. Ich weiß nicht wirklich was da vor sich ging, ich war noch zu klein und danach wollte ich es nicht mehr hören. Ich habe mir immer diese schöne heile Welt ausgemalt, dachte ich würde es eines Tages zu etwas bringen. Bis ich Hans kennengelernt habe. Er war kein Schönling, hatte eine krumme Nase und diese bubenhafte, schlaksige Gestalt. Ich war gerade 15 Jahre alt und er zig Jahre älter. Für ihn habe ich meine Träume hingeschmissen, hab mich für ihn aufgegeben. Ja, er war mein Mann, ich habe ihn über alles geliebt. Am Anfang schien alles wunderbar zu sein, mein Hans liebte mich und trug mich auf Händen. Er ging arbeiten, ich suchte mir kleine Jobs nebenbei und die Welt war wirklich in Ordnung. Ich war nie mehr so glücklich wie in dieser Zeit. Er hat mich nie zu etwas gezwungen, wir hatten wirklich wunderbaren Sex. Ja, diesen Sex mit dem gewissen Gefühl. Nie mehr war mir ein Mensch so nahe, wie Hans es war. Es ging alles ziemlich schnell, ich wurde schwanger von ihm und von heute auf morgen ist er ausgerastet. Er hat meinen Bauch verflucht, wollte dieses Kind nicht. Hat mir Dinge an den Kopf geworfen, die ich heute noch nicht verstehe. Doch ich hab mich für das Kind entschieden, eine Weile blieb er bei mir. Bis man mir die Schwangerschaft ansah, er wollte eine schöne und junge Frau, aber doch keine Schwangere. Er hat noch ein paar Monate mit sich gerungen und dann hat er mich von heute auf morgen verlassen. Einfach so. Ich war am Boden zerstört und habe lange dem Kind die Schuld geben wollen. Manchmal dachte ich sogar, dass ich es hätte abtreiben sollen. Hans ist wirklich mein ein und alles gewesen. Meine Eltern hätten mich zu Hause nicht mehr geduldet und so bin ich Hochschwanger putzen gegangen bis das Kind da war. Es war das schönste Kind auf Erden, es hatte die schneeweiße Haut von Hans, doch ich vergötterte es. Ein paar Freundinnen haben mir sehr geholfen mich finanziell unterstützt mein kleines Kind gehütet, damit ich Geld verdienen konnte. Meine Mutter wollte dieses Kind nicht, ein uneheliches Kind wäre eine Katastrophe für sie gewesen. Obwohl das für die damalige Zeit nicht mal mehr so abnormal gewesen wäre, doch sie hatte ihren Glauben und nichts stellte sich dem in den Weg, nicht mal ihr eigenes Kind. Trotz der gütigen Hilfe von Freundinnen und Bekannten, ich konnte so nicht über die Runden kommen. So kam es, das ich irgendwann so weit war, dass ich sogar bereit war meinen Körper zu verkaufen nur dass es meinem kleinen Kind gut ging. Ich fing an auf dem Land in einer Kneipe anzuschaffen, welche an ein Puff gekoppelt war. Am Tag kümmerte ich mich um mein schönes Kind und abends brachte ich es zu einer Freundin um dann mein Geld verdienen zu gehen. Die Bezahlung war miserabel und die Typen auch. Ich bin nicht mehr davon weggekommen, mein Kind ist mittlerweile 13 Jahre alt. Es sieht wie Hans aus, es ist ihm aus dem Gesicht geschnitten. Doch er will nichts von seinem Kind wissen, ich wollte ihn mal kontaktieren. Aber er war nicht bereit dazu. Er hat eine dieser Emanzen geheiratet, welche die Männer unterdrücken. Ich glaube er braucht das, aber so ein anhängliches Bündel wie ich, war ihm dann doch zuviel. Soll mal einer die Männer verstehen.«
Irgendwie war ich geschockt, hatte ich gedacht, mein Leben wäre bisher miserabel verlaufen. So erfuhr ich zum ersten Mal, was es wirklich heißt zu kämpfen. Nicht nur für sich alleine, sondern auch für sein Kind. Ich selbst konnte nicht so offen über mein Leben reden, doch so jemand, der schon soviel verloren hatte. Fasste das Vertrauen immer wieder in andere Menschen. Sie war unheimlich hübsch und etwas im Kopf musste sie auch haben und trotzdem hatte das Leben so schlecht mit ihr gespielt. Ich weiß nicht ob es fair ist, genau die Menschen, denen es schon beschissen geht, die werden dann noch mehr beschissen. Da soll einer sagen das Leben macht Sinn? Ich bin noch weit entfernt davon den Sinn zu finden. Eine Lebensgeschichte von vielen.. Und trotzdem bleibt sie einem im Gedächtnis, man trägt sie mit sich rum um immer zu wissen, dass man selbst ein tolles Leben hat und das man dankbar sein soll für jeden Sonnenstrahl der einem ins Gesicht scheint.

Kommentare

11:40 10.06.2008
Hallo Eule
Es tut mir leid, dass ich so lange nicht mehr geschrieben habe. Es wird mit Sicherheit eine Fortsetzung geben. Spätestens Ende Juni! Ich stecke gerade in einem sehr wichtigen Prozess drin, dessen Verhandlungen letzten Monat begonnen haben. Arbeite Tag und Nacht daran, deshalb musste ich mein diary vernachlässigen.
Hoffe das nimmt man mir hier nicht all zu böse. Manchmal vereinnahmt mich mein Job viel zu sehr. Aber mein Beruf ist auch meine Leidenschaft...
Ich schreibe bald wieder regelmässiger, versprochen!
liebe Grüsse
Zoe
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unbekannt
18:12 08.06.2008
So nach einem Monat...keine Lust mehr zu schreiben?

Alles Liebe


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unbekannt
15:37 08.05.2008
mh...ich sage manchmal scherzhaft, vielleicht sollte ich anschaffen gehen, wenn das geld knapp ist und ich nicht weiß, woher ich es nehmen soll....aber ich glaube, selbst für meine kinder könnte ich nicht dort arbeiten, wo juli landete...

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2008-05-08 14:08