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Tagebuch Doc12
2010-08-31 08:25
Der weinende Clown - 40

„Mein Gott, ich komme mir fast vor wie beim Jüngsten Gericht!“, wandte Bruno ein.
„Jüngstes Gericht? Wie kommst du denn jetzt darauf? Humbug! Gibt es gar nicht! Wenn ich gleichzeitig alle Menschen, die jemals gelebt haben, an einem Tag auferstehen ließe, so wie es in der Bibel geschrieben steht, mit dem Körper, den sie zu Lebzeiten hatten, was glaubst du, welches Chaos auf Erden herrschte?! Allein der Menschenauflauf auf den Friedhöfen in aller Welt wäre schlimmer als an Allerheiligen! Dann hätte ich das Problem mit den Massengräbern, in denen Menschen teilweise kreuz und quer übereinander liegen, Probleme mit denjenigen, die im Meer ertrunken sind oder von Haifischen gefressen wurden, mit denen, die von Kannibalen verspeist worden sind, Probleme mit denen, die man in einem Krematorium verbrannt hat – die alle müssten zuerst mal ihre Teile zusammensuchen, diejenigen davon, die nicht mehr auffindbar wären, müssten nacherschaffen werden – dazu kämen dann noch all die Menschen, die momentan noch leben– und ich soll über jeden einzelnen davon zu Gericht sitzen? Nein, nein! Das wäre ein Zeitaufwand von – einen Moment, lass mich rechnen – von ungefähr gut achtzig Millionen Jahren, wollte man für jeden ein absolut gerechtes Urteil fällen. Und ich sollte das dann an einem Tag – am sogenannten jüngsten – bewerkstelligen? Bin ich denn ein Schnellrichter oder Akkordarbeiter? Nein! Nur ein einfacher Gott.

Deshalb habe ich das Problem anders gelöst: Jeder von euch richtet über sich selbst, das ist das Rationellste, geht viel schneller und ist meiner Ansicht nach auch effizienter. Und das machen wir sofort nach dem Tod, damit alles noch recht frisch in Erinnerung ist, verstehst du?
„Kompliment – sehr gut durchdacht.“ Bruno grinste.
„Siehst du, mein Sohn, und schon hast du wieder ein freundliches Gesicht. Versuch mal, es den ganzen Tag beizubehalten, auch wenn es anstrengend für dich ist.“
„In der Tat, es dürfte sehr anstrengend werden, nachdem ich so schlecht geschlafen habe – dazu hatte ich noch diesen reichlich seltsamen Traum ...
„Aha. Einen seltsamen Traum?“, hakte Gott nach.
„Ja, äußerst seltsam. Ein schäbig gekleideter, alter Mann saß an meinem Küchentisch und erzählte mir, er sei der Sozialstaat. Vermutlich kommt dieser Traum aufgrund der Fernsehsendung, die ich kurz vor dem Einschlafen noch angeschaut habe.“
„Ach – diese Sendung über den bankrotten Sozialstaat, ich weiß“, erwiderte Gott und lachte.

„Ich finde s nicht lustig – man müsste tatsächlich vieles ändern“, meinte Bruno und in seiner Stimme lag ein ärgerlicher Unterton, als er fortfuhr: „Aber was kann man schon dagegen tun? Nichts.“
„Ihr könntet alles sehr leicht ändern, wenn die Menschen nur etwas mutiger wären ...“, meinte Gott nachdenklich und sprach weiter: „Der Niedergang des Sozialstaates wird sich nicht mehr aufhalten lassen – auch wenn es noch dauern wird. Veränderungen werden in dem Augenblick geschehen, in dem sich die Mehrheit eures Volkes wieder mehr um sein eigenständiges Leben und dessen Vorsorge kümmert und zu sich selbst wieder Zutrauen fasst.“

„Und wie sollte das geschehen?“, fragte Bruno.
„Die Achillesferse des Sozialstaats ist der Zwang zur Expansion – er bläht sich auf wie ein Ballon, um schließlich zu platzen. Er wird von denen, die er begünstigt, letztendlich konsumiert, ausgehöhlt und aufgefressen.“
„Wie meinst du das? Ich verstehe dich nicht“, warf Bruno ein.

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2010-08-31 08:25