„So würde ich es nicht sehen – denn deswegen muss trotzdem gearbeitet werden und keiner sollte glauben, er könnte sich deshalb auf die faule Haut legen. Arbeit ist eine Verpflichtung des Menschen gegenüber der Gesellschaft – Müßiggang ist aller Laster Anfang, sagt der Volksmund. Doch der Druck wäre beseitigt – und das hätte nicht nur gigantische Auswirkungen auf die Arbeitswelt und die Wirtschaft, sondern auch auf das Miteinander der Menschen – in positiver Hinsicht. Der Begriff der Arbeitslosigkeit mit seinem abwertenden Beigeschmack würde schnell verschwinden.“
„Mein Gott, du sprichst mir aus der Seele!“, sagte Bruno.

„Zudem ist es so, dass man den Menschen ihre Mündigkeit wieder geben muss. Ihr seid mental völlig geknebelt. Ein normaler Mensch hat das Bestreben, sein Leben selbst zu gestalten und frei zu sein. Unter Freiheit verstehe ich, all das tun zu können, was mir beliebt, solange ich damit keinem anderen Schaden zufüge. Der Mensch soll wählen können, denn die Wahl ist ein Ausdruck seiner Würde. Er soll die Wohnung wählen können, seinen Beruf, seinen Arbeitsplatz, seine Kleidung, seine Partner, Freunde und Bekannten und meinetwegen auch die Marke oder Art seines Autos. Damit gestaltet er schließlich sein Leben.“
„Eine schöne Illusion, lieber Gott ...“, wandte Bruno ein.

„So, wie es momentan ist, ganz sicher, da gebe ich dir Recht und ihr habt noch eine Menge daran zu arbeiten, denn ihr seid völlig abgeschnitten von jeglicher Selbstentfaltung mit eurer staatlichen Rundum-Versorgung, die zu zahlen ihr kaum mehr in der Lage seid! Sie behindert euch, macht euch starr, schnürt euch ein, bis ihr finanziell bewegungslos seid – und ihr gebt euch damit der Illusion hin, ihr wäret auf diese Weise von der Verantwortung für euer Leben weitestgehend
befreit. Doch Vorsicht! Verantwortungsfreiheit könnte leicht zu Verantwortungslosigkeit werden und in der Würdelosigkeit enden! Wenn ihr nicht lernt, selbst wieder Verantwortung für euer Leben zu übernehmen, dann seid ihr so kindisch wie die Kinder und was wundert ihr euch dann, wenn kindische Komödianten und Blödelbarden eure kulturellen Leitfiguren sind? Und als Nächstes: Ich würde dem Bürger mehr Verantwortung für seine Altersversorgung zubilligen, denn man kann Altersruhegelder so anlegen, dass sie Gewinn bringen – indem man sie wiederum in die Wirtschaft investiert – und dazu sollte jeder selbst verantwortlich sein und sogar verpflichtet werden! Dann würden sich weit weniger Menschen betrogen fühlen – so wie es heute der Fall ist! Es ist ein Unding, wenn jemand über vierzig Jahre lang brav arbeitet, in die Rentenkasse einzahlt, um sich im Alter dann mit einem Almosen abspeisen zu lassen, von dem er kaum leben kann, das auch noch der Inflation unterworfen ist, für das er auch noch Steuern zahlt und von dem noch nicht einmal feststeht, ob es überhaupt ausgezahlt werden kann! Gerade für die jungen Menschen unter euch ist das ein deprimierender Zustand, findest du nicht?“
„Stimmt. Mein Neffe ist 28 und macht sich diesbezüglich bereits Sorgen ....“

„Und die macht er sich mit Recht! Das ist gut, weil es beweist, dass er nachdenkt und bereits als junger Mensch die Situation völlig richtig erfasst hat!“
Bruno grinste. „Es gab einmal einen Arbeitsminister, der steif und fest  behauptete, dass die Renten sicher seien – ich empfand diese Aussage bereits damals als sehr gewagt.“
„Der ging danach ja auch ins Fernsehen – und wurde Mitglied eines humoristischen Rateteams, oder irre ich mich da?“
„Gott irrt nie“, sagte Bruno grinsend.
„Danke für deine Einsicht, mein Sohn. Und unabhängig davon, dass dies auch ein Beweis für den charakterlichen Verfall der Politik ist – hatte der Mann in gewisser Weise jedoch Recht.“
„Wieso?“
„Seine Rente war sicher“, antwortete Gott.
„Und wenn wir nun schon über all diese Themen sprechen – was würdest du in Sachen Gesundheit tun?“, wollte Bruno wissen.