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Tagebuch Doc12
2010-09-01 10:36
Der weinende Clown - 41

„Nun, mein Sohn, ganz einfach: Wenn jemand eine Leistung des Sozialstaates über einen längeren Zeitraum empfängt, wird sie nach einer gewissen Zeit nicht mehr als solche wahrgenommen. Das heißt: Der positive Effekt entfällt mit der Zeit. Wenn dann aber – aus welchem Grund auch immer – diese Leistung ausfällt oder auch nur durch irgend einen Umstand gestört wird, dann reagiert der Leistungsempfänger sehr heftig und negativ.

Ein Beispiel dazu: Auch wenn die Altersruhegelder, die ihr Renten nennt, pünktlich überwiesen werden, so steigert das kaum die Zufriedenheit der Rentner – weder dem Staat, noch der politischen Ordnung oder der Gesellschaft gegenüber. Doch wehe! Ich sage dir: Würden diese Gelder auch nur mit drei Tagen Verspätung ausgezahlt werden, wäre es sofort zu einer Sache von höchster politischer Bedeutung erhoben und in euren Zeitungen erschiene es auf den ersten Seiten! Somit ist der Sozialstaat ein ständig Gehetzter, ein Getriebener – und er verarmt mit der Zeit. Und deshalb erschien dir der Sozialstaat im Traum als starrsinniger, alter, ausgezehrter, schäbiger Mann.“
„Mein lieber Gott, du bist ein hervorragender Traumdeuter!“, meinte Bruno und fragte: „Und was geschieht, wenn er nicht mehr kann?“

„Will er das Volk weiterhin beherrschen, bleiben ihm nicht mehr viel Möglichkeiten und er greift zu Täuschung und Betrug – oder zur Irreführung, denn diese Mittel waren schon immer beliebte Instrumente der Herrschenden – zu allen Zeiten. Damit wird aber nur Wohlstand, und Stärke vorgespiegelt, die in Wirklichkeit längst nicht mehr  vorhanden sind. Es ist der pure Bluff – ein Pokerspiel, und anders funktioniert es auch nicht. Auf diese Weise wird eine gefährliche Illusion von Wohlstand erzeugt, die dem Volk dadurch vermittelt wird, dass der soziale Bereich kommerzialisiert wird, was nichts anderes bedeutet, als dass öffentliche Schulden in privatwirtschaftliche umgewandelt oder kulturelle Werte wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden. Auch der angehäufte Schuldenberg, den ihr zweifelsohne in Deutschland habt, ist eine der ungeheuerlichsten Sinnlosigkeiten der letzten Jahrzehnte und die Tatsache, dass euer Staat ohne ständige Neuverschuldung wohl kaum mehr funktionieren würde, stellt bereits einen politischen Offenbarungseid dar. Schon in den siebziger Jahren war der Sozialstaat hoffnungslos verschuldet und ihr hofftet auf einen riesigen Wirtschaftsaufschwung, der damals aber nicht stattfand – nicht stattfinden konnte, denn die Wachstumsraten gingen immer weiter zurück – und ewiges Wachstum gibt es nicht. Ich habe euch eine Welt gegeben, die endlich ist. Nun lautet meine Frage an dich: Gibt es in einer endlichen Welt unendliches Wachstum?“
„Wäre unlogisch, glaube ich“, antwortete Bruno.

„Es wäre nicht nur unlogisch, mein Sohn – es wäre krank! Die  Krebskrankheit beispielsweise zeichnet sich durch ein unkontrolliertes Wachstum aus – und führt unbehandelt zum unabdingbaren Tod. Ein Same fällt in die Erde, er keimt, schlägt Wurzeln, wird zum Baum, wächst in die Höhe, dann in die Breite, dann blüht er, trägt Früchte; ich habe ihm eine begrenzte Zeit zugeschrieben – irgendwann stirbt er und macht seinen Platz wieder frei für etwas Neues. So ist es bei allen Lebewesen. Das ist die Natur, so ist das Gesetz und mein alter Freund Leonardo da Vinci sagte einmal: ,Die Natur steht unter dem Zwange der vernünftigen Ursache des Gesetzes, das in ihr eingeschmolzen lebt. Die Natur bricht ihr Gesetz nicht’. Er hat es völlig richtig erkannt. Auch ihr Menschen könnt dieses Gesetz nicht brechen, egal was ihr versucht und gleichgültig in welchem Bereich, denn ich lasse es nicht zu. Nicht, solange dieses Universum in der momentanen Form existiert. Sollte es euch dennoch irgendwann gelingen, so ist es euer Untergang.“
„Gut, das leuchtet ein. Aber was kann man als Bürger, der in diesem Sozialstaat leben muss, gegen all das tun? Besser gesagt, was würdest du tun, wenn du nicht zufällig Gott wärest, sondern die Regierung?“
Gott lachte. „Den Job möchte ich nicht geschenkt, mein Freund!“
„Ich frage ja nur rein hypothetisch. Also komm bitte, sag schon!“

„Gut, ich will’s dir sagen: Ich würde zunächst den Bundestag ausmisten, weil ich neunzig Prozent der Abgeordneten oder sogenannten Volksvertreter – was sie ja ohnehin längst nicht mehr sind – nicht bräuchte. Diese Jungs und Mädels würde ich mit vernünftiger Arbeit beschäftigen, mit der sie auch etwas Sinnvolles produzieren – nicht nur heiße Luft und kontraproduktives Gesülze, denn Taten sind es, die Wirkung zeigen, nicht Worte. Alle Lobbyisten gehören raus – ohne Gnade. Und damit wären schon mal zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen und diejenigen, die vielleicht von den Konzernen geschmiert wurden, sind auch weg – denn die Industrie diktiert den Parteien zwischenzeitlich die Gesetze.“
„Das ist ja wie bei der Mafia!“, warf Bruno ein.

„Nicht ganz – denn die Mafia hat zumindest noch einen Ehrenkodex. Wie auch immer: Jedenfalls wäre ich somit gewaltig im Vorteil und könnte sehr kostengünstig arbeiten: Keine Diäten, demnach auch keine ständigen Diätenerhöhungen, keine überzogenen und unrealisitisch hohe Pensionen, ich bräuchte keine unnötigen, teuren Flüge zu irgendwelchen Gipfeltreffen und ein protziger Dienstwagen wärewiederum nicht nötig, weil ich Gott bin und kein Statussymbol brauche, da mein Status nicht zu toppen ist. All das wären schon einmal enorme Entlastungen für die Bürger und es wäre nur der Anfang.“
„Das hört sich schon mal hervorragend an“, warf Bruno ein und grinste.

Kommentare


unbekannt
07:54 02.09.2010
ich hoffe, all die verschiedenen stränge kommen irgendwann sinnvoll wieder zusammen...

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2010-09-01 10:36