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Tagebuch Doc12
2010-08-29 09:39
Der weinende Clown - 38

„Na, mein Freund, wie läuft’s?“, meldete sich die bekannte Stimme.
„Nicht besonders gut.“
„Was läuft nicht besonders gut?“
„Du bist doch allwissend – du weißt es genau!“
„Stimmt, ich bin allwissend und weiß es genau“, antwortete Gott lakonisch. „Dennoch möchte ich, dass du selbst es mir sagst und mit deinen eigenen Worten formulierst.“
„Wenn du meinst – gut. Also ...“ Bruno zögerte einen Moment, „ Also – mir geht es nicht so besonders.“
„Aha. Das hatten wir doch schon mal.“
„Ich habe oft das Gefühl, ich stehe völlig allein auf der Welt.“
„Ach – du Armer!“
„Ja. Selbst das Telefon steht seit Tagen still.“
Ein leises, glucksendes Lachen kam aus dem Handy, Bruno hörte ein kurzes Rauschen, dann klang das Palast-Orchester und dazu Max Raabes meckernde Stimme aus dem Telefon: Kaein Schwein ruft mich annn – kaeine Sau interessiert sich für miiich ...
„Du machst dich über mich lustig!“, sagte Bruno ärgerlich.
„Nein – nur ein Scherzchen. Es sollte dich aufheitern.“
„Netter Versuch, falscher Zeitpunkt“, brummte Bruno.
„Gut, ich sehe es ein, du hast heute Nacht schlecht geschlafen. Selber schuld. Grübeln bringt nichts.“
„Ich habe Angst vor der Zukunft.“
„Und weshalb?“
„Weil ich oft nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll – dann kann ich nicht schlafen und komme ins Grübeln. Und dann erscheint mir alles tiefschwarz.“

„Du bist ein ungläubiger Kleingärtner, Bruno!“, antwortete Gott nun sehr ernst und fuhr fort: „Jetzt sage ich dir etwas, was du dir hinter die Ohren schreiben solltest – ein für allemal: Du bist einer der wenigen Menschen, denen ich es möglich mache, direkt mit mir zu sprechen – per Telefon. Das war noch nie da – zu keiner Zeit. Es ist ein Privileg, das du deshalb bekommen hast, weil du mir besonders am Herzen liegst. Nicht einmal der Papst in Rom ist dazu in der Lage. Der gute,
liebe Herr Ratzinger würde sich alle zehn Finger ablecken, wenn er in deiner Situation wäre – denn obwohl er der legitime Stellvertreter meines Sohnes auf Erden ist, wird es für ihn nie möglich sein. Schon deshalb nicht, weil er dann erkennen müsste, welch große Macht er eigentlich auf Erden vertritt und er dem genau genommen gar nicht gewachsen ist – der Stuhl Petri würde ihm innerhalb einer Stunde viel zu heiß unterm Hintern werden, spätestens am Abend hätte er den
Job hingeworfen und wäre auf und davon. Aus diesem Grund  telefonieren oder sprechen wir grundsätzlich nicht mit den Päpsten persönlich, denn es liegt nicht in unserem Sinn, jeden Tag den Papst zu wechseln. Es würde die Gläubigen weltweit beträchtlich verwirren. Dazu kommt, dass alle Päpste lediglich Menschen waren, als Menschen dachten und handelten und deshalb nur grottenschlechte Alternativen
für meinen Sohn waren – außerdem befanden sich auch einige ganz üble Gestalten darunter. Denke ich da nur mal an die Borgias ...“

Eine kurze Pause entstand, dann sprach Gott weiter: „Was nun dich wiederum betrifft, so kannst du mich alles fragen, was dein Herz bedrückt – doch erwarte von mir nicht, dass ich dir sage: Tu dies – tu das – tu jenes nicht, denn ich greife nie in die Entscheidungen eines Menschen ein – also folglich auch nicht in die deinen.“

„Das letzte Mal habe ich übrigens mit Jesus telefoniert. Eigentlich wollte ich lieber mit dir reden. Du warst aber nicht da. Es ging um diese Clowngeschichte, die ich schreiben sollte.“
„Ich weiß.“
„Allerdings habe ich seine Hilfe abgelehnt – seine Sprache ist mir zu flapsig.“
„Stimmt. Das habe ich auch schon oft an ihm bemängelt. Wenn du die Bibel liest, wirst du merken, dass er früher sehr gepflegt sprach. Er kann es auch heute noch, aber dadurch, dass er viel bei euch auf Erden ist – unsichtbar natürlich – hat er sich eurer Sprache angepasst.“
„Er ist heute noch auf Erden?“

„Klar doch. Sehr häufig. Hat er doch versprochen. Lies mal die Bibel! Da steht: Seht, ich bin allzeit bei euch, bis ans Ende aller Tage! Und wenn er das verspricht, hält er es auch, da kenne ich meinen Jungen nur zu gut. Na ja – aber du hast Recht, er hat manchmal wirklich einen Ton drauf wie ein Punker. Erst neulich kam er zu mir und meinte: ,Du Paps, stell dir vor, da unten auf Erden, in Deutschland, wirbt einer mit dem Slogan: Geiz ist geil! Aber ich finde Geiz gar nicht geil, sondern eher ungeil, weil Geiz eine äußerst widerwärtige Eigenschaft ist und jetzt plötzlich als geil dargestellt wird. Und die Leute glauben das anscheinend auch noch! Sag mal, haben die ne Macke an der Birne?’ Junge, habe ich gesagt, du solltest mal deinen Wortschatz überprüfen; ich glaube, du hast dich schon viel zu sehr an das menschliche Kauderwelsch angepasst. Als ergebener Sohn meinte Jesus, er werde, sofern dies mein Wunsch sei, zukünftig darauf achten, machte mir aber gleichzeitig den Vorschlag, wir sollten in Zukunft jeden Baum auf Erden mit nur einem Blatt bestücken, pro Wiese nur drei Blumen wachsen lassen und den täglichen Sonnenaufgang auf einmal wöchentlich reduzieren, dazu sollten wir noch Leuchtkörpersteuer berechnen, auf dass den Menschen klar werde: Geiz ist keinesfalls geil, sondern ausgemachter Schwachsinn.“

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2010-08-29 09:39