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Tagebuch Doc12
2010-12-08 08:41
Der weinende Clown - 133
Sarah umarmte ihn und begrüßte ihn mit einem Kuss. Ihr Gesicht war ernst, doch war es nicht etwa sorgenvoll, eher sogar entspannt. Heute benahm sie sich so ruhig wie selten, ohne jegliche Spur von Hektik oder Anspannung – und sehr feminin – zumindest schien es ihm so. In der ganzen letzten Zeit hatte er sie so kaum mehr gesehen. Er fühlte sich zurückversetzt in die Tage des Kennenlernens. Damals hatte sie stets eine undefinierbare Überlegenheit, Souveränität und Ruhe ausgestrahlt, was Bruno als äußerst angenehm empfand – und vielleicht war es gerade diese Art, die er so sehr an ihr mochte, bewunderte, die ihn unbewusst zu ihr hingezogen hatte. Ich liebe sie, schoss es ihm durch den Kopf. Ja, ich liebe sie wirklich – sie ist eine unheimlich starke Frau ... Er war stolz auf sie. „Na Mädchen, was liegt an? Du hast etwas, ich fühle es doch“, eröffnete er das Gespräch. Für einen kurzen Moment sah sie ihn lächelnd von der Seite an. „Ich habe den Tisch bereits gedeckt.“ „Wo ist Karsten?“, fragte er. „Er ist mit Donatello unterwegs.“ Bruno war erstaunt. „War der bei dir?“ „Ja, er kam vorbei, wir haben uns kurz unterhalten und schließlich meinte er, er würde mit Karsten gerne in die Stadt und dann anschließend ins Marionettentheater gehen. Karsten war natürlich gleich Feuer und Flamme, wie du dir denken kannst. Sie kommen erst in zwei Stunden wieder. Wir können also in Ruhe essen.“ „Die beiden sind ja wirklich dicke Freunde geworden – was mich übrigens riesig freut. Donatello lenkt ihn etwas ab“, meinte Bruno. Sarah nickte. „Setz dich“, bat sie. Bruno nahm am Esstisch Platz, sie schenkte den Wein ein und entzündete anschließend die Kerze, die in der Mitte des Tisches stand. Dann servierte sie Currygeschnetzeltes mit Reis. „Sieht ja lecker aus.“ Jetzt erst merkte Bruno, dass er hungrig war. „Lass es dir schmecken“, erwiderte sie nur kurz undlächelte ihn an. Eine Weile aßen sie schweigend, bis Bruno die Stille schließlich unterbrach und fragte: „Sag mal, mein Schatz, jetzt mal ehrlich: Was feiern wir heute eigentlich?“ Sie legte ihr Besteck zur Seite, streichelte sanft seinen Unterarm und meinte dann leise: „Ich muss dir etwas sagen.“ „Ist es etwas Ernstes?“ „Ja.“ „Du hast einen anderen?“ „Dummkopf!“ „Was dann?“ Sie senkte kurz den Kopf, dann sah sie ihm kerzengerade in die Augen. „Ich bekomme ein Kind“, sagte sie nur. Bruno ließ sein Besteck fallen und starrte sie dümmlich und mit offenem Mund an. Er brachte kein Wort heraus, seine Kehle war wie zugeschnürt, die Hände begannen leicht zu zittern. „Ich dachte es mir schon, dass du schockiert sein würdest.“ Leicht schwankend stand er auf und trat hinter sie. Sie drehte den Kopf und sah ihn erstaunt an. Dann beugte er sich zu ihr herab, umarmte sie, küsste ihr Haar und flüsterte ihr mit leiser, belegter Stimme ins Ohr: „Ich liebe dich – ich liebe dich mehr als mein Leben.“ Dabei rannen ihm Tränen aus den Augen. Sarah stand auf, erwiderte seine Umarmung und strich ihm zärtlich über das Gesicht. Beschämt drehte er den Kopf zur Seite, ihm war es peinlich, dass sie ihn weinen sah. „Sei nicht albern – in gewissen Situationen kann es sein, dass auch ein Mann einmal weint“, meinte sie zärtlich und küsste seine feuchten Wangen. „Ich hätte es eigentlich wissen sollen“, murmelte er. „Dass ich schwanger bin oder was?“ „Ja.“ „Wieso? Du bist doch kein Hellseher.“ „Gottfried hat jüngst erst einmal so eine Andeutung gemacht. Er meinte mehr oder weniger spaßeshalber: ,Wer A sagt, muss auch Limente zahlen.’ Ich habe ihn noch gefragt, was das bedeuten soll, doch er sagte mir nur, dass die Pläne Gottes für keinen Menschen zu durchschauen wären. Jedenfalls ist euch beiden die Überraschung sehr gut gelungen.“ „Gottfried? Woher sollte Gottfried das wissen, wenn nicht mal du es wusstest? Ist er Hellseher?“ „Gottfried weiß alles.“ „Weiß er eben nicht.“ „Doch, er weiß alles. Und immer schon im Voraus.“ „Dann müsste Gottfried ja Gott sein.“ „Er ist Gott.“ Nun war es an Sarah, mit offenem Mund dazustehen. „Willst du damit sagen, Gottfried, dein Freund, von dem du mir immer erzählt hast, sei G...“ Sie war nicht in der Lage, den Satz zu Ende zu sprechen. „Genau das will ich damit sagen.“ „Kein Mensch auf der Welt kann direkt mit Gott selbst sprechen, das kann ich einfach nicht glauben“, wandte Sarah kopfschüttelnd ein. „Und wenn ich es dennoch könnte?“ „Dann wärest du entweder ein Auserwählter oder ein Scharlatan, du könntest beides sein – doch beides will ich nicht annehmen.“ Bruno fühlte plötzlich das brennende Bedürfnis, ihr die volle Wahrheit zu sagen. „Setz dich, ich erzähle dir die ganze Geschichte – aber zuerst brauche ich einen Cognac.“ Sarah stellte ihm die Flasche und ein Glas auf den Tisch. „Dann fang mal an. Ich bin gespannt.“ Er schüttete sich hastig ein halbes Glas Cognac in die Kehle, nahm sein Besteck wieder auf und aß weiter. Nebenbei begann er bedächtig und zunächst stockend die Geschichte zu erzählen – genauso und in fast den gleichen Worten, wie er sie zuvor schon Donatello erzählt hatte. Sarah hörte ihm schweigend zu, nur ab und zu schüttelte sie ungläubig den Kopf. Das änderte sich plötzlich, als Bruno erwähnte, dass sie Gottfried genau genommen bereits kennen würde, denn er sei ja schon Gast in ihrem Hause gewesen. Unvermittelt hob sie ruckartig den Kopf, ihre Augen blickten starr zur Zimmerdecke und blieben dort an einem imaginären Punkt hängen. Kommentare |
Doc12 OfflineMitglied seit: 21.07.201054 Jahre, DE mehr... 2010-12-08 08:41 |