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Friday, 29. March 2024
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2005-05-05 11:09
Vergangenheit... Teil 3
Am nächsten Morgen ging es ins benachbarte Steinau. Hier wurden alle deutsche Klischees erfüllt. An buckeligen kleinen Kopfsteinpflasterstraßen quetschen sich ein schönes Fachwerkhaus ans andere. Der Himmel war blau, die Wolken weiß und wir liefen Händchen haltend durch die engen Gassen. Dann fanden wir das Geburtshaus der Gebrüder Grimm. M. war vor Aufregung total aus dem Häuschen. Im Eingang sagte man uns aber, dass das Haus für die nächsten 2 Stunden geschlossen sei, da ein Sender Filmaufnahmen im Inneren machen würde. Wir verkürzten die Zeit im Biergarten einer angrenzenden Gaststätte. Ich erzählte von der europäischen Geschichte, sie von ihrer Kindheit, wie sie die Märchenbücher verschlungen hatte. Dann war die Zeit um, und wir gingen zurück ins Haus. Dort wurden wir dringlich darauf hingewiesen, dass es untersagt sei, Film- oder Fotoaufnahmen zu machen. Ich erklärte der Dame, dass meine Begleitung extra den langen Weg bis hierher gemacht habe, nur um dieses Haus zu besuchen. Schließlich gab sie uns leise den Hinweis, dass wir doch auf die Kameras zu achten hätten, die die Räume überwachten; diese könnten jedoch nicht jede Ecke des Raumes überwachen. Wenn dort also jemand mit einer Kamera stünde...
Für M. war das wie ein Traum. Sie bekam eine Gänsehaut nach der andern beim Anblick von Originalschriften der Brüder, alten Märchenbücher oder als wie letztendlich in der Küche standen, in denen die beiden als Kinder saßen und spielten.
Irgendwann hieß es aber auch hier Abschied nehmen, und wir fuhren über die Autobahn zurück ins Ruhrgebiet nach Hause. Diese Nacht war auch sie sehr müde, und wir schliefen beide schnell ein...

Am nächsten Tag stand der Besuch der Talsperre am Möhnesee auf dem Programm. Dort gingen wir einige Stunden spazieren. Hier eröffnete sie mir auch ihre Gedanken, nach Deutschland zu ziehen. Oje, das war nicht geplant. Was nun? Das Klingeln meines Handys entband mich von einer Erwiderung. Meine Mutter war am Telefon und fragte, wann wir denn vorbei kämen. Es war in der Osterzeit und die ganze Familie wartete auf uns. Also wieder ins Auto und losgefahren. M. hatte in Taiwan für meine Neffen Süßigkeiten und für den Rest der Familie ebenfalls kleine Geschenke geholt. Ich war sehr auf die Reaktionen gespannt. Immerhin kannte mich meine Familie stets mit meiner Freundin; wir waren sowas wie eine Person. Nun fuhr ich mit M. dem Haus vor. Als erstes kam uns meine kleine Nichte entgegen (damals ca. 7 Jahre) und stieß ihr gerade erst gelernten englischen Satz hervor. Wie süß! Dann gingen wir hinein. Ein Staatsbesuch eines gekrönten Oberhauptes hätte keinen größeren Tumult auslösen können. Alle wollten uns (uns?) sehen und alle kramten ihr altes Schulenglisch heraus. Da meine Mutter und auch die Kleinen dieser Sprache nicht mächtig sind, übersetzte ich das eine oder andere ständig. Ich hatte schon das Gefühl, dass sie hier willkommen ist. Meine Mutter meinte nur lange Zeit später, dass sie es schade gefunden hätte, sich mit ihr halt nicht so unterhalten zu können, wären wir denn dann länger zusammen geblieben.

Abends Zuhause griff sie wieder das Thema auf. Sie sei mehr als bereit, zu mir zu ziehen und mit mir ein gemeinsames Leben zu führen. Klassische Situation, und ich kam mir so schäbig vor. Natürlich empfand ich viel für sie. Ich habe noch sehr lange an diese Zeit zurück gedacht. Trotzdem habe ich nie daran gedacht... okay, manchmal kam natürlich schon der Gedanke, was wäre wenn...
Aber ich empfand keine Liebe für sie, und dieses Gefühl ließ sich auch nicht herbei zwingen. Deshalb sah ich keine Zukunft.
Am nächsten Morgen frühstückten wir zum letzten Mal gemeinsam. Wie es zu so einer Situation gehört, fing es draußen an zu regnen. Danach packte sie ihre Koffer, und ich brachte sie zum Bahnhof. Im Auto saßen wir still nebeneinander und hörten die Regentropfen an die Scheiben klopfen. Verkrampft lächelnd erinnerten wir uns an die vergangene Woche, das Gespräch brach aber immer wieder ab, und der monotone Regen übernahm wieder die Regie. Schließlich mußten wir zum Bahnsteig. Dort kam ich mir wie Bogey in „Casablanca“ vor, wie wir da so standen, uns im Arm nahmen und verabschiedeten. Sie bestieg ihr Abteil, das Fenster ließ sich nicht öffnen. So drückte sie ihre Hand gegen die Scheibe, ich auf der anderen Seite. Lautlos formten ihre Lippen „I love you“, ehe ich von einer Schaffnerin zurückgerufen wurde und der Zug mit einem Ruck los fuhr. Gedankenverloren ging ich zu meinem Auto zurück und blieb noch einige Zeit dort sitzen. Meine Gefühle konnte ich in keinster Weise einordnen. Nach einiger Zeit startete ich den Motor und fuhr los...

Kommentare

12:16 01.06.2005
Vielen Dank...
Es war schon eine etwas... merkwürdige Zeit damals. Kommt mir heute wie surreal vor...
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unbekannt
07:41 28.05.2005
Ein trauriges Ende....und wunderschön geschrieben....

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2005-05-05 11:09