Warten
Zur Begrüßung küssen wir uns auf den Mund und auch, wenn die Stimmung zu Beginn von meiner Seite her eher verlegen ist, so hat das ziemlich schnell ein Ende. Der Film beginnt und damit auch gewisse andere Dinge! Aber stellt euch vor, ich glaube ich kann behaupten zumindest die Basics des Filmes mitbekommen zu haben. Wir lassen uns eben Zeit, kommen aufeinander zu, trennen uns und enden schließlich nackt, ineinander verschlungen. Er gefällt mir, ich fasse ihn gerne an und werde gerne von ihm berührt. Und an sich ist das schon etwas besonderes. In Liebesbüchern wird Küssen immer ganz außergewöhnlich beschrieben. Es wird nicht nur geküsst, es wird geknabbert, gezupft, gesaugt. Die Variationen sind unendlich. Ich habe nun schon eine gewisse Anzahl von Küssen hinter mir und dabei gab es jene die schlechter, jene die besser waren. Die meiste Zeit aber waren die Küsse irgendwie ähnlich, in ihrer Intensität variierend aber vom gleichen Typ. Ich habe die Schuld immer bei mir gesucht, weil meine Partner meist doch die Erfahreneren waren. Heute Nacht aber habe ich festgestellt, dass es niemals an mir gelegen hat, wohl aber an der Kombination von Menschen. Ich glaube ich werde die Küsserei und die Aussagekraft von Küssen in Zukunft ernster nehmen. Hätte ich Manuel nach seinen Küssen beurteilt oder der Tatsache wie wir zusammen funktionierten (beim Küssen) hätte ich mir einiges ersparen können.
Danach reden wir ein bisschen über dieses und jenes, Smalltalk um sich ein bisschen besser kennen zu lernen, schließlich haben wir jetzt schon drei mal miteinander geschlafen. Und dann passiert wieder das, was zwischen zwei jungen, gesunden Menschen nur allzu natürlich ist... und aus der Zahl drei wird eine vier.
Ich bleibe über Nacht bei ihm, weil wir beide getrunken haben und weil es bequemer ist. In der Früh schleichen wir uns aus dem Haus und ich bin doch etwas erleichtert diesmal niemanden gegenüber zu stehen. Eine kleine Stimme flüstert mir zu, dass gerade aber die Möglichkeit der Verheimlichung eine Offenbarung, ein Statement überflüssig machen. Man muss keine Stellung beziehen, wenn es da niemanden gibt der einem fragende Blicke zuwirft.
Aber möchte ich ein Statement? Brauche ich Worte? Eine klare Ansage, Definition?
Er fährt mich nach Hause, wir sehen uns an. Kein Abschiedskuss, aber die Worte: "Schön wars!" und "Wir melden uns!"
Und im Grunde genommen habe ich hier also mein Statement, ob ich es nun wollte oder nicht. Irritiert stelle ich fest, dass ich momentan keine Beziehung haben möchte, aber auch mit dem Status einer Affäre nicht zufrieden bin. Affären sind doch eigentlich die Garantie für verletzte Gefühle, Zurückweisung und Warten. Mit verletzten Gefühlen und Zurückweisung kann ich umgehen, ich bin stark, habe Selbstvertrauen und lasse mich nicht mehr so leicht unterkriegen, wenn ein Mann feststellen sollte, dass er mich doch nicht will. Aber Warten war noch nie meine Stärke. Warten auf eine SMS, ein neues Treffen..
Was natürlich den Gedanken nahe legt, dass ich doch an mehr interessiert bin als nur einer Affäre.. Eigentlich bin ich aber nur ein ungeduldiger Typ, der es nicht leiden kann, wenn zwischen gewissen Ereignissen Tage und Wochen vergehen.
Wenn diese Affäre dazu bestimmt ist nur gewisse Male zu funktionieren, dann möchte ich eben diese Male doch bitte schnell hinter mir haben, damit ich mich auf andere Dinge konzentrieren kann.