Christmas Eve
Ich bin den ganzen Tag über ein bisschen "on the edge". Mein zweites Weihnachten ohne Stefan und auch wenn es schon das zweite ist, es ist nicht leichter geworden. Nicht besser, nicht erträglicher! Ich vermisse ihn so unendlich und heute fehlt er mir besonders. Heute, dem Fest der Liebe, dass ich zu Hause verbringen werde, alleine zuhause. Es gab wie jedes Jahr die Einladung meiner Familie, aber ich habe ihr lachendes, erleichtertes Gesicht gesehen, als ich überlegte, ob sich das mit meinen anderen Terminen decken könnte. Termine, die ich niemals hatte.
Es tut nicht einmal mehr sonderlich weh, es ist einfach so und so liefere ich meine Geschenke ab, bekomme ein Päckchen zugesteckt und wünsche ein "Frohes Fest". Aber da ist ja nicht nur meine Familie, da ist Alex, mein zweiter Halbbruder, der mittlerweile verheiratet ist. Er hat sich letztes Jahr zu Weihnachten verlobt und das ist dann wohl auch der Grund warum er den Weihnachtsabend ausschließlich mit seiner Frau verbringen möchte. Ein romantisches Dinner etc., ich erspare es mir die Details zu nennen, die er mir so großzügig unterbreitet hat. In seinem Eifer fragt er mich kein einziges Mal was ich mache und auch wenn ich mich als liebende Schwester an seinem Glück erfreuen sollte, so ist meine Freude geblendet von der Erkenntnis, dass mein Bruder das Fest der Liebe sehr egoistisch betrachtet.
Ich versuche mich nicht zu ärgern. Nein, vor allem versuche ich nicht zu weinen, nicht traurig zu sein und so flüchte ich mich an den Friedhof, dessen Anblick mich eigentlich erst recht zum Weinen bringt. Wo sonst ist ein Verlust so offensichtlich?
Er hätte mich Weihnachten nicht hängen lassen, aber die Gewissheit ist ein schwacher Trost. Ich stelle meine Kerze auf das Grab, zünde sie an und gehe nach Hause. Es nützt ja schließlich nichts Trübsal zu blasen und es nützt auch nichts sich selbst zu bemitleiden. Stefans Tod war in jeder Weise sinnlos, aber er hat mich stärker werden lassen und so dränge ich alle aufkommenden Tränen zurück und öffne eine Flasche Sekt. "Auf das Fest der Liebe, auf meine Familie und auf mich!"
Mein Handy piept, wie schon den ganzen Tag und darin liegt der wahre Trost. Freunde, die an einen denken, wo einen die Familie ignoriert.
Es ist Michi, ich habe mich entschlossen ihm hier angesischts des Ereignisses nun endlich einen Namen zu geben, er bleibt natürlich noch immer mein Hot Spot Meister, um der alten Zeiten willen. Er wünscht mir "Fröhliche Weihnachten" und "ein schönes Fest". Ich soll mich reich beschenken lassen (na wenn der wüsste). "Wenn du Zeit und Lust hast könnten wir die Tage ja mal was zusammen machen?"
Hab ich Zeit und Lust? Es ist immerhin Michi, derjenige, der schon ewig auf meiner Liste steht und seinen Platz gnadenlos verloren hat, weil er sich ja doch nicht immer so nett benommen hat. Aber verdient nicht jeder eine zweite Chance? Und damit meine ich jetzt nicht nur ihn, sondern auch mich. Sein Verhalten in der Vergangenheit war nämlich mit Sicherheit nicht nur seine Schuld, ich kann schon ganz schön launisch und biestig sein. War da letztes Jahr nicht jenes Sylvester auf welchen ich erst Manuel und dann ihn geküsst habe? Um dann später mit Manuel zusammen zu kommen? Nicht das Matt damals Interesse gezeigt hätte, außer den üblichen SMSn, aber wer weiß, wie er die ganze Sache miterlebt hat. Eines ist auf jeden Fall klar, ich hänge an meinem Single-Dasein und bin mir so absolut sicher, dass auch er an seinem hängt, also mache ich mir keine allzu zukunftsdeutenden Gedanken.
Ein bisschen spät, aber ich wünsche euch allen ein schönes Weihnachtsfest, feiert es, genießt es. Und wenn ihr alleine seit, dann kann ich nur sagen, haltet durch, haltet die Ohren steif, auch dieser Feiertag geht vorbei.