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Thursday, 18. April 2024
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Tagebuch staunistauni
 1957-04-28 hh:mm
Jugendjahre

 

Nachdem Elvira die ganze Familie mit ihrer Nervosität angesteckt hatte, verließ sie ohne Frühstück eiligst die Wohnung. Sie kam sich in ihren ersten Perlonstrümpfen, den schwarzen Ballerinaschuhen und dem dunkelblauen Kleid mit weißem Spitzenkragen vor wie hineingeborgt. Zum Glück war schlechtes Wetter und sie durfte den wunderschönen neuen Popeline-Wendemantel anziehen. Der große Tag der Konfirmation war gekommen. Es war sehr feierlich. Nur, genau in dem Moment, als Pfarrer Stange die jungen Mädchen segnete, fing Elvis Magen ganz laut und unerhört an zu knurren. Birgit und Elvi konnten sich nicht beherrschen und glucksten ihr Lachen so gut es ging in sich hinein. Der Segen von Pfarrer Stange fiel dabei etwas grob aus. Statt einer segnenden Handbewegung bekam Elvira einen kleinen Klaps auf ihre dauergewellte Frisur.

An diesem Tag fehlte der große Bruder wieder einmal ganz besonders.

Elvira hatte ihre Mutter schon oft beim heimlichen Weinen beobachtet. Das Mädchen konnte damals gar nicht verstehen, warum Vati es gut fand, dass Hans-Jürgen im Westen geblieben war.

Doch später hörte sie dann doch einmal eine Erklärung, die sie verstand.

Hans-Jürgen, ein sehr guter Schüler, durfte auf Grund seiner sozialen Herkunft nicht auf die Oberschule gehen und hatte Werkzeugmacher lernen müssen. Ein Beruf, den er niemals wollte. Er hatte sich zwar in sein Schicksal gefügt und ging nach der Lehre brav in drei Schichten arbeiten. Sein Wunsch, Lehrer oder Schauspieler zu werden, war für immer geplatzt. Zu dieser Zeit gründete man in der DDR die „Kasernierte Volkspolizei“, für die sich aber freiwillig nur wenige meldeten. So ordnete die Partei „Maßnahmen“ an. Hans-Jürgen kam eines Tages völlig fertig nach Hause: „Vati, morgen muss ich unterschreiben, die haben mich so bekniet, ich kann nicht anders! Ich wurde zur Tauglichkeitsuntersuchung geschickt, obwohl ich gar nicht wollte. Ich denke die Armee ist freiwillig! Ich will da nicht hin. Wenn das Leben so ist, dann kann ich mich ja gleich aufhängen!“ Das war zuviel für Vatis Nerven gewesen. Er plante mit seinem Großen die sofortige Flucht aus der DDR für den nächsten Morgen. Bis 1961 gab es noch diese Möglichkeit über Berlin.

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