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Tagebuch Pandora
2015-12-28 18:54
Der Umschlag
Kurz vor Weihnachten lag er vor meiner Wohnungstür, weil er zu groß war, um in den Briefkasten gesteckt zu werden. Der Umschlag.

Vor vielen Jahren hat mich meine Freundin überredet mich bei der DKMS registrieren zu lassen. Es wäre eine gute Sache, und ein Junge, der an Blutkrebs litt, brauchte dringend einen Knochenmarkspender. Viele hundert Menschen gingen hin, um dem Aufruf zu folgen und sich registrieren zu lassen. So auch meine Freundin und ich. Dem Jungen konnten wir damals leider nicht helfen.

Und jetzt, so viele Jahre später, liegt da dieser Umschlag. An ihm klebte ein Brief: "...für Ihre bisherige Bereitschaft zur Stammzellspende danken wir Ihnen sehr herzlich. Erfreulicherweise hat sich jetzt herausgestellt, dass Sie mit einem Patienten, für den ein Stammzellspender gesucht wird, in mehreren Gewebemerkmalen übereinstimmen..."

Statt Freude überkommt mich leise Panik. Was bedeutet das nun für mich? Ein langer Gesundheitsfragebogen und eine Broschüre liegen dabei. Es gibt zwei Möglichkeiten, Stammzellen bzw. Knochenmark zu spenden. Beide sind mir nicht so geheuer, obwohl beteuert wird, dass nur mit geringen Nebenwirkungen zu rechnen ist und es in den meisten Fällen komplikationslos verläuft.

Bei der 1. Variante spitzt man sich selbst fünf Tage lang ein Wachstumshormon, was dazu führt, dass die Stammzellen im eigenen Körper wachsen und vermehrt in der Blutbahn vorkommen. Anschließend wird in einer Prozedur von 3-5 Std. das Blut aus dem Körper geleitet, zentrifugiert, um an die Stammzellen darin zu kommen, und wieder zurück in den Körper geleitet. Also jetzt echt mal. Wenn mein Blut meinen Körper verlässt, dann soll es gefälligst draußen bleiben. Die Vorstellung, dass mein Blut in veränderter Form wieder zurück fließen soll, finde ich mega beängstigend. Auch die Tatsache, dass ich mir so in Hormon spritzen soll. Uahg!

Die 2. Variante ist eine OP. Man wird am Beckenknochen in einer 1-Stündigen OP punktiert, bis 1 Liter Blut-Knochenmarkgemisch abgesaugt wurden. Ehrlich gesagt, gefällt mir diese Variante noch am Besten. Man liegt zwar ca. 3 Tage im Krankenhaus. Aber man bekommt nix mit und hat lediglich die Risiken der Narkose. Da ich mir meine Weisheitszähne unter Vollnarkose hab ziehen lassen, und diese auch gut vertragen habe, kommt mir das noch am unkritischsten vor.

Und dann kommen da noch so Untersuchungen in so einer Spezialklinik vorab, wo man auf Herz und Nieren durch gecheckt wird.

Wahrscheinlich komme ich aber gar nicht in Frage, weil bei mir vor Jahren Hashimoto festgestellt wurde. Der Körper hat dann Antikörper, die nicht auf den Krebspatienten übergehen dürfen. Klar, ohne Immunsystem wäre eine Autoimmunerkrankung wahrscheinlich nicht ganz ungefährlich. Das schlimmste dabei ist jedoch, ich fühle mich schon etwas erleichtert. Ich hätte auf jeden Fall gespendet, wenn alles passen würde. Schließlich steht ein Menschenleben auf dem Spiel. Aber irgendwie habe ich auch Angst vor sowas. Mein Mann ist da ja sogar noch was extremer. Seine erste Reaktion war: "Das wirst du ja wohl nicht machen, oder?" Er hat noch nicht mal einen Organspendeausweis, weil er Angst hat, dass man ihn nicht retten würde, wenn man den Ausweis bei ihm finden würde. Ich würde jetzt nicht meine Niere spenden. Nur wenn ich die selbst nicht mehr benötige. Aber Knochenmark oder Stammzellen?

Na ja, ich muss jetzt erstmal noch den Rückruf abwarten. Mal sehen was die sagen. Die Hashimoto-Diagnose ist schon ewig her. Vielleicht muss man das nochmal bestätigen lassen. Aus der Krankheit bin ich auch noch nicht schlau geworden. Zwischendurch haben die Ärzte ja schon mal gedacht, dass ich das überwunden hätte. Auch mein Hausarzt sagte mal beim Ultraschall, dass man am Schilddrüsengewebe gut erkennen könnte, wo das Hashimoto mal drüber gelaufen ist. Als wäre das mal gewesen und jetzt vorbei.

Also wer weiß, vielleicht muss ich ja doch noch dran glauben. Ich werde nicht nein sein. Aber ich kann auch nicht jubeln, juhuu ich rette vielleicht ein Leben. Komisch oder?

Kommentare

03:15 29.12.2015
Eine gute Sache Frag' doch mal hier bei @wbarneyy, sie hat auch gerade erst gespendet. Nicht ganz easy, aber insgesamt doch was richtig Gutes!
Good luck!
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19:30 28.12.2015
ja. aber egal, wie es ausgeht - ist irgendwie schicksal dann, oder nicht?
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2015-12-28 18:54