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Thursday, 25. April 2024
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Tagebuch staunistauni
 1984-12-30 hh:mm
Unmenschliche Konsequenzen

 

Von Ingeborg und Hermann kamen nach ihrer Abreise viele Briefe, Karten und Bilder und man konnte so ihren weiteren Weg gut verfolgen. Sie hatten den Anschluss geschafft, aber es war nicht etwa ein leichter Weg. Nur ständiges Informieren und ein eiserner Wille waren die Voraussetzungen für einen guten Neustart. Manchmal las Elvira auch zwischen den Zeilen einen Anflug von Heimweh und Sehnsucht nach Verwandten und Freunden.

Helmut und Elvira räumten gemeinsam mit Ingeborgs Schwester Christel und ihrem Mann Werner die Reste von Wohnung und Keller aus. Die beiden Ehepaare freundeten sich an und besuchten sich schließlich gegenseitig. Gesprächsstoff gab es genügend und Vertrauen in politischen Dingen auch.

Vier Monate nach der Ausreise beantragten die Eltern von Hermann als Rentner eine Fahrt in die BRD. Sie gaben bei der Polizei natürlich ein anderes Reiseziel an und wirklich, sie durften fahren. In einem kleinen Vorort von Dresden hatten die Beamten, die ja alle Leute im Dorf kannten, bei der Bewilligung beide Augen zugedrückt. Solche Beweise von Nächstenliebe gab es bei den Mensch gebliebenen Menschen in der DDR des öfteren. Man durfte nur nicht darüber sprechen. So konnten die Eltern zu ihrer Beruhigung sehen, wo ihr einziger Sohn mit seiner Familie untergekommen war. Kaum aber waren sie von der Reise zurück, starb die Mutter von Hermann an einem Herzinfarkt. Die Aufregungen der letzten Monate waren wohl doch zuviel für die alte Frau gewesen. Hermann, als einziger Sohn, setzte alles in Bewegung, um bei der Beerdigung seiner Mutter dabei zu sein, aber vergebens. Ein flüchtiger DDR-Bürger sollte die Konsequenz daraus ziehen, dass er den Arbeiter- und Bauernstaat verlassen hatte.

Herr Hansen, der Vater von Hermann, tat Elvira und Helmut unendlich leid und so begleiteten sie ihn mit Christel und Werner an diesem schlimmen Tag. Die Trauerrede sprach der Pfarrer in einer feinen intelligenten Art. Er brachte ein Gleichnis aus der Bibel und schilderte dabei, wie traurig es sein kann, wenn der Sohn nicht am Grabe seiner Mutter stehen darf. Er war äußerst vorsichtig, waren doch im Nebenraum der kleinen Kapelle, ein paar unbekannte Herren. Diese beobachteten jeden einzelnen, der an der Trauerfeier teilnahm.

Es waren schon starke Gefühle, welche die Trauernden an diesem Tag bewegten, Gefühle von Traurigkeit, Hilflosigkeit und nicht zuletzt auch von undefinierbarer Angst.

In den kommenden Jahren besuchte Elvira mit ihrem Mann in der Adventszeit die Mutter von Ingeborg, Frau Goldbach und Hermanns Vater in einem Altersheim, um ihnen die Möglichkeit zu geben, mit ihnen über ihre Kinder zu sprechen.

 

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