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Wednesday, 24. April 2024
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Tagebuch staunistauni
 1982-04-20 hh:mm
Abschied

 


Im Frühjahr 1982 erkrankte Alfred Schrader abermals. Es war wieder die Galle. Als es ihm sehr schlecht ging, wurde er wieder ins gleiche Krankenhaus eingeliefert. Nach eingehender Untersuchung musste er dann noch einmal operiert werden. Die Familie durfte ihn nach der OP ganz kurz sehen und bekamen aufgrund seiner Schwäche nur mühsam eine kleine Bitte aus ihm heraus: „Ich möchte so gern noch mal das gelbe Zeug, sieht aus wie Kürbis, essen“. Er meinte Ananas. Woher in der DDR Ananas bekommen? Das Westgeld war ausgegeben und Hans-Jürgen darum zu bitten, hätte womöglich zu lange gedauert. So fuhren die Schefflers sämtliche Delikatgeschäfte ab und bekamen dann endlich eine Dose der heißersehnten Frucht. Alfred Schrader lag inzwischen in einem kleinen Einzelzimmer und hatte den Wunsch geäußert, seine Enkel noch einmal zu sehen. Die Schwester hatte nichts dagegen. Nach etwa fünf Minuten kam der Chefarzt (der damals die Kritik von Berlin abgekriegt hatte) und sagte mit barschem Ton: „Kinder haben auf der Station nichts zu suchen!“

Da lag er nun, der gute Vater, ganz schmal war er geworden. Er hatte sich einen kleinen Schnauzbart stehen lassen und schaute seine Frau und seine Kinder abwechselnd an. Ganz ruhig und gelassen, sagte er: „Ihr seht ja, wo ich hier liege. Man hat mir sämtliche Schläuche abgemacht und es wird nicht mehr lange dauern und mein ganzer Körper ist vergiftet. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, vielleicht noch ein viertel Jahr mit Hilfe von Entgiftungsgeräten am Leben zu bleiben, wäre aber nie wieder zum Aufstehen gekommen. Ich habe mich entschieden. Was will ich denn auch noch? Ich habe ein schönes langes Leben gehabt, bin achtundsiebzig Jahre geworden und habe vier anständige Kinder ins Leben gesetzt. Jetzt wird es Zeit zum Abschiednehmen! Ich weiß, Elvira, dass Du Mutti zur Seite stehen wirst.“ Ihr Vater, der so sehr an seinem Leben hing, den es in den letzten Jahren manches mal traurig stimmte, wenn es um das Thema Sterben ging, hatte soeben große Worte gesagt. Es waren wunderbare Worte, Worte ohne jede Traurigkeit, die Elvi, die trotz früherer Differenzen sehr an ihrem Vater hing, bei der Trauerbewältigung halfen.

Zwei Tage später ist Alfred Schrader dann ruhig eingeschlafen. Alle seine Kinder durften den gleichen Friedhofseingang benutzen.

 

27.07.1983

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1982-04-20 hh:mm