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Tagebuch Doc12
2010-09-06 07:53
Der weinende Clown - 46

Die Szene verschwand vor seinen Augen. „Ich weiß, es war damals schlimm für dich“, sagte das Lichtwesen.
„Ja, ich habe fast zwei Jahre gebraucht, um diesen Schock zu überwinden. Doch vergessen habe ich ihn mein Leben lang nie.“
Das Lichtwesen nickte verständnisvoll. „Du hast für deine Liebe Gleichgültigkeit zurückerhalten. Der seelische Schmerz einer verschmähten Liebe ist der stärkste seelische Schmerz, den ein Mensch erleben kann. Das Leben verliert plötzlich seinen Sinn. Man fühlt sich einsam, wertlos, nutzlos und verlassen und oft sind Hass und Zorn die ersten Reaktionen darauf – oder wie in deinem Fall, Depression.
„Ich würde gerne wissen, wie es Gina geht“, sagte Bruno leise.
„Es geht ihr nicht besonders gut, und sie hat diesen Schritt damals oft genug bereut, wäre aber viel zu stolz gewesen, es dir gegenüber zuzugeben“, sagte das Lichtwesen mit milder Stimme.
„Ich hätte ihr verziehen.“
„Ich weiß – doch was hast du daraus gelernt, Donatello?“
„Dass meine Einstellung falsch war. Ich wollte für meine Liebe eine Gegenleistung und habe vergessen, dass man den anderen so nehmen sollte, wie er ist. Man sollte ihn lieben wie eine blühende Rose im Garten, wie einen bunten Schmetterling in der Sonne, auch wenn man keine Gegenliebe dafür erhält.“
„Stimmt“, erwiderte das Lichtwesen. „Und was noch?“
„Wenn man nicht nach der Gegenliebe des anderen fragt, erlebt man diesen seelischen Schmerz nicht mehr, auch nicht den Verlust – es gibt keine Erwartung, so auch keine Enttäuschung und die Liebe kann frei und unbehindert fließen.“
„So ist es – und dies ist das Geheimnis der wahren Liebe“, sagte das Lichtwesen.

Ein piepsendes Geräusch ließ ihn hochfahren. Schlaftrunken und etwas verdattert sah er auf den Monitor, auf dem noch der Text stand, den er vor Stunden geschrieben hatte, nur dass jetzt noch zusätzlich ein paar unverständliche Buchstaben und Worte auf dem Bildschirm standen. Verwundert wischte er sich über die Augen, begriff aber gleich darauf sofort, dass er eingeschlafen und sein Kopf anscheinend auf die Tastatur gefallen war. Er löschte den unsinnigen Text und begann zu lesen, was er geschrieben hatte.

So geht das also weiter ..., dachte er. Für ihn war es immer wieder eine Überraschung, ein Phänomen, da er selbst nie wusste, was genau er da eigentlich schrieb – abgesehen davon war ihm der Sinn immer noch unklar. Weshalb sollte ausgerechnet er die Lebensstationen eines Clowns beschreiben? So etwas wollte er nie schreiben, hatte mit Zirkus und Clowns nie etwas zu tun gehabt – und wenn er sich gegenüber ehrlich war, dann empfand er sogar eine vage Aversion gegenüber dem Zirkus-Milieu. Nun ja, zu irgendetwas wird es wohl gut sein, überlegte er, speicherte das Geschriebene ab und schaltete den Computer aus. Er sah auf seine Armbanduhr. Es war fünf Uhr morgens. Er beschloss, sich noch ein paar Stunden Schlaf zu gönnen.

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2010-09-06 07:53