Willkommen auf Tagtt!
Thursday, 25. April 2024
Tagebücher » c. » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch c.
2012-07-21 15:00
Der neue Mann in meinem Leben

 

 

Hey, I just met you,
and this is crazy,
but here's my number,
so call me, maybe?

 

 

Ich bin so ein wenig in Plauderlaune und dachte mir, ich könnte mal ein bisschen mehr erzählen von mir und dem neuen Mann in meinem Leben.

 

Ja, der neue Mann in meinem Leben ist...mein zukünftiger Chef.

 

Gestern habe ich die Zusage bekommen. Jetzt bin ich also, natürlich rein beruflich, doch endlich unter die Haube gekommen. Hat ja auch lange genug gedauert. Praktika sind gut und schön und ich hatte wirklich viel Spaß bei jeder einzelnen meiner Praktikumsstellen. Aber sie waren ja nun mal leider zeitlich begrenzt und führten nie zu mehr als einem weiteren Abschnitt in meinem Lebenslauf.

 

Es zerrt ja doch irgendwann ganz schön an den Nerven, wenn man dauert denselben Satz zu hören bekommt: "Sie machen einen tollen Job hier, es ist eine Schande, dass jemand mit Ihren Fähigkeiten nirgends unterkommt, wir würden Sie ja liebend gerne bei uns weiterbeschäftigen, aber das gibt unsere Finanzlage einfach nicht her."

 

Und inzwischen war ich ja doch schon selber davon überzeugt mit meinem Studium einen ziemlichen Griff ins Klo getan zu haben. Wenn nicht mal mehr Vitamin B zu helfen scheint, fängt man doch an, sehr an sich selbst zu zweifeln. Die Kulturszene, die Museen, haben kein Geld für neue Stellen und wenn sie doch mal ausschreiben, passen ihnen meine Fächer dann nicht. Da wäre dann eher der Exote Kunstgeschichte erwünscht. Am besten mit BWL im Nebenfach.

 

Es gibt schon tatsächlich in den Jobbörsen eine ganze Menge Stellen, die interessant sind und bei denen ich glaube, den Anforderungen auch gerecht werden zu können. Aber dummerweise habe ich mir ein Berufsfeld ausgesucht, dass absolut überlaufen ist. Dabei kann man da noch nicht mal Reichtümer verdienen. Wenn man sich dann mal anschaut, wie viele Klicks so manche Jobanzeige hat, braucht man sich eigentlich gar nicht mehr zu wundern, wenn man eine Absage nach der anderen bekommt. Die Arbeitgeber sind in der komfortablen Lage, sich die Rosinen aus dem Kuchen picken zu können. Die Wahrscheinlichkeit, dass man zu den Rosinen gehört, ist dann natürlich nicht allzu groß.

 

Selbst Firmen, die einem für ein Jahr lang nur läppische 500 Euro Brutto im Monat anbieten, bekommen noch massenhaft Zuschriften, weil sie einen Namen haben, der sich mehr als gut im Lebenslauf macht. Verrückte Welt. Nebenbei sei bemerkt, dass sich diese Firma in der teuersten Stadt Deutschlands befand. Auch ich habe mich dort beworben, aber ob ich mir diese Stelle auch finanziell hätte leisten können, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.

 

Jedenfalls habe ich in der ganzen Zeit den Eindruck gewonnen, dass überwiegend doch der schnurgerade und sterile Lebenslauf gesucht wird. Und dass es, trotz anderslautender öffentlicher Äußerungen, immer wieder gerne gesehen wird, wenn man zu mindestens Nebenfachwissen aus den Bereichen Jura und BWL mitbringen könnte. Ein etwas bunterer Lebenslauf ist seltener gefragt.

 

Letzte Woche war eine gute Woche. Da hatte ich zwei Vorstellungsgespräche. Die Leute vom Mittwoch sagten sogar explizit, dass ihnen mein Lebenslauf besonders gefallen hatte, eben weil er nicht so steril ist. Aber die Leute vom Mittwoch waren irgendwie seltsam. Eine Werbeagentur. Am Vorabend hatte ich schon erste Zweifel, ob das so meine Welt sein könnte. Das Gespräch begann mit dem branchenüblichen "Du" und es wurde 1 1/2 Stunden lang wirklich viel erzählt, aber wenig gesagt. Im Grunde weiß ich gar nicht, was da auf mich zugekommen wäre. "Es gibt bei uns keine Lücke zu besetzen, es ist auch nicht geplant, dass Sie bei einem bestimmten Projekt anfangen, Sie suchen sich dann hier selbst Ihre Nische vom ersten Tag an."

 

Ich habe einige Ausschreibungen für Volontariate in Agenturen gesehen und die meisten hatten einen Plan, ein Konzept, das sich schon aus der Ausschreibung herauslesen ließ. Aber diese Aussage: "Wir wissen noch gar nicht, womit Sie bei uns anfangen könnten, da schauen Sie am ersten Tag mal selber, wo Ihre Lücke sein könnte."....Nee, damit kann ich so ganz  und gar nichtumgehen.

 

Ich weiß, ich war vor dem Gespräch die Favoritin, war die erste, die zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Aber während des Gesprächs hatte ich dann doch so meine Zweifel, ob ich diese Leute überhaupt von mir überzeugen wollte. Merkwürdig. Zwei, dreimal reagierten sie als hätte ich den Witz des Jahrhunderts gerissen. Einmal ging es um den Umzug. Mit dem ICE wäre der Arbeitsort sogar gerade noch so pendelbar gewesen, aber zwei ICE-Strecken pro Tagen liegen nun mal jenseits von allem Bezahlbaren. Also sagte ich, dass Pendeln ja nun nicht in Frage käme und mir schon bewusst wäre, dass ich umziehen müsste, das aber kein Problem für mich sei. Die zwei haben sich weggeschmissen vor Lachen. Wo der Witz war, ist mir immer noch nicht so klar. Einfach merkwürdig. Anfang August würde ich von ihnen hören. Ehrlich gesagt würde es mich ja doch interessieren, ob ich nach dem Gespräch immer noch zu ihren Favoriten gehöre. Aber gut, meins ist es nicht und ich bin ganz froh, dass ich auf diese Option nicht mehr angewiesen bin. Wobei dieses Volontariat in dieser Werbeagentur für meinen Lebenslauf sicher auch nicht die schlechteste Alternative gewesen wäre. Wahrscheinlich hätte man gerade durch die Konzeptlosigkeit, das Fehlen eines Ausbildungsplans, eine Menge lernen können.

 

Aber am Ende habe ich den Mittwoch dann einfach nur als weitere Trockenübung für den Donnerstag gesehen. Die Option am Donnerstag gefiel mir von Anfang an wesentlich besser. Vor der Einladung zum Gespräch gab es einen Eignungstest, so dass auch ich schon mal eine ganz gute Vorstellung davon hatte, was da im Job auf mich zukommen könnte. Und das gefiel mir ganz gut. Es war auf jeden Fall etwas, was mir absolut liegt.

 

Also habe ich mich am Donnerstag wieder in den Zug gesetzt. Mit 40 Minuten Verspätung kam ich an. Unterwegs gab es in irgendeinem Bahnhof Vandalismus-Schäden. Vor Ort erfuhr ich mehr zufällig, dass ich noch eine neue Fahrkarte lösen musste. Auch schön. Zwar nicht so teuer, aber unnötig war es, weil ich eigentlich davon ausgegangen war, mit dem Zugticket bis zu meiner Zielhaltestelle kommen zu können. Die Bahn eben, was soll man da sagen. Immer für Überraschungen gut, der Verein. Zum Glück waren zwei Stunden Puffer zwischen Ankunft und Gesprächsbeginn geplant, so dass ich immer noch eine Stunde Zeit hatte, als ich an meinem Ziel ankam.

 

Natürlich musste genau dann, als ich aus dem Bahnhof kam, ein Gewitterschauer einsetzen. Ich hatte zwar einen Schirm dabei, der hat mir aber nicht viel genutzt, ich bin trotzdem so richtig schön nass geworden. Ganz toll. Ein bisschen konnte ich im Café um die Ecke noch trocknen. Hab noch mal meine Notizen durchgelesen und mein Getränk dann verschüttet. Ganz toll. Nass und eingesaut...Zu mindestens letzteres war nicht sichtbar. Auf der Toilette des Cafés gab es leider nur eine ganz widerliche Seife. Was die da zusammengepanscht hatten....ich habe keine Ahnung. Jedenfalls rochen meine Hände noch abends penetrant nach Kamille. Besonders dieser Geruch war mir so unangenehm. Im Vorstellungsgespräch hätte ich mir ja am liebsten die Hände abgehakt, so sehr hat mich das irritiert.

 

Aber....trotz allem lief es richtig gut. So viele Pleiten und Pannen im Vorfeld, da konnte das Gespräch ja eigentlich nur noch besser werden, dachte ich mir. Und so war es auch. Es hat wirklich gefunkt, rein beruflich, zwischen mir und meinem zukünftigen Chef. Da stimmte von Anfang an die Chemie. Absolut eine Wellenlänge. Auch wir fingen gleich mit dem "Du" an, aber hier passte es im Gegensatz zu der Werbeagentur einfach. Der "Chef" ist so in meinem Alter und von genau dem Menschenschlag, mit dem ich am besten zurechtkomme. Auch er hat etwas studiert, womit einem die Headhunter nicht gerade die Türen einrennen, aber er meinte, er hätte sich damals bewusst dafür entschieden, etwas zu tun, was ihm Spaß macht, womit er aber nicht unbedingt Reichtümer würde anhäufen können. Das finde ich ja schon mal sympathisch. Und auch sonst haben wir so viele ähnliche Ansichten, so viele Gemeinsamkeiten. Das lief einfach rund. Gar nicht so wie ein klassisches Vorstellungsgespräch. Das Team ist recht jung und so alles in allem fühlte ich mich doch sehr an meine Studentenzeiten und an meine lieben, lieben Ethnologie-Kommilitonen erinnert. Die Atmosphäre war doch recht ähnlich.

 

Als ich ging, war ich also schon mal recht euphorisiert, weil ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass hier menschlich alles wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge passte. "Das könnte deine Nische, dein berufliches Zuhause sein, da fühlst du dich wohl." Eben wieder ein bisschen wie Studieren. Eigentlich genau richtig für den Anfang, auch um wieder Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten fassen zu können. Es fehlen diese klassischen Hierarchien, in denen ich sowieso immer viel zu schnell zum unterwürfigen Hascherl mutiere, das mit dieser "Bitte-Schlagt-Mich-Nicht-Attitüde" durch die Flure huscht.

 

Aber auch inhaltlich passt der Job. Ich mag das, was sie machen. Es geht im weitesten Sinn einerseits um die Frage, wie bestimmte Medien im Zeitalter des Internets zu erschließen sind und andererseits geht es darum, seh- und hörgeschädigten Menschen einen barrierefreien Zugang zu allen möglichen Medien zu ermöglichen. Ich werde täglich viel mit und an verschiedenen Texten arbeiten müssen und das ist etwas, was mir absolut liegt und auch Spaß macht. Eine Aufgabe, die mich nicht einschüchtert, sondern von der ich schon jetzt weiß, dass ich sie gut erledigen kann, ohne dass für mich dabei Langeweile aufkommt.

 

Eigentlich reichte all das schon, um mich nach dem Gespräch ein bisschen wie verliebt zu fühlen. Weil einfach alles in jeder Hinsicht so stimmig war. Nach dem Gespräch hatte ich noch fast drei Stunden Zeit ehe mein Zug wieder fuhr. Also konnte ich noch ein wenig durch die Straßen laufen. Und was soll ich sagen....Das  I-Tüpferlchen der Geschichte ist Folgendes:

 

Diese Firma sitzt tatsächlich mitten in Traumstadt!!!

 

Ich wäre ja wirklich überall hingegangen für einen Job, aber dass es jetzt tatsächlich Traumstadt - die eine meiner zwei Traumstädte - geworden ist, ist besonders schön.

 

Durch die Straßen lief ich wie auf Wolken. Mit dem Gefühl, frei atmen zu können, dem Gefühl, genau dort hinzugehören, genau dort sein zu wollen. Es ist auch Traumstadt, der das Gefühl der Verliebtheit gilt.

 

Wie gesagt, alles in allem die perfekte Mischung. Freiheit und das Gefühl, angekommen zu sein gleichzeitig.

 

Eben deswegen wollte ich die Euphorie zügeln, wollte nicht zu sehr hoffen, weil alles einfach zu perfekt passte. Und die Zeit seit dem 12.07, seit dem Gespräch, die zog sich. Ich war mehr auf eine erneute Absage gefasst. Er, der zukünftige "Chef", hatte zwar gesagt, er meldet sich in der nächsten Woche und so eine Woche dauert nun mal von Montag bis Freitag, aber als vorgestern immer noch keine Nachricht da war, hatte ich den Job eigentlich schon fast abgeschrieben. Denn so viele Merkwürdigkeiten habe ich während der Zeit der Bewerbungen erlebt, dass ich weiß, dass ein gutes Gefühl noch lange nichts Gutes heißen muss. Und dann kam gestern Mittag doch noch die Mail mit der Zusage. Das war echt wie der Gewinn des Lottojackpots, schöner noch, weil mehr als ein Jahr Stress und Anspannung plötzlich von mir abfielen. Erst habe ich eine Runde gepflegt geheult. Dann meine Eltern angerufen. Mein Dad hatte ausgerechnet gestern auch noch Geburtstag. Ein schöneres Geschenk hätte ich ihm wohl auch nicht machen können.

 

Und jetzt, jetzt freue ich mich einfach. Ich habe schon nicht mehr dran geglaubt, aber...am Ende ist doch alles noch einmal gut ausgegangen. Und dann gleich so...Es ist zwar nicht Traumfirma geworden, aber wer weiß, ob es in Traumfirma auch menschlich so stimmig gewesen wäre.(Von Traumfirma habe ich übrigens nach der Eingangsbestätigung nie wieder gehört.)  Dafür ist es jetzt Traumstadt geworden. Mit einem inhaltlich tollem Job, der genau zu mir passt und Menschen, die genau zu mir passen. Und ich glaube, besser hätte es fast nicht kommen können.

Kommentare

21:14 30.07.2012
Danke
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

11:17 29.07.2012
das ist ja total super! herzlichen glückwunsch!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

20:09 22.07.2012
Ich freu mich für dich! :)
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

18:38 21.07.2012
Jaaaa, das ist genial
Irgendwie scheint doch zu stimmen, was mein Vater immer sagt: "... es gibt für jeden den richtigen Job; wenn es nicht dieser ist, dann jener!" Man darf nur nicht aufgeben...
Juhu, ich freu mich für dich!!!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

15:45 21.07.2012
Das liest sich toll und gibt mir Hoffnung :)
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

c. Offline

Mitglied seit: 05.06.2010
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2012-07-21 15:00