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Tagebuch Tyche
2006-08-24 15:48
Geklickte Gefühle
Gehirntes Leuchten erscheint auf den Bildschirmen, vor denen verdunkelte Hirne hocken und versuchen Licht ins Dunkelgefühl ihrer laborierenden Probandenhirne zu bringen.
Auch die Gedanken leuchten. Meistens rot. Rot sind Gefühle und Gedanken. Eine farbende Deckübung der unartigen Einzigartigkeit. Die rote Liebe, der rote Hass, die rote Wut, die rote Erregung, die rote Trauer. Vermöglicht sind noch orangene Halbgefühle und blaue Nichtgefühle. Irgendwo randigen die Gefühle an die brandige Bezirksgrenze der Gefühlsfarben.
Das Gefühl im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit. Erst waren es die kunstgedruckten Abbilder einzigartiger Gemälde, einzigartiger Maler, die jeder Hans Wurst mit einer Briefmarke versehen konnte.
Die Marktlücke sind die Postkarten aus dem Hirn. Postkarten, geschickt von verdunkelten Hirnen, die begännen zu Leuchten, würden sie ihr Gefühl im Labor einstecken. Massenkompatibel, vorverdaut von gelben Gefühlsfressern, die sich jeden Tag erbrechen, weil sie überfüttert werden. Die Posthornmänner verteilen die nach Speichel stinkenden Farben der Gefühle dann über den gesamten Erball.
Wie altmodisch. Ein Absender, ein Empfänger. Ein Gefühlsempfänger. An meine Geliebte. An meinen Geliebten. Wie persönlich. Eine Adresse für Gefühlssender und Gefühlsempfänger.
Gefühle auf Papier, Versuche das Rot zu beschreiben, mit eigenen Worten. Der Versuch wortige Deiche der überflutenden Seele zu bauen, bevor der nächste große Wind den Gefühlsozean ins Binneland des Selbst ergiesst. Jedes Wort, ein mühsam herbeigeschleppter Bedeutungsandsack.
Doch wozu arbeiten. Wir virutualiesieren die Gefühle, machen sie onlinekompatibel, machen sie so universal, machen sie klickfähig und uns unfähig.
Klickfähige Unfähigkeit geistertfährtet über die Datenautobahn.
Online, Online an der Wand, wer hat das schönste Gefühl im Land.
Sie werden maschinell vorproduziert, passend für jeden Gefühlsklicker. Dort liegen sie datenpacketet, absendbar für jeden, abrufbar für jeden, der Jedermann. Akustische Dateien, datenkomprimierte Gefühlstüten aufgereiht nach Geschmacksorten in den virtuellen Regalen der Digigefühlswarenläden. Groß gehandelte Gefühlstüten. Einfach Digiwasser dazu und fertig ist der Gefühlssnack. Es wird nichts mehr gebraucht aus der Offlinewelt, keine eigenen Wortzutaten, keine ellenlangen Satzrezepte, keine bedeutsamen Absätze, keine Tastatur, nur noch eine Gefühlsklickmaus.

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Kommentare


unbekannt
07:22 25.08.2006
Da lob ich mir den handgeschriebenen Brief...eines meiner liebsten Hobbys :)

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19:31 24.08.2006
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16:09 24.08.2006
tja - und wie diese vorgefertigten snacks unseren
geschmack verderben, er verlernt, ob der grell schmeckenden
zusätze all dieser wunderbaren und subtilen naturaromen
wahrzunehmen,
unsere sinne sprechen nur noch auf intensivst - reize an
und die sind alle grell und vorkonfektioniert und kennen
keine jahreszeiten mehr und sind ohne den reiz
des subtilen unteschieds alle genormt und gleich und gleich
langweilig und so werden wir je mehr gesättigt gleichzeitiger
umso hungriger und um so leerer...
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