Zweiter Schultag
Papa rief mich gestern an und fragte, wie denn der erste Schultag gewesen sei. Diese Frage kam mir komisch vor, denn für mich war schon der Einschulungstag der erste Schultag, was ich Papa auch sagte. Er wollte dann wissen, wie denn mein zweiter Schultag gewesen sei und was mir am besten gefallen hätte. Ich fand die Pausen am besten, antwortete ich und ich erzählte ihm noch, dass ich das Patenkind eines Jungen aus einer höheren Klasse bin. Diesen Jungen kenne ich schon aus der Nachbarschaft und ich finde ihn eigentlich nicht sonderlich sympathisch, sagte ich Papa, aber ich musste mir ja jemanden aussuchen.
Papa fragte mich auch, ob ich denn wieder auf dem gleichen Platz wie am Einschulungstag gesessen hätte. Irritiert durch diese Frage sagte ich ihm, dass ich dort doch jetzt immer sitzen würde. Papa stellt manchmal noch komischere Fragen als ich, finde ich.
Wir haben in der ersten Mathestunde nur Striche machen müssen. Auf einem Bild mussten wir erkennen, wie oft bestimmte Dinge in dem Bild vorkamen und die entsprechende Anzahl Striche machen.
In Deutsch hatten wir als Hausaufgabe auf, einen Schmetterling zu malen. Außerdem hatten wir noch Sport. Sport war gut.
Mama bringt mich jeden morgen zur Schule zum Treffpunkt auf dem Schulhof. Dort stehen immer schon die anderen Mütter oder Väter mit den anderen Kindern und warten auf die Lehrerin. Meine Mama geht immer gleich wieder, weil sie es albern findet mit mir die ganze Zeit dort zu stehen. Sie möchte mich nicht wie die anderen Mütter, die am liebsten noch mit in die Klasse gehen würden, überbehüten. Nach der Schule gehe ich bisher immer mit Oma und Mel., ein Mädchen, das die Tochter ist von einer Freundin Mamas, zum Hort und von da holt Mama mich dann, wenn sie fertig ist mit ihrer Arbeit, ab.
Papa dachte noch mal nach über den Einschulungstag und die Gespräche, die geführt wurden. Gesprochen wurde über die anderen Eltern und deren Kinder und Papa hörte sich alles geduldig an. Eine Frau sei mal wieder ganz schön dick geworden hies es, was sicherlich am Stress liege, den sie wegen ihres Mannes hätte, der irgendeine Krankheit haben solle. Die Gesprächsteilnehmerinnen waren sich einig, dass diese Frau Grund genug hätte darunter zu leiden, denn sie sei ja mindestens 20Jahre jünger als der Mann und habe bestimmt nicht daran gedacht, als sie sich noch einmal entschieden hätte mit diesem Mann ein Kind zu kriegen, dass dieser mal krank werden würde. Ein anderes Elternpaar solle ein behindertes Kind haben und eine Frau wunderte sich, warum die Mutter dieses Kindes ihr das, als sie sich mal zufällig getroffen hatten, nicht erzählt habe. Papa dachte, dass er auch nicht jedem, den er zufällig trifft ohne Grund erzählen würde, dass er ein behindertes Kind hätte, wenn er denn eines hätte. Warum sich mein Papa überhaupt darüber Gedanken macht, kann ich ehrlich gesagt nicht so richtig verstehen, aber er wird es schon wissen. Krankheit scheint jedenfalls ein interessantes Thema zu sein. Vor allem die Krankheit der anderen.
So jetzt ist Wochenende und ich vergesse die Schule bis sie mir wieder einfällt, spätestens Montagmorgen.