Willkommen auf Tagtt!
Friday, 26. April 2024
Tagebücher » rispe » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch rispe
2008-05-28 12:18
Still ist der Tod
Sie hat es hinter sich! Meine Mama ist am 7.Mai verstorben. Tapfer und doch still, wie sie ihr Leben gelebt hat, ist sie gestorben.
Sie hat wohl gewartet bis mein Bruder aus China zurückkam, hat gewartet bis mein Bruder aus Hamburg kam. In der Nacht als der letzgenannte kam ist sie von Sonntag auf Montag in der Nacht zusammengebrochen. Dieses Bild werd ich wohl nie vergessen, wie sie an der Wand kauerte und wimmerte, wie wir zu dritt verzweifelt versucht haben sie auf eine Decke zu heben und über den Fliesenboden zu rutschen um sie in die stabile Seitenlage zu bringen. Als mein Freund mich dann laut rief, hab ich hysterisch "Mama" gerufen, dachte sie wäre tot. Sie hat mich ganz erschrocken angesehen und ich wußte, dass uns noch ein wenig Zeit bleibt. In dieser Nacht bin ich dann mit ihr ins Krankenhaus gefahren. Als wir am nächsten Tag dann ins Krankenhaus kamen, war sie ansprechbar, hatte aber wohl sehr viel Blut erbrochen, so dass sie ihr 2 Blutkonserven geben mussten. Wir wollten sie einfach nicht loslassen. Der Montag verlief dann ganz eigenartig hoffnungsvoll. Man sprach davon, dass man ihr noch mal ne Magenspiegelung verpassen wolle, mit der Option Ihre Blutung eventuell zu stoppen, indem man geplatzte Adern verödet. Sie wollte dieses Prozedere tatsächlich noch mal auf sich nehmen. Wahrscheinlich hat sie das aber nur unseretwegen gewollt. Alles was wir noch geben konnten war LIEBE. Und weiß Gott, die hatte sie wirklich verdient.

Mein Vater, der einige Tage vor ihr zusammengebrochen war, lag ebenfalls im gleichen Krankenhaus, konnte also zu jeder Zeit zu ihr.

Als wir dann am Dienstag zu ihr kamen, konnte sie nicht mehr sprechen, war die meiste Zeit in einem Dämmerschlaf. Selbst zum Unterzeichnen des Formulars für die Magenspiegelung war sie zu schwach. Ich unterschrieb, hatte ich doch die Vollmacht. Ich erinnere mich an zwei Momente, in denen sie uns ganz klar wahrnahm und anlächelte, meine zwei Brüder, meinen Vater und mich - ein Bruder fehlte. Schlimm genug! An diesem Abend wußten wir wahrscheinlich schon was kommen würde, wir 3 Geschwister betranken uns hemmungslos und weinten, weinten, weinten.

An dem Abend, den Dienstag 06.05.08 verabschiedeten wir uns mit einem Kuss und den Worten "bis morgen".

Mittwoch früh um 7.30 Uhr erhielt ich einen Anruf vom Klinikum. Meine Mama war tot. Mein Vater war am Telefon und alles war unwirklich und wie von einem Schleier bedeckt. Ich konnte es nicht erfassen, konnte nicht begreifen was das heißt. Sie war noch so jung.

Mit dem einen Bruder fuhr ich zum Klinikum, den anderen rief ich an um ihn das Schreckliche mitzuteilen.

Als wir auf ihre Station kamen, saß mein Vater völlig zusammengesunken auf einem Stuhl vor ihrem Zimmer. Sie war tot! Sie lag da in ihrem Zimmer. Tröstende Worte gab es keine mehr, die mir einfielen, nur stille Umarmungen. Mein anderer Bruder kam, mein Lieblingsbruder und ich wollte ihn nicht mehr loslassen.

Eine Ärztin kam und teilte uns mit wir könnten sie nun sehen. Der Albtraum nahm Konturen an. Wir gingen ins Zimmer, Papa weinte laut und sein Wehklagen störte die Ruhe die in diesem Zimmer gefangen schien. Ich sah sie an und erkannte sie trotzdem nicht wieder. Es war eine Hülle, ein Puppe, aber nicht meine Mama. Wir küßten sie alle zum Abschied und verließen die Stille um den Versuch zu wagen wieder langsam teil am Leben zu werden.

Alles geschah unter Schock.

Papa kam mit uns nach heim. Was sollte er noch lange in diesem Haus bleiben, wo er uns so brauchte.

Alle - wieder bis auf meinen einen Bruder- saßen wir bei mir im Garten und die Zeit schien nicht zu vergehen. Ich wollte mich beschäftigen, weiter unter Strom stehen, wie immer. Sofort hing ich mich an Kleinigkeiten auf und holte Preisvergleiche von vielen Bestattungsinstituten ein. Ich funktionierte. Noch am gleichen Tag kam ein Bestatter und wir wählten ein Urne für unsere Liebe. Alles hat sie mir vorher mitgeteilt was ihr für ihre Beerdigung wichtig schien und das Krematorium war eines Ihrer Entscheidungen. Ständig hielt ich ihren Kalender im Arm, er schien mir das Wichtigste auf der Welt zu sein.

Ich telefonierte noch am gleichen Tag mit einigen Versicherungen, sagte Termine ab.

Da mein ältester Bruder keine Notwendigkeit darin sah, sich an diesem Tag frei zu nehmen, arrangierte ich ein Aufbahren für ihn von Mama beim Bestatter.

Dann fuhr ich zu ihrem Haus und holte die Kleidung, die sie tragen sollte, Urkunden und wurde fast hysterisch, als die ganzen Erinnerungen die an mir zehrten. Ich wußte mir bricht meine Liebe weg und ich konnte nichts anderes tun als zu arbeiten wie eine Maschine. Keiner war in der Lage und ich wollt doch nur dass sie all das so bekommt wie sie es verdient hatte.

Die Organisation schien kein Ende zu nehmen und bis heute ist noch keine Ruhe eingekehrt.

Am schlimmsten war der Kampf mit der katholischen Kirche. Meine Mutter war katholisch und ich wollte nicht mehr, als eine Messe für sie zur Beerdigung. Das Vorgespräch mit dem indischen Pfarrer schien gut verlaufen zu sein. Er schrieb ihren Lebenslauf zusammen und ich war positiv von ihm überrascht, bis am nächsten Tag der Anruf von ihm kam, dass meine Mutter keine Messe bekommen könne. Anfänglich dachte ich, dass es an der Verbrennung läge, doch wie sich herrausstellte, waren es wir, die ihrer Kirche im Weg standen. Wir 4 evangelischen Kinder, ihr evangelischer Mann.

Ich kämpfte wie eine Löwin für das Recht meiner Mutter. Wenn selbst ein Selbstmörder eine Messe bekommt, warum dann meine Mutter nicht! Bis zum Dekan telefonierte ich.

Am vergangenen Freitag war die Beerdigung und die Kirche. Ein anderer Pfarrer hielt die Rede und die Messe schien vom indischen Pfarrer vorbereitet worden zu sein. Ständig ging es um Sünde und Fegfeuer, wir evangelischen wurden expliziet darauf hingewiesen, dass ein Kath. Pfarrer keinem evangelischen Kirchenmitglied die heilige Kommunion geben dürfe. Eine Demütiung hoch zehn, in all der Trauer, wo man doch nicht mehr wünscht als Stütze und Verständnis.

Gott gab meiner Mutter ein großes Herz und darum gab es für sie keinen Unterschied zw. ev und kath. als sie sich verliebte. Er belohnte ihre Liebe mit 4 Kindern. Doch in den Augen der Kirche hat sie verpaßt kath. Schäfchen nachzuzüchten.

Ich schreib das alles sehr abgeklärt. Das liegt aber eher daran, dass mein Herz noch keine Ruhe gefunden hat und ich einfach noch immer nicht begriffen hab dass sie tot ist. Es war einfach zu viel und die Liebe ist noch da nur die Person die geliebt wird ist fort.

Tags

Kommentare

14:57 28.05.2008
ich bin katholisch und in solchen momenten ist es mir peinlich das zuzugeben! wie kann die kirche denen, die nur trost suchen und brauchen so begegnen. es tut mir unendlich leid für dich, mein herzlichstes beileid
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
13:56 28.05.2008
Auch von mir mein tieftstes Beileid. Ich finde es eine frechheit was da mit der Kirche passiert ist. Da fehlen mir echt die Worte. aber daran sieht man mal wieder, das auch die Kirche eigentlich nur ein Unternehmen ist. Traurig sowas. Ich wünsche dir viel Kraft und Unterstützung für die nächste Zeit.

Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

13:16 28.05.2008
mein herzliches beileid.. du hast das alles ganz toll gemacht und geschafft, mehr konntest du nicht tun
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

rispe Offline

Mitglied seit: 12.11.2005
46 Jahre, DE
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2008-05-28 12:18