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Saturday, 20. April 2024
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Tagebuch der_major
 1946-08-02 hh:mm
Sonnabend, den 2. August. Ich ...
Sonnabend, den 2. August.
Ich will etwas zurückgreifen. Neben der Politik und der Tatsache, dass mir die Schule jetzt immer mehr Freude macht, gab es lange nichts Absonderliches in meinem Dasein. D.h. die Geschichte mit dem Klaurußki ist schon ca. 6 Wochen her. Dass ich nach Berlin fahre, um Sachen eintauschen zu lassen, ist ja nichts Anregendes.
Dann zog Frau Baals in Frauu Luches Haus (Frau Hacke ist übrigens an Typhus gestorben). Es war geradezu aufregend, als Mutti von der Frauenversammlung kam und erzähle, dass ein russ. Major Levin durch Frau Schau. Von dem leer stehenden Haus erfuhr und Frau B. dort einrichten ließ. Ein GPU-Mann von dem alle, die ihn kennen, sagen, er sei ein wirklich feiner Kerl. Wie mein Herz sich da umdrehte. Ist das Neid? Ich glaube, dazu gehört, dass man dem anderen das Gute nicht gönnt. Christel Teichert kam mit ihr ins Gespräch und wir sahen sie mit Schulz (im Brinkmann’schen Haus wohnend) sprechen. Wir sahen ihn mal im Garten (Er ist nur selten da) und dann sprach Mutti mal beim Einholen sie an. Sie war offenbar erfreut. Dann ging ich, sie zu einer SED-Schulung einzuladen. Wir mussten unser Radio reparieren lassen und mit dem Wecker – da Frau Teichert verreist war – gingen wir zu ihr, um die Zeit zu erfahren. So kamen wir – stets freundlich zum Unterhalten eingeladen – in gutes nachbarliches Verhältnis zu ihr. Leider war die Frauenversammlung, zu der sie mit war, von tiefem Niveau. Der Vortrag weder sachlich, noch politisch von Bedeutung, sondern mies. Also können wir sie schlecht noch mal so bald dazu auffordern. Aber Bücher habe ich mir geborgt, die ich heute oder morgen zurück bringen werde. Dann kann ich ihr gleich mein neues Ereignis erzählen. Nicht so ausführlich zwar, wie ich es hier, jetzt, tun will.
Am 26. Juli war Abi-Abschiedsfeier. Wir waren alle recht gespannt, denn der Kommandant der von allen geschätzte, ja, verehrte, wollte kommen. Als Uni-Prof. hat er immer Interesse an der Schule, also war wohl möglich, dass er käme. Buchholtz meinte, wenn möglich, wolle er das Kollegium ihm vorstellen, und jeder hatte Rock und Seele glatt geschniegelt und war gerüstet. Es ging hin (wobei ich diesen brav-bürgerlichen blonden Herren mal wieder traf, der mir so auffällig oft begegnet und mit dem ich jetzt auch schon rede). Ich sockte hinter meiner Klasse her und freute mich, wie ordentlich sie ging und sich im Filmpalast benahm. Das war ein feiner Schuljahrsabschluss für mich. Es ward 10 Uhr und kein Kommandant erschien. Also begannen wir, obwohl v. Buchholtz noch in der Kommandantur wartete. Chor der Schule, Musik von Frl. Erfurth, die eine reizende Kollegin ist. Duett von Stultes Mädeln. Dann Gießman. Und da kommt Kommandant. Begrüßung von G., auf Russisch von Palmberg er Größeren (7. Kl.). Dankrede der Döhmer als Abiturientin. Ach, Buchholtz natürlich begrüßt Komm. Er aber redet uns russisch an mit Übersetzung. Nochmal Duett der beiden. Chor. Pause. Kommandant geht fort. Ja, er will was spendieren, heißt es. Es gefällt ihm murmelt man. Alles strahlt. Man wartet. Er kommt. „Der zerbrochene Krug“ geht in Szene (Für eine 2. Vorstellung desselben in Eden am Sonnabend habe ich vom nichtsahnenden, polit. Kommandanten die Erlaubnis abgeholt). Die 7b und 6a spielt fabelhaft. Wir sind begeistert. Beim Verlassen des Filmpalastes gehe ich dicht hinter Buchholtz und dem Kommandanten. An der inneren Flurtür bleibt er etwas zurück, guckt. Ob er überlegt, woher er mich kennt? Aber da wartet schon die 2a, der ich die Schulbescheinigung für Lebensmittelkarten aushändigen muss. – Anschließend geht’s zur Schule. Kartoffelsalat mit russischer Wurst! 3 Kekse, Bier oder Selter gibt’s. Nette Unterhaltung mit Kaiser Milli, mit Frau Ginglebe, Frl. Weber; sie kennen mich schon alle, diese Stadtgrößten, was mich doch etwas befidelt. Schade, dass der Kommandant nicht kommt. Das wäre doch was ganz besonderes gewesen. – Nun waren Ferien mit Ferienarbeit. Ich sollte evtl. zu einem 4-wöchtigen Biologiekursus nach Potsdam. War es Zwang? Ich fand mich damit ab, überlegte es mir und wünschte es mir dann. Es wäre wirklich fein und gäbe mir mehr Sicherheit. – Es folgte keine Einberufung. Frau Regener mochte mich zu spät gemeldet haben. Also fuhr ich am 30.7. selbst hin nach Bernau. Dort wollte ein Schulleiter mir einen Posten in Thüringen anbieten. Biologin gebrauche er. Wir warteten. Die Sekretärin erledigte meine Sache. Ich erhielt eine Einberufung ausgeschrieben, allerdings sei ich nun eine zu viel für am Bezirk, womöglich würde ich in Potsdam noch zurückgeschickt, wenn ich mich meldete. Na, ich freute mich doch. Das wird schon klappen.
Am 31.2. ging ich aufs Kartenamt. Alles überfüllt. Jeder wimmelte mich ab. Und da fehlte noch eine Karte. Also solle ich noch Eden gehen. Formular erhielt ich. Ärgerlich zog ich ab. Und nach dem Essen nach Eden. Lauere auf Abfertigung. Eine impertinente Schafsneese von Jüngling weist mich ab. Er hat keine Einnahmelisten für Karten. Also morgen um 8 Uhr in Oranienburg. Und am 1. soll ich mich schon in P. melden. Na ja, zuhause friere ich. Bin in einen Sessel gesunken und lese Zeitungen. Mutti holt das ODF-Essenm da ich die Kannen dort um 11 Uhr nur abgab um zur Edener Kartenstelle zu kommen. Und hinterher ist sie in Papis Vertretung zu einer Schiedsmannssichtung in Obg. – Plötzlich kommt sie hereingewirbelt. Aber richtig. „Keine Ruh’ bei Tag und Nacht! Raus aus dem Sessel. Ursel, du musst sofort zum Kommandanten!“ Ich kriege merkwürdigerweise einen Schreck. Dann rasch das rote Kleid an, Haare, Nägel überprüft und ab. Wegen Unterrichts, hat Willi Kaiser sagen lassen, den ODF-Köchinnen. Oder wegen der Kandidatenliste, ja doch möglich, dass sich die alle vorstellen sollen. Aber Unterrichts? Was ist das nur? In der Berliner Str. fährt Kaiser auf mich zu. Begrüßung. Er weiß auch nicht mehr. Also rein in die Höhle des Löwen. Die Biegung in den Eingang macht mir keine Angst, nur so ein lang entbehrtes Abenteuergefühl sitzt in mir. Herrlich, mal was los! In dem Sprechzimmer steht Buchholtz. Er wundert sich, dass ich komme. Ich fahre hoch. Wegen Unterrichts? Er hofft, dass er nicht die Offiziere im KZ übernehmen soll, sondern schon die Abreiseerlaubnis erhält. Sonst will er natürlich einen guten Preis machen. 10 Mark die Stunde solle ich schon nehmen, wenn ich diese übernehmen soll, da im KZ. ER wartet, dass das Telephon zur Havelstr. Frei wird, da der K. nicht im Hause ist. ER spricht russisch hinein. Ich verstehe manches und manches nicht. Er sagt gleich, dass ich hier sei. Utschitelnitze Witte. Ob er bleiben solle zur Verständigung (Er meinte das vorher zu mir, er würde ja glücklicherweise gerade da sein). Aber das war nicht nötig. Ich solle warten, er käme selbst rüber. Also warte ich. Ein Dienstoffizier fragt, was ich wolle. Was ich bei dem K. solle. Fragt den anderen Deutschen. Versteht nicht alles. Ich bin dabei zu übersetzen. Da springt der Offizier auf. Ich gucke und wir stehen auch auf. Der Kommandant! Fragt mich mit freundlichem Blick: [russisch]?! Dann erledigt er die andere Sache. Jetzt sei Ruhepause, der Mann muss um 5 Uhr wiederkommen. Dann: Bitte! Wir gehen nach oben.

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der_major Offline

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