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2005-05-19 21:31
WGT die zweite: Samstag
Samstag

Hier wird es wild, ohne Vorwarnung.

Vormittags holten wir meine Freundin G., die per Mitfahrgelegenheit gekommen war, und wanderten vom Parkplatz gleich in den schwarzen Markt der Agrahalle, dann ins „Heidnische Dorf“, nach dem ich mich seit einem Jahr gesehnt hatte. Da ich so eine heidnische Mittelaltertussi bin, ist das meine eigentliche Heimat.
Außerdem spielten....

...OMNIA.

Endlich. Live-GöttInnendienst. Wie ich mich danach gesehnt hatte.
Es regnete und wir standen zu viert unter zwei Schirmen. Schließlich verließ ich das Schirmdach zugunsten meiner Beweglichkeit. Einige der besten und intensivsten Konzerte, die ich je besucht habe, fanden statt, während es regnete; dieses gehört dazu. Ein Tanz im Regen zu Ehren von Naturkräften, zu Ehren unsrer Körper, unserer Gemeinschaft. Ich leide sonst oft melancholisch (oder doch ernsthaft?) darunter, keine Gemeinschaft zu haben, mit der ich, wenn frau es so nennen will, meine Religion ausüben kann. Ich finde schon, daß Gemeinschaft ein Teil von Religionserleben ist, auch wenn ich generell religiösen und überhaupt Gemeinschaften skeptisch gegenüberstehe. Meine Religion beruht auf Ritualen. Rituale allein sind meistens ein Abklatsch.
Omnia sind Leute, die ihre Religion leben, die meiner nicht unähnlich ist. Wenn sie spielen, ist es spürbar, daß das, was sie da machen, für sie zentral ist, ihr Leben ist. Dabei sind sie nicht theatralisch oder heiligmäßig – oder doch, sie sind es – aber mit HUMOR!
Ich mag keine Kritik über ihre Musik abgeben; für mich sind sie halt eine der wunderbarsten Bands der Welt. Ihr Auftritt war für mich ein Erlebnis (dem ich keine beschreibenden esoterischen Adjektive beifügen will).

Danach fand ich, daß sich das WGT schon gelohnt hatte.
Wir streunten noch eine Weile durchs Heidnische Dorf, beschlossen dann schweren Herzens, auf FAUN heute abend zu verzichten und uns stattdessen aufwärmen zu fahren.
Später fuhren wir zum Haus Auensee. Hörten LAKE OF TEARS zu und gingen zu TIAMAT ab. Ich fühlte mich lebendig, ganz da, offen für alle Welten: Der Tanz im Regen hatte meine Sinne gereinigt.
Auf dem Parkplatz rannte ich durchs nasse Gras und schrie wetterhexenmäßig ;)
Immer so leben. So will ich mein Leben haben. Ich erinnerte mich daran, daß ich es doch nur tun muß, leben wie ich will. Daß es möglich ist. Warum ist die Umsetzung eigentlich so kompliziert? Ich mache sie wohl kompliziert?

Wir fuhren zu A.s Wohnung, um unseren Freund T., der mit seiner Freundin zu Besuch war, zu treffen. Unterhielten uns. Alles war im Prinzip in Ordnung.
Trotzdem wandelte sich meine Stimmung auf seltsame Weise. Es war, als würden die Höhepunkte des heutigen Tages nach Tiefpunkten verlangen. Ich ärgerte mich furchtbar über eine Kleinigkeit. Auf einmal verlor ich fast gänzlich die Kontrolle.
Dazu muß ich bemerken, daß ich lange Zeit an mir gearbeitet habe, um mich von bestimmten irrationalen Verhaltensweisen zu lösen, mit denen ich andere und mich selbst schwer verletzt habe. Ich habe versucht, sie nicht zu verdrängen, sie aber unter Kontrolle zu bekommen, und es schien mir gelungen zu sein. Einige dieser Verhaltensweisen und der Dinge, die hinter/ unter ihnen stehen, habe ich im Eintrag „Autorschaft“ beschrieben. Ich konnte mich noch ungefähr an dieses Verhalten erinnern.
Aber nur sehr ungefähr. An diesem Abend fing es mich wieder ein, wie ich es Jahre nicht erlebt habe. A. und ich verbringen bereits 6 Jahre miteinander. Er meint, mich noch nie so erlebt zu haben. Eine Woge der Angst erfaßte mich, die aus meinem Inneren sprudelte.
Ich habe später Allegorien und Symbole benutzt, um das Gefühl zu beschreiben, wie ich es auch jetzt tue. Ich weiß, daß sie die Erinnerung verfälschen. Aber für mich war es am wichtigsten, danach meinen Freunden mitteilen zu können, was mit mir passiert war. Ich hatte eine versteckte Seite an mir wiederentdeckt, insofern wohl auch eine dunkle, weil wir mit dunkel das Unfaßbare, Erdige, Verborgene beschreiben, daß sich wie eine Urkraft anfühlt.
Ich wußte nicht mehr, wer ich war. Hatte ich mich nicht auch über mein Bewältigen dieser destruktiven Strömungen in mir definiert? Wer war das eben gewesen, die Person, die A. nicht kannte, an die ich mich nur schemenhaft erinnerte? Wenn ich das gewesen war, dann war ich ein ganz anderer Mensch, als ich bisher geglaubt hatte. Wie sollte ich damit umgehen?

Ich brauchte den Rest des WGT, um zu einem winzigen Lösungsansatz zu kommen, der nicht wirklich einer ist, kein geordneter planvoller rationaler, nur eine Masse an Bildern.
Und das mag der Punkt sein.

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Kommentare

12:52 20.05.2005
Weißt Du, ich glaub das vermagst Du schon.
Und ich mach sowas auch zum ersten Mal.
Schön, Dich hier zu lesen. Wirklich.
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unbekannt
22:10 19.05.2005
Ich lese deine Berichte und alles ist plötzlich wieder da. Auch wenn es DEIN Erlebnis ist, so macht es doch auch für mich alles wieder lebendig.
Danke, das du jenes schriftlich ausdrückst was ich nicht vermag.


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2005-05-19 21:31