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Friday, 19. April 2024
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1968-09-17 hh:mm
Doppel- und Dreifachbelastung


Bei einem Wochenendbesuch bei Hermann und Ingeborg erfuhr Elvira, dass ihre Freundin, damit diese ihren Arbeitsplatz behalten dürfe, das Studium zum „Ingenieurökonom“ nachholen müsse. Das beschäftigte Elvira sehr und ein Jahr später entschloss sie sich auch dazu. „Wenn ich schon als Frau und Mutter voll arbeiten muss, warum soll ich dann nicht etwas tun, um später mal das Doppelte verdienen zu können? Man sollte sein Fell so teuer verkaufen wie möglich!“

Nach einem Vorbereitungslehrgang, der das Schulwissen wieder auffrischte und erweiterte, wurde sie an der Fachschule immatrikuliert. Der Alltag war nun mit Aufgaben dermaßen vollgestopft, dass Elvira keinen Platz mehr für Ängste hatte.

Mit den nunmehr gestiegenen Anforderungen verlor sie mehr und mehr ihre Angst, wegen der sie schon in psychologischer Behandlung gewesen war. „Endlich mal wieder in der Schule sitzen!“

Jörg war inzwischen ein Kindergartenkind und der Kindergarten lag am Arbeitsweg. Helmut unterstütze in dieser angespannten Zeit seine Frau, indem er kräftig bei der Hausarbeit zupackte.

 

Aber wie würde das mit Helmuts Weiterbildung werden? „Du kannst doch nicht ewig als Kraftfahrer arbeiten?“ Auch der unregelmäßige Dienst bei der Polizei ging ihr langsam auf die Nerven. So schaffte es Elvira, mit nicht nachlassender Überzeugungsarbeit, dass Helmut nach fünfzehn Dienstjahren bei der Polizei aufhörte um in der Wirtschaft Fuß zu fassen. Das war nicht so leicht, wie Elvira angenommen hatte. Er war so an die Ausübung von Befehlen gewöhnt, dass er wo anders nicht mehr klar kam.

So kam er eines Tages mit der Hiobsbotschaft, er würde wieder zurück zur Polizei gehen. Elvira fiel aus allen Wolken, doch er ließ sich von seinem Vorhaben einfach nicht abbringen. Jetzt war es an Elvira, ihm ein paar Bedingungen zu stellen. Sie wusste, dass in seiner Erziehung nicht viel dazu getan worden war, um ein gesundes Selbstbewusstsein zu fördern.

Helmut wurde sofort wieder eingestellt und hatte sich nun wirklich zu einer Qualifikation im Kfz-Wesen durchgerungen. Er begann zuerst damit, den Abschluss der „Mittleren Reife“, der zu seiner Schulzeit ja noch die Ausnahme war, nachzuholen. Jetzt, wo Helmut seine Laufbahn bei der Polizei gewählt hatte, kam er nicht mehr drum herum in die Partei (SED) zu gehen. Durch intensive Unterhaltung mit dem damals gut befreundetem Ehepaar Seifert aus dem gleichen Haus, waren die jungen Schefflers zu diesem Zeitpunkt von der Richtigkeit dieses Schrittes überzeugt. Danach setzte sich auch Helmut wieder auf die Schulbank, um den Facharbeiterbrief als „Berufskraftfahrer“ zu erwerben. Dieser war Voraussetzung für das Meisterstudium, das noch folgen sollte. Doch darüber später.

Elvira war glücklich. Es war ihr so wichtig, dass Helmut selbstsicherer wird und nicht auf seinem Wissensstand stehen blieb. Elvira hatte jetzt wieder ein gutes Wir-Gefühl mit ihrem Helmut. Und um mit ihm an einem Strang zu ziehen, entschloss sie sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in die SED einzutreten. Vorausgegangen waren allerdings einige politische Schulungen, das Studium der Politischen Ökonomie und des Marxismus. Außerdem hatten die Gespräche mit Bärbel und Erhard Seifert ihre Auswirkungen gehabt. Elvira wurde nach und nach eine überzeugte Kommunistin. Ihren Eltern erzählte Elvi davon kein Sterbenswörtchen. Als Alfred Schrader durch einen Zufall dahinter kam, war das die Hölle. Mutter Lotti nannte ihre Tochter in ihrer Wut sogar „Kommunistenhexe“.

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