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Friday, 29. March 2024
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2008-07-21 23:43
Ein schmaler Weg
Das letzte Wochenende war ein weiterer Hinweis an mich selber, dass es wohl besser ist, wenn ich wieder die Schule bzw. das Studium im Nacken habe.
Nicht dass ich es nicht irgendwie gemocht habe, schon am Freitag Abend in einem Anflug von kreativer Selbstzerstörung ein wahres Sortiment an Getränken in mich hineinzugiessen und währendessen den Kollegen das blaue vom Himmel zu erzählen, zu mir selber heraufschauen und mit meiner unsichtbaren, dritten Hand stetig auf meine Schulter zu klopfen.
Ja, ich fühlte mich gut, gut und angetrunken. Die Welt hätte mir zu Füssen liegen sollen. Ich habe es ja jetzt geschafft, eine Lehre abgeschlossen, eine Matura bestanden und den Kindergarten nie wiederholt. Ich habe Geld, genau 334 CHF Gesamtvermögensbestand, doch das Gefühl bald viel mehr zu haben liess mich diesen lächerlichen Betrag gross aussehen und mich nicht davon abschrecken weiter zu bestellen. Natürlich gestikulierte ich nicht völlig besoffen vor mich hin, Stil muss ja sein. Doch das Lokal schloss auch einmal die Pforten und draussen erwartete mich auch nur der Nachthimmel und nicht DER Himmel.

Am nächsten Morgen grüsste die die Hölle. Das laue Gefühl im Magen, schlechte Laune und das Wissen, heute Abend bist du eingeladen, wirst wieder trinken und musst dazu noch gut aussehen, weil du immer gut aussehen musst.
Ich quälte mich am Samstag Nachmittag zum joggen, dehydrierte fast und lief Rekordzeit, warscheinlich meine Form von Busse tun, obwohl saufen keine Sünde ist und es Sünden gar nicht gibt.

Jedenfalls schaffte ich es, mich auf den Abend wieder Gesellschaftstauglich zu präsentieren und ich war nicht der Erste an der netten Grillparty.Es waren da etliche Kollegen, aber auch unbekannte Gesichter. Auch ein blondhaariges, hübsches, arrogantes, dummes Gesicht. Natürlich jonglierte ich mit meinem Bierbecher herum, von meinem Mund zu der Zapfsäule und wieder zurück. Blondie schien es nicht zu merken, kicherte aber immer etwas verlegen, nur um im nächsten Moment zu erwähnen wie wichtig sie für diese Welt ist.
Es war herrlich. Es war auch noch herrlich in der Küche, wo ich einen Drink nach dem Anderen spendiert bekam, Sprüche klopfte und diesmal sogar von anderen Leuten auf die Schulter geklopft wurde. Mein Gott, ich war aber wer! Blondie ging dann, nicht ohne mich wieder auf Facebook treffen zu wollen. Ich freue mich auf mein Online Date, vielleicht küsse ich ja dann meinen Bildschirm.

Die Drinks begannen zu wirken, wir begannen zu singen. Mit einem letzten Resten Verstand verabschiedete ich mich, torkelte nach Hause, und zumindest in meiner Fantasie lag ich auf dem Sportplatz für eine Weile.

Am Sonntag soll man ja in die Kirche gehen oder einen kleinen Spaziergang machen, ich war froh, konnte ich überhaupt aufstehen. Ich ass Früstück und behielt es. Meine Eltern schauten mich mitleidig an, wohlwissend dass ich eigentlich zu alt bin für solche Eskapaden und besser dem blauen Kreuz beitreten sollte als Kreuzblau zu sein.
Der Tag ging an mir vorbei. Am Abend hatte ich mich noch mit Sabi verabredet. Ich setzte alles daran noch einmal gut auszusehen. Es gelang mir mässig. Ein scharfer Blick (nicht so ein scharfer wie ich es gerne mag) und ich wusste genau was sie denkt - der wird einfach nicht Erwachsen! Gottseidank haben wir keine Kinder gemacht und Geld hat er ja auch keines (sie weiss nichts von meinen Riesenvermögen von 334 CHF).
Trotzdem gestalteten wir ein angenehmes Gespräch, aufgelockert durch einen luftige Biese, die mir durch die Glieder fuhr und ich einwilligte mit ihr spazieren zu gehen. Also doch noch.
Ich wollte aber noch einmal in eine Bar, ihrem Blick nach zu urteilen, eine meiner völlig sinnlosen Angewohnheiten. Man hätte jetzt einfach nach Hause gehen können. Ich nicht.
Dort ging das Gespräch in eine völlig andere Richtung. Sie ist ja eine gute Christin, geht in die Kirche und glaubt an die Bibel, an Jesus und an den barmherzigen Gott.
Ich glaube an Gott, an Gott in der Natur und ich glaube Gott hilft denen die sich selber helfen. Für mich gibt es keine Sünder sondern gute Menschen und Arschlöcher. Für die Zweiten sehe ich keine Hoffnung, denn wer zu faul ist kein Arschloch zu sein, wieso sollte Gott ihm helfen wollen.
Sie war sichtlich schockiert, lief mir aber nicht davon als ich ihr direkt ins Gesicht sagte, eine Kirchengemeinschaft sei nur ein Auffangbecken für sozial zu kurz gekommene und die Bibel sei falsch bis auf die 10 Gebote. Sie schluckte, sie schüttelte den Kopf, aber irgendwo fing es vermutlich an zu rotieren.
Ich sagte ihr aber gleich, dass mein Weg nicht richtiger sei als ihrer (also für mich schon....) und sie verstand. Ich glaube sie hat Angst um meine Seele, aber ich habe Gottvertrauen.
Heute war Montag, ich musste arbeiten und das war nicht toll, weil ich hatte wirklich Arbeit und ich musste wirklich arbeiten.
Ich fand aber genug Zeit, mir ein sogenanntes Netbook anzuschauen, man kann sich ja in einer kapitalisierten Gesellschaft durchaus über Konsumartikel mit Design freuen, quasi als Ersatz für echte Gefühle. Nun denn, ich werde mir so ein Gerät kaufen, die sind klein, praktisch und man kann sie mitnehmen. Da aber CHF 334 nicht reichen, kann ich immer noch beim Bahnhof in die Unterführung sitzen, mein Gesicht weiss schminken und Gitarre spielen.
Mein anderer Laptop ist doch etwas schwer und gross, ein Geschenk meiner Eltern. Ich werde ihn aber selbstverständlich auch benutzen, einfach wie einen Destop PC in meiner Wohnung....manchmal könnte ich mich selber hauen.

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2008-07-21 23:43