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2010-10-23 09:24
Der weinende Clown - 93
Sie unterhielten sich über alle möglichen Dinge, lachten über Brunos trockene Witze, Gottfried erzählte von seinen Reisen, der Verschiedenartigkeit der Länder, von alten Kulturen – die Themen schienen fast unerschöpflich und sie merkten dabei kaum, wie schnell die Zeit verstrich. Sarah trank heute etwas mehr als sonst, sie war zwar nicht beschwipst, doch der Wein hatte ihre Zunge gelöst. Sie nahm ihr Weinglas in die Hand und sah es nachdenklich an.
„Sag mal, Gottfried ...“, fragte sie unvermittelt, nachdem sie ihr Glas wieder abgestellt hatte, „... glaubst du eigentlich an Gott?“
„Wie kommst du jetzt darauf?“
„Du bist sehr gescheit und weißt soviel, kannst Dinge, die ein normaler Mensch nicht kann und ich habe mich heute Abend über einiges gewundert.“
„Und was hat das mit Gott zu tun?“
„Ich hatte heute Abend manches Mal das Gefühl, du hast einen guten Draht nach oben.“
„Ich war schon immer anders als die anderen, weißt du.“
„Nun?“
Nein. Ich glaube nicht an Gott.“
Und warum nicht?“
„Weil ich nicht an Gott glauben muss. Ich gehöre keiner Religion an.“
„Das heißt, du bist Atheist?“
„Nein.“
„Nein?“
„Wenn ich Atheist wäre, müsste ich Gott und seine Existenz verleugnen – aber das würde mir ehrlich gesagt, sehr schwer fallen ...“
„Also was nun?“
„Ich glaube nicht an Gott, weil ich weiß, dass es ihn gibt.“
„Genau das Gleiche hat mir Bruno auch schon mal gesagt. Was macht euch beide da so sicher?“

„Wenn man geniale Wissenschaftler und Denker wie beispielsweise Leonardo da Vinci oder Albert Einstein betrachtet, dann kann man vereinfacht sagen, dass sie bei all ihren Forschungen irgendwann an einen Punkt gerieten, der für sie nicht mehr erklärbar war und sie stellten fest, dass es da noch etwas geben müsse, das die Ursache für alles ist – einen Schöpfer. Leonardo schrieb einmal: ,Die Natur ist voll von unendlichen Ursachen, die noch niemals in Erfahrung getreten sind’ und Einstein sagte: ,Gott würfelt nicht’. Doch auch geniale zeitgenössische Wissenschaftler sind davon überzeugt – wie Stephen Hawkins zum Beispiel, der am Ende auf Seite 218 seines Buches ,Eine kurze Geschichte der Zeit’ fragt, weshalb es die Menschen und das Universum gibt. Er schreibt wortwörtlich: ,Wenn wir die Antwort auf diese Frage fänden, wäre das der endgültige Triumph der menschlichen Vernunft – denn dann würden wir Gottes Plan kennen.’ All diese Menschen haben nicht an Gott geglaubt, sondern fanden ihn aufgrund ihrer Forschungen und Überlegungen und ihnen wurde klar, dass es gar nicht anders sein kann: Gott oder einen Schöpfer gibt es – es muss ihn geben.“
„Bist du dir sicher, dass das auf Seite 218 steht? Du hast ja ein phänomenales Gedächtnis!“, bemerkte Sarah.
„Mag sein, ich gebe es zu – und ich lese viel.“ Gottfried lächelte.

„Wo nimmst du nur die Zeit für all das her?“, fragte Bruno, grinste schräg und schüttelte den Kopf.
Gottfried lachte. „Alles nur eine Frage der Organisation, lieber Bruno“, meinte er und stand auf. „So, ihr Lieben, aber jetzt verabschiede ich mich wirklich. Ich habe den Abend mit euch sehr genossen.“
Auch Bruno und Sarah erhoben sich.
Gottfried nahm Sarah in die Arme und strich ihr dann väterlich liebevoll über das Haar. „Schön, dass es dich gibt. Bleib an seiner Seite, egal was immer auch geschieht.“
Sarah nickte wortlos und löste sich nur zögernd aus Gottfrieds Umarmung.
„Und wir telefonieren demnächst, ja?“ Gottfried gab Bruno einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.
„Aber klar doch. Ich ruf dich an.“
„Sehen wir dich mal wieder? Du bist jederzeit herzlich willkommen und unsere Tür steht dir immer offen“, sagte sie leise.
„Wir sehen uns wieder – vielleicht dauert es eine Weile, aber wir sehen uns wieder. Versprochen.“

Sarah und Bruno begleiteten ihn zur Tür, er winkte noch einmal kurz, blieb für einen Moment stehen, sah beiden lächelnd in die Augen und ging.

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2010-10-23 09:24