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Tagebuch Murphy
2006-01-02 15:30
Mein Outing
Wo fang ich da nur an?
Interesse an Männern hatte ich eigentlich schon seit der Pubertät, aber die Tatsache, dass ich mal Schwul oder zumindest Bisexuell werde ergab sich nach und nach. Beweis für Beweis sozusagen:

1. Ich spielte mit Puppen
2. Mir kam der Gedanke: „Nein, Fußball ist definitiv nicht dein Sport“
3. Mein Freundeskreis bestand zu 80% aus Frauen
4. Ich fand es äußerst ungerecht, dass man in jeder Zeitschrift nackte Frauen sieht, jedoch keine nackten Männer

Spätestens jetzt hätte mir damals selbst ein Licht aufgehen müssen doch wie wir alle wissen, fällt es ja viel leichter, Dinge zu verdrängen, als sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Des Weiteren gehöre ich schon zu der Verzweifelten Generation, die unter anderem von Dr.Sommer aufgeklärt wurden. Soviel zum Thema: „das ist nur ne Phase“….

Wie dem auch sei, mit 17 lernte ich meine erste Freundin kennen, mit der ich letztlich auch 2 ½ Jahre zusammen War. In dieser Zeit schien alles einfach perfekt zu laufen mal ganz abgesehen von der, wie ich damals dachte, stressigen Schule.
Als ich mich dann nach dem Abi von meiner Freundin trennte, entflammte wieder die Neugier auf Männer und dank der fortschreitenden Technologie bot das world wide web die perfekte Basis für Anonyme Kommunikation.
Über Chat lernte ich Kay kennen. Haben anfangs sehr lange gechattet und telefoniert. Dank meiner Zivi-Stelle hatte ich damals verdammt viel Freizeit, drum war es kein Problem, öfters mal nach Essen zu fahren. Was sind schon 200 Km???? Es hätten 1000 sein können, ich wäre trotzdem gefahren. Von Kay hab ich viel gelernt, sowohl sexuell, als auch zwischenmenschlich. Ich lernte gleichzeitig die negative Seite der Medaille kennen.
Nachdem ich ihn ein paar Mal besucht hatte, brach unser Kontakt nach und nach ab. Einerseits fand ich es Schade, dass nicht mehr draus geworden ist, doch andererseits: Ich war jung, ich war Single, ich schien gut beim gleichen Geschlecht anzukommen und hatte Blut geleckt *g* Diese Erfahrungen mussten erweitert werden. Anfangs war es schwer, nette Kontakte zu schließen, da es in 99% der Fälle bei einem ONS blieb.

Irgendwann lernte ich Bernie kennen. Es war ein Samstag Abend und ich war wild entschlossen, an diesem Abend das erste mal in die Schwulenszene zu gehen. Etwa eine Dusche, ein Styling und 3 Zigaretten später befand ich mich im Auto auf meinem Weg nach Hannover. Nachdem ich Bernie abgeholt hatte, fuhren wir in die men’s Factory. Als ich den Laden betrat war ich extrem nervös. Was würde mich erwarten? Noch eh ich mich versah befand ich mich in einem relativ dunkel gehaltenen Keller mit rauchiger Luft, verschwitzen, zum Teil Oberkörperfreien Kerlen, lauter Musik, einigen Weibchen (oder waren es doch Männer?) und einem Geruch, den ich bis dato nicht kannte. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um Poppers handelte. Meiner Meinung nach lag auch ein Hauch Marihuana in der Luft.
Wie dem auch sei, der Abend war wirklich spannend. Bernie stellte mir einige Freunde von sich vor, mit denen ich mich auf Anhieb gut verstand.
Nach und nach erweiterten wir unsere Besuche auf das Vulcano, das Caldo und die sowohl legendär in Hannover stattfindende Sau-Party, als auch die Pavillion-Party und es entwickelte sich eine wahrhaft tolle Freundschaft.

Als ich meinen Zivildienst beendet habe, fing ich an, Medizin zu studieren und lernte auch ein paar Monate meinen ersten festen Freund kennen. Die Sache hatte allerdings einen Haken: ich studierte in Budapest, mein Freund wohnte und arbeitet in Deutschland. Dumme Sache!
Trotz allem blieben wir knapp ein Jahr zusammen. Ich hab ihn wirklich sehr geliebt und liebe ihn auch jetzt noch. Von ganzem Herzen…. für alle Zeit. Dennoch bezweifle ich, dass wir je wieder zueinander finden werden.
Nach der Trennung war ich ziemlich fertig. Nicht geoutet, allein in Budapest, keiner da, mit dem man reden könnte… da muss man ja irre werden. Also entschied ich mich, meiner Schwester alles zu erzählen. Ich glaube es war der schwerste Stein, der mir jemals vom Herzen gefallen ist.
Das Projekt „Mama“ gestaltete sich etwas schwieriger. Normalerweise wird ja immer gesagt: Mütter spüren so etwas. Meine Ma hatte nicht den geringsten Schimmer und es traf sie etwas unerwartet. Eines Tages fand sie ein kleines Tütchen Gras bei mir im Zimmer. Da sie sich jetzt eh schon fragte, was sie falsch gemacht hat, erklärte ich ihr, das ich nur alle paar Monate mal einen Rauche ( was auch tatsächlich der Fall ist ) und das sie sich darum keinerlei sorgen machen muss. Stattdessen müsste sie sich nur damit abfinden, dass ich schwul bin. Peng! Volle Breitseite. Viel mir echt schwer, ihr das so vor den Latz zu knallen, doch ich dachte mir: lieber kurz und schmerzlos! Ihr könnt euch sicher Vorstellen: die Diskussion nach meiner Offenbarung war eine der längsten meines Lebens, doch meine Ma hat es wirklich relativ gut aufgenommen. Nachdem diese Hürde überwunden war, erzählte ich es auch meinen besten Freunden. Auch sie haben es alle sehr gut aufgenommen, toleriert, akzeptiert, wofür ich sehr dankbar bin. Komischerweise habe ich mich nicht bei meinen Studienkollegen geouted. Nicht etwa, weil ich gelogen habe, sondern viel mehr weil mich niemand gefragt hat. Auch, als ich die Uni wechselte und zurück nach Deutschland kam, fragte mich niemand von meinen neuen Komilitonen. Scheinbar scheinen alle davon auszugehen, ich sei hetero. Sei’s drum, ich binde es ja nicht jedem gleich auf die Nase!

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Kommentare


unbekannt
13:04 03.01.2006
Hi. Hab zwar grad keine Zeit deinen Eintrag richtig zu lesen, aber trotzdem herzlich willkommen. Das Thema interessiert und betrifft mich natürlich und daher werde ich dein Tagebuch sicher öfter besuchen.

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unbekannt
00:22 03.01.2006
eine sehr interessante Wahrheitsgeschichte....

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00:14 03.01.2006
btw
die schriftfarbe ist grausam o.O
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22:07 02.01.2006
interessant ^^

willkommen hier, und viel spaß beim schreiben wünsch ich
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18:43 02.01.2006
alleine? Du armer *lach* lg zurück
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18:11 02.01.2006
solche Erfahrungen habe ich bei meinem Comming out auch gemacht - wobei... für mich war es das erste Mal im "Volcano" und zwar ganz alleine - Men's Factory kam erst an die Reihe, als ich schon geoutet war *grins
lieben Gruß aus Berlin
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16:45 02.01.2006
Da hast du schon recht, aber Leute, mit denen ich mehr zu tun habe, sollten mich doch darauf mal ansprechen oder? Ich meine: Andeutungen machen ich genug, glaub mir.
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16:23 02.01.2006
Mhh. Naja. Es ist ja nicht so, dass man gleich jeden fragt: "Wie heißt du? Woher kommst du? Wie alt bist du? Bist du hetero oder homo?"
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16:07 02.01.2006
interessante Geschichte :D
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unbekannt
16:01 02.01.2006
Willkommen hier

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