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1915-12-31 hh:mm
Sylvesterabend! So ist es denn...
Sylvesterabend! So ist es denn vorüber, dieses Jahr voll Blut und Tränen! Unvergeßlich für Alle, welche es miterleben mußten. Wie viele Opfer hat es gefordert, wie viel Glück zerstört, wie viele heilige Bande zerrissen! Mit eisernem Griffel ist „1915“ eingegraben in die Weltgeschichte- und in das Leben des Einzelnen! Denn Jeder Einzelne kämpfte, mußte kämpfen! Und auch der Kampf derer, die in der Heimat durchhalten und aushalten mußten, war schwer! – Wie schwer war es allein, sich an das vorgeschriebene Brod, d.h. die Brodkarten, zu gewöhnen! Wie oft hätte man gerne noch ein Stück Brod gegessen und zögerte – im Stillen denkend: es reicht vielleicht nicht! – Wie schwer ward es, das tägliche Leben ganz umzugestalten. Neuerdings wurden in der Woche zwei „fleischlose“ Tage eingeführt, an welchen kein Fleisch verkauft werden darf. Eier sind fast unerschwinglich, das Dutzend kostet M. 3,30 – Butter kostet das Pfund M. 2,80. Fett ist sehr rar, Schweinefett pro Pfund M. 3,- . Petroleum nur alle 2 Monate zu haben, man bekommt immer nur 1 l. Kerzen kosten das Dreifache gegen sonst. Mehl, d.h. Kriegsmehl, ziemlich schwarz, ist nur gegen Mehlkarte zu haben. Alle Metalle, Kupfer, Messing, Stahl, Nickel etc. sind von der Regierung beschlagnahmt, ebenso Wolle, Hanf etc. Bindfaden (Kordel) wird nicht mehr von Hanf od. Flachs gemacht, sondern von Papier. Derselbe ist tadellos, stark und sehr haltbar. Ueberhaupt vergeht fast kein Tag, an welchem die Zeitungen nicht von neuen, kleinen und großen Erfindungen berichten, welche die Not dieser Kriegszeit hervorgerufen hat! Wer hätte aber gedacht, daß wir in das dritte Kriegsjahr noch hinein müßten! Augenblicklich sind die Aussichten auf Frieden gering; entweder muß ein großer Sieg bei Saloniki oder in Aegypten die Engländer zur Besinnung bringen oder Rußland muß, wie das Volk dort schon lange fordert, den Vertrag mit England brechen und einen Sonderfrieden schließen, worauf Frankreich und Italien jedenfalls sofort nachfolgen! Gott gebe uns bald den Frieden! Auch unsere Opfer sind groß, man spricht von 1 Million Toten! Die achtzehnjährigen werden nächste Woche einberufen, bis zu 45 Jahren stehen alle Männer im Feld! Wie lange wird auch unser Volk und Land brauchen, um die Spuren dieser schweren Zeit zu überwinden! – Wir Alle wissen, daß wir durchhalten müssen, bis wir, nach so vielen Opfern, einen ehrenhaften Frieden errungen haben, einen Frieden, der unseren Kindern und Enkeln ein ruhiges Leben sichert, der sie vor den Schrecken des Krieges bewahrt! – Unser Volk steht in ungetrübter Einigkeit da am Schlusse dieses Kriegsjahres, bereit, trotz schwerer Opfer, auszuharren bis zum Ende! Aber trotz aller Opferwilligkeit geht doch durch alle Kämpfer im Heere und durch alle Mitleidenden zu Hause, der heiße Wunsch nach einem baldigen Frieden! Lange können wir, auch wir wirtschaftlich, den Krieg nicht mehr Aushalten! – Wir flehen zu Gott um Frieden! Unser Kind weilt noch immer in Feindesland im Schützengraben! Gott sei Dank, daß bis jetzt der Winter sehr milde war, nur einmal im November einige Grade unter Null, jetzt meist Regen, was aber für die Armen im Schützengraben auch nicht gut ist, da der Regen dort nicht abläuft und sie zuweilen bis an die Knie im Wasser waten müssen! Gott erbarme sich unser! Er lehre unser Volk, besser als bisher die Zeiten des Friedens dankbar zu schätzen und die ernsten Mahnungen beherzigen, welche aus dieser Kriegszeit gegeben! Möchten bald die Siegesglocken läuten!
D a s w a l t e G o t t ! ______________________________________________
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