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Wednesday, 24. April 2024
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 1945-07-25 hh:mm
Mittwoch, den 25.7. Eine lange...
Mittwoch, den 25.7.
Eine lange Pause habe ich diesmal gemacht. Aber es war nicht viel zu tun, und noch mehr zu denken in der Zeit, die ein rechter Tiefpunkt war. Nun hoffe ich doch, dass es bald wieder deutlich aufwärts geht. Nach dem trüben Sonntag, an dem noch Bella kam und wir uns recht trösten mussten, war es weiter so trübe geblieben. Am Sonntag hatte sich übrigens die Mehlweiße, die Berliner Ursula (Schwägerin) wieder eingefunden. Doch sie brächte ihr, Bella, kein Glück, fand diese. Zum Glück, denn noch diese mir absolut unsympathische Person bei uns zu sehen, dazu hatten wir ebenso wenig Lust, wie dazu, dass ich nachher zu Bauers mitkommen solle, wenn die Baracke fertig ist. Nun habe ich mir den Plan Bz. über B. die Wahrheit zu gestehen noch mal so fest vorgenommen. Ob das eine Schlechtigkeit ist, die mir so gestraft wird? Ich kann es nicht dafür halten.
Am Montag tat ich leicht elegisch meine Arbeit. Dienstag musste ich zur Reihenuntersuchung nach Eden so zwischen den Stunden. Eva Möller als Sekretärin es Gesundheitsdienstes begrüßte mich nett. Im Nu war die Geschichte erledigt. Aber da ich Ausfluss hatte, mehr seit Sonntag ohne erkältet zu sein wie sonst, beschloss ich doch zum Arzt zu gehen. Am Dienstagabend erzählte mir Gertrud, dass den Russen der Verkehr, ja, sogar Tanz mit Deutschen verboten sei. Und es sind ja soviel Russinnen hier, dass das etwas Wahrscheinliches bekam. Sollten die beiden darum nicht kommen? Kaum denkbar! Doch ich grübelte viel. Am Mittwoch (oder Donnerstag) hatte sich Mutti bei Dr. L. erkundigt, doch hätte ich mir eine Std. von der Schule frei geben lassen müssen, um dann noch außer der Reihe behandelt zu werden. Da wir aber hörten, dass Dr. Mendel (aus KZ Orbg.) in Eden am Do. Nachmittag Sprechstunde habe, ging ich hin. Saß von ¼ h – ca. ½ 8 Uhr. Dann meinte der Dr. ich solle auf alle Fälle ins Krankenhaus morgens um 7 Uhr gehen zum Abstrich, da die Ergebnisse der Reihenuntersuchung zu lange dauerten. Am Freitag früh war ich ab 6 Uhr voll Spannung im Krankenhaus. Dort kam auch Frau Kohnke hin zur Kontrolle. So warteten wir gemeinsam bis ca. ½ 9 Uhr. Ich war recht entsetzt über die Ärztin, die zunächst fauchte, dass Dr. Mendel die Ergebnisse nicht abwarte, doch als sie erfuhr, dass die Abstriche dort nur primitiv gemacht werden, verstand sie es. Nun aber machte sie ein so ernstes Gesicht, dass ich am Grübeln war. Als die Geschichte weh tat, war ich froh, da das meine jämmerliche Miene etwas rechtfertigte. Frau Kohnke war seelig zu hören, dass sie nicht schwanger sei. Da ihr vorhergehender Abstrich negativ war, war sie darum weniger in Sorge. Ich war froh, dass am Freitag-Nachmittag eine Lehrerkonferenz stattfand, die interessant war. Der Schulrat war ja sogar menschlich und nett, was Herr Kossah hervorhob. Na, das habe ich als selbstverständlich angenommen, meinte ich. Aber in den zwei vorangegangenen Konferenzen soll er so die Lehrer runtergeputzt haben, dass Herrn Meinert „explodiert“ ist. Nun, ich denke ja, dass mir der Schulkram im Grunde genommen den Buckel lang rutschen kann. Das gibt mir eine gewisse Heiterkeit dem gegenüber. Sonst fände ich das grässlich. Überhaupt scheint es mir von Ungerechtigkeiten zu wimmeln. Z.B. ist diejenige im Amt und ganz besonderen Würden, die kurz vor dem Russenkommen sagte: „Wenn die R. kommen, rufe ich Heil Hitler und spucke und kratze. Dann sollen die mit mir machen, was sie wollen.“ Das sagte sie zu den Kindern! Und jetzt ist sie, da sie angeblich nicht der Partei angehörte, die eine von den ausbildenden Kräften und zieht die Antifaschisten auf! Etwas doppeldeutig, aber richtig! Dagegen empört sich natürlich das Gefühl eines jeden, der Frl. B vor dem Umschwung Nr. 2 hat reden hören. Frl. Gesell dagegen war zwar Pg, aber wohl wie man hört, beliebt und längst nicht so faschistisch in der Führung. Am Freitag-Abend dann als Lichtblick der Russenkurs. Doch war ich so belastet, dass ich es Frl. P. sagen musste, auch dass ich befürchtete, dann den Majoren angesteckt zu haben. Mir war das so egal und natürlich ihr gegenüber nicht unangenehm einzugestehen. Es war mir eine Erleichterung. Am Sonnabend kam Mutti schon in der 10 Uhr-Pause mit quasimativschem Gesicht. Mir fiel das Herz in die Hosen. Doch es war noch eine Galgenfrist oder Folter? Das Ergebnis war „keine Bazillen des Trippers, aber fragwürdige Veränderungen“. Die Dame wollte erst keine Auskunft geben, es ginge alles übers Gesundheitsamt. Doch dann hat sie sich dazu bequemt. Auch für Frau Kohnke, die entsetzt war. Und ich ging nachmittags zu Eva, wo ich erfuhr, dass der Abstrich negativ war. Das beruhigte mich doch, da zu der Zeit die besten Ergebnisse erhalten werden. Doch mit Hangen und Bangen verlebte ich den Sonntag, ohne das Gefühl großer Erwartung. Abends traf ich Bella, die wie ich Trost suchen ging. So kamen wir zusammen zu uns und unterhielten uns; ein Intermezzo in Moll. Papa allerdings biss immer dazwischen, als führe man mit einer Hand die Tasten hinauf. Es war darum sehr unerquicklich. Montag früh konnte ich pünktlich in der Schule sein. Doch war ich recht niedergeschlagen, hatte Kopfschmerzen und von der gründlichen Untersuchung auch Leibesschmerzen und Blutungen. Dabei habe ich mich aber recht tapfer gehalten. Am Nachmittag ging ich mit Mutti von Steuernagel Kartoffeln schnorren. Dabei frischte ich die Erinnerungen an den Gefechtsstand wieder auf. Dieses Erlebnis hatte nun für mich nur noch wildromantische und etwas melancholische Effekte. Dies durch Schwarzbergs Haltung beim Abschied. Das Haus war jetzt begrünt und längst nicht so geheimnisvoll, die Starstraße 1. Die Zucht der Nutriatiere besteht noch, also haben sich wohl welche durch alle Fährnisse gerettet von den Tierchen. Viel fragen mochte ich die alte Frau nicht, um nicht aufdringlich zu erscheinen. Es war recht erfrischend, der Gang, obwohl ich hundemüde war.
Am Dienstag kam Mutti auch früher als gedacht, brachte die Nachsicht, dass alles in Ordnung sei. Negativ. Merkwürdigerweise blieb ich ohne freudige Erregung. Es war in den letzten Tagen etwas Wurstigkeit oder so in mir gewachsen. Ich nahm es gelassen hin. Erst als ich mittags nun zu Dr. Mendel ging, um nun wegen des Ausflusses Rat zu holen, da kam ich mir vor wie ein kleiner Prinz. Doch es geschah was Unerwartetes. Die Schwester rief: „Kennt jemand Ursula Witte?“ Ich meldete mich und man drückte mir den Zettel in die Hand, der mich zum 27. noch mal ins Krankenhaus beorderte. Zunächst war ich wie vor den Kopf geschlagen, verlor fast die Kantinen, zog rasch ab. Dann sah ich, dass die Abfassung mit „Russen holen lassen.“ „Wunsch des Kommandanten“, usw. nichts zu sagen hatte, da es eine Vervielfältigung war, in der das Datum verbessert war. Meine Adresse war unbekannt, darum der Weg über Mendel. Aber was ist da nun los? Ich ging zu Eva, die die übliche fieberhafte Darmgeschichte hat. Sie wusste auch nicht recht. Das Ergebnis sei ausdrücklich negativ. Dann gingen Mutti und ich gleich ins Krankenhaus. Ja, da musste ich hinkommen. Höchstens könnte das Gesundheitsamt selbst die Aufforderung zurücknehmen. Doch ehe ich noch dahin rennen wollte, beschloss ich, also freitags zu erscheinen. Wir mutmaßten viel, auch, dass der Major als krank mich hätte angeben müssen. Doch ich selbst hielt die Theorie für richtig, dass das Massenuntersuchungsergebnis auch fraglich sei und die mich, von der privaten Untersuchung und deren negativem Ergebnis unabhängig, noch mal gründlich untersuchen lassen wollen. So schlief ich, lediglich beunruhigt wegen eines Richels (also in anderer Richtung gedacht) gut ein. – Vor dem Kurs war ich wegen der Feldpostnr. Noch bei Margot, doch peinlich ergebnislos. Nun fährt heute Morgen ein Russe noch Schwerin. Ich hoffe auf den Zufall und habe ihr einen Zettel mit dem russisch geschriebenen Namen der beiden dagelassen. Freitag werde ich mal anfragen, was oder ab dabei was raus brät. Heute, Mittwoch, war ich als Lehrerin bei den Eltern der Helga de Thier. Sie ist ein Pflegekind, die den Pflegern viel Kummer bereitet. Da hälfe es nichts, wenn sie sie halb totschlügen. So eine Angelegenheit halte ich für sehr schwierig und traurig. Es scheint auch keine Aussicht zu bestehen, dass sich das schon moralisch gefährdete siebenjährige Kind bessert. Heute habe ich schon wieder Interesse an den anderen Sorgen. Mir ist besser und dann hat Papa noch eine ganz einleuchtende Erklärung gefunden: Da alles über das Gesundheitsamt geht (Die Tante wollte doch erst gar keine Auskunft geben), da ist also das fragliche Ergebnis auch ihm mitgeteilt worden. Nun bin ich schon da gewesen, ohne die natürlich von dort erfolgende Aufforderung mit Zwang usw. abzuwarten. Die aber vom Amt können ja nicht wissen, dass ich schon dort war und die Sache sich erledigt hat. Nun, ich werde also am Freitag hingehen. Nur schade, dass ich weitere Zeit verbummele bis ich den Ausfluss eigentlich behandeln lassen kann.

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