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Friday, 26. April 2024
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Tagebuch staunistauni
 1942-10-29 hh:mm
Kriegskind

Olga Döge setzte sich erschöpft auf eine Bank. „Geschafft!“ Langsam lösten sich die Verspannungen in allen Fasern ihrer Muskeln. Doch bald öffnete sie wieder ihre Augen. Jetzt erst nahm sie so richtig wahr, dass sich das Jahr 1942 seinem Ende näherte. An diesem Tag hatte die Sonne noch einmal die Vorherrschaft übernommen. Ihre Strahlen wärmten die alte Frau und so langsam nahm Olga ihre Umwelt wieder wahr. Ganz sachte fielen um sie herum die letzten Blätter der umstehenden Bäume. Sie gesellten sich zu denen, die in ihrer goldgelben Farbe die hässliche Kasernengegend etwas freundlicher erscheinen ließen. Vor wenigen Minuten hatte Olga ihre jüngste Tochter ins „Reservelazarett!“ gebracht, damit diese dort ihr drittes Kind entbinden sollte. War das eine Aufregung gewesen!

Olga Döge hatte schon viel Kraft für ihr eigenes Leben gebraucht. Neun Kindern hatte sie das Leben geschenkt und die drei jüngsten nach dem Tod ihres geliebten Hanns allein durchgebracht.

Selbst nach dem Tod von vier Kindern hatte sie immer wieder neue Kraft zum Weiterleben geschöpft. Die letzten Tage aber waren wohl zuviel für die kleine tapfere Frau gewesen.

Ausnahmezustand“ herrschte in Dresden. Das bedeutete: “Keiner verlässt nach zwanzig Uhr das Haus!“ „Was, wenn das dritte Kind ihrer Tochter Lotti nun ausgerechnet nachts auf die Welt kommen wollte? “Wohl hundert mal war ihr dieser Gedanke durch den Kopf gegangen. „Was hat sich Schwiegersohn Alfred nur dabei gedacht, seine Frau nach dem letzten Fronturlaub in so einem Zustand zurück zu lassen?“ Ihr Zorn verrauchte aber schnell wieder, als ihr einfiel, dass zwei ihrer Kinder ja auch im Krieg, im ersten Weltkrieg, geboren waren.

Gern hätte Olga Döge noch ein bisschen auf dieser sonnigen Bank verweilt, aber schon wieder rief die Pflicht. Die zwei älteren Jungen warteten bei der Nachbarin ihrer Tochter auf ihre Oma.

Nach einem so arbeitsreichen Leben war diese große Aufregung und später dann die Betreuung der drei Enkel doch über die Kräfte der alten Frau gegangen. Zehn Monate später hörte ihr leidgeprüftes Herz auf zu schlagen. Die Nachricht vom „Heldentod“ ihres Zweitgeborenen Heinzi erreichte sie „zum Glück“ nicht mehr.

 

Bei Lotti hatten nach der Aufnahme im Lazarett die Wehen vor lauter Aufregung wieder aufgehört.

Eine freundliche Schwester nickte ihr zu und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich helfe Ihnen, Sie bekommen gleich eine Spritze, die ich eigentlich nur Offiziersfrauen geben darf!“ So kam dann noch am gleichen Tag Elvira auf die Welt. „Ein Mädchen! Wie wird sich Alfred freuen, wenn er davon erfährt!“ Endlich brauchte sich Lotti nicht mehr vor den Hausleuten verstecken. „Die werden staunen, wenn sie mich mit dem Kinderwagen sehen!“ Auf Geheiß ihrer Mutter hatte sich Elvira in den letzten Monaten schnüren müssen. Selbst die „Lebensmittelkarte für Schwangere“ durfte sie nicht beantragen. Die Hausleute sollten vom dritten Kind nichts merken. Warum auch immer? Elvira sollte es niemals erfahren.

 

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1942-10-29 hh:mm