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Tagebuch staunistauni
 1945-02-13 hh:mm
Angriff auf Dresden am 13. Februar 1945

 

13.02.1945

Nach dem Tod von Olga Döge lebte Lotti, bis ihr Alfred 1947 aus der Gefangenschaft heimkam, mit den drei Kindern allein in einer 2-Zimmer-Wohnung. Ihre Geschwister wohnten alle in ihrer zweihundert Kilometer entfernten Geburtsstadt und so konnte sie kaum Hilfe erwarten. Am schlimmsten war die Zeit der Fliegerangriffe auf Dresden. Ging die Sirene, die oft auch mehrmals am Tage ertönte, musste die junge Frau mit ihren Dreien und etwas Handgepäck jedes mal aus der vierten Etage hinunter in den Keller. Am allerschlimmsten war es am 13.Februar 1945. Die Angriffe waren so häufig, dass es sämtliche Hausbewohner vorzogen, gleich im Keller zu bleiben. Sie hatten sich im größten und hellsten der Keller „wohnlich“ gemacht, saßen dort auf Koffern, Kisten, Kohlen und Kartoffeln. Elvira, die reichlich zwei Jahre alt war, behauptete später immer, sich an diese Situation erinnern zu können, doch niemand glaubte es ihr. Elvira meinte, sich neben der Angst, an ein Gefühl tiefer Geborgenheit zu erinnern, denn sie als Jüngste saß eng angekuschelt zwischen Mutter und Brüdern. Plötzlich gab es eine ungeheuerliche Erschütterung und ohrenbetäubenden Lärm. Irgend etwas war ins Haus eingeschlagen. Ziegel und Putz fielen von den Wänden. Zum Glück war der Durchbruch, der für solche Fälle die Häuser miteinander verband, nicht gänzlich verschüttet. Panisch versuchten sich die Mieter der zehn Wohnungen durch den dicken Staub über den Fluchtweg zu retten. „Zuerst Mütter mit Kindern!“ rief beherzt der kriegsdienstuntaugliche Herr Parker. Doch die dicke kinderlose Frau Streit aus der dritten Etage schob sich vor alle. Mit ihrem kräftigen Hinterteil blieb sie dann noch in dem engen Durchgang stecken und alle schoben solange, bis sie endlich durch war. Dann erst konnten die anderen durch die Öffnung.

Nach dem Ende des zweiten Großangriffes auf die schöne Barockstadt krochen alle Bewohner, die das Unheil überlebt hatten, ganz langsam aus ihren Verstecken hervor. Auch die Mieter des Hauses, in dem die Schraders wohnten, öffneten die Haustür und sahen einen roten Feuerhimmel. Das Fabrikgebäude auf der anderen Straßenseite war bombardiert worden. Überall wohin sie schauten war Feuer und Staub. Dieses schaurige Bild hat selbst die kleine Elvira nie vergessen.

Entsetzt über den schrecklichen Anblick schickten die Mütter ihre Kinder schnell wieder ins Wohnhaus. Dort waren sämtliche Fenster durch die Detonation geplatzt und das Dach stark beschädigt. Die Familien der obersten Etage musste vorübergehend evakuiert werden. Das bedeutete für Lotti, sich selbst eine vorläufige Unterkunft für ihre Familie zu suchen. Am Stadtrand fand sie dann auch für ein paar Wochen eine Bleibe bei einer netten Familie. Diese wollte die junge Frau gar nicht wieder in die Stadt zurücklassen. Doch Lotti wurde unruhig und wollte in ihre Wohnung zurück. Überall hörte man: „Die Russen kommen!“

So stopfte sie ihr Gepäck zu Elvira in den Kinderwagen und lief mit dem kleinen Peter und dem großen Hans-Jürgen los. Die Hälfte des Weges war geschafft, da knackte ein Rad des altersschwachen Kinderwagens weg. Was nun? Die kleine zierliche Frau konnte niemals das Kind und dazu noch ihr Gepäck tragen. So stand sie hilflos da und wusste sich keinen Rat.

Wie ein guter Engel trat plötzlich ein Fremder aus seinem Grundstück. „Was machen Sie denn noch hier, jeden Moment können die Russen kommen!“ Wortlos lief er in seinen Schuppen, holte einen großen Tafelwagen heraus und lud die ganze Fuhre oben drauf. Er zog den Wagen und die beiden Jungen durften sich, wenn es bergab ging, draufsetzen.

Kaum war die kleine Familie wieder in ihrer inzwischen reparierten Wohnung angelangt, hörte Lotti in ihrem kleinen Volksempfänger: „Die Russen haben soeben die Stadtgrenze von Dresden erreicht!“ Was wird wohl aus dem netten Mann, dem selbstlosen Retter in der Not, geworden sein?

Das war am 8. Mai 1945 – am Tag des Einmarsches der späteren russischen Besatzer.

 

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