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2011-01-04 11:18
Negativüberraschungen
Die kleinen Negativüberraschungen setzen sich in den ersten Tagen des neuen Jahres fort. Am Sonntag ging die Spülmaschine meiner Eltern kaputt. Sie schaltete sich einfach so von selbst an und ließ sich nicht mehr abschalten. Außerdem lief irgendwo Wasser aus. Gestern sollte sie repariert werden. Ich weiß nicht, ob das mittlerweile geschehen ist.

Meine Lockenstabverbrennung im Gesicht warf Fragen auf.

Mein Dad: „Du hast aber auch dauert was. Was ist da schon wieder? Ist das ein Zeichen von Borderline?“

Ich: „Nein, das ist ein Zeichen vom Lockenstab.“

Er: „Zeig mal deine Unterarme und Handgelenke. Nicht, dass du jetzt noch anfängst, dich zu zerschneiden.“

Und ich dankte mir selber in diesem Moment im Stillen dafür, dass ich so ein kluges Mädchen war und immer nur an gut von Kleidung verdeckten Körperstellen geschnitten hatte. An den Oberarmen. An den Oberschenkeln. Am Bauch.

Warum setzen eigentlich uninformierte Laien SVV immer noch mit Borderline gleich? Das habe ich schon so oft von vielen Leuten gehört, die davon ausgingen, Boderline hieße lediglich sich selbst die Unterarme zu zerschneiden.

Dieser kleine Dialog mit meinem Dad war nicht das erste Mal, dass das Wort Borderline in Zusammenhang mit mir genannt wurde. Es wurde schon von einigen Personen als mögliche Diagnose an mich herangetragen. Aber in den allerwenigsten Fällen hatten die entsprechenden Personen eine wie auch immer geartete therapeutische Ausbildung und/oder stellten letztendlich nur eine Ferndiagnose ohne mich je im richtigen Leben erlebt zu haben. Zuletzt kam auch das Ding damit an. Er hatte das Wörtchen erstmals aufgeschnappt, sich bei Wikipedia schlau gemacht und befunden, dass das, was er dort las, doch ganz gut zu mir passen würde.

Es ist nicht so, dass ich meine Gedanken nicht auch mal in diese Richtung hätte schweifen lassen. Und grundsätzlich wäre es mir lieber, das Kind beim Namen nennen zu können, so es denn dieses Kind gäbe, weil man sich damit dann wenigstens irgendwie arrangieren könnte oder was auch immer. Aber die Therapeuten, mit denen ich in meinem bisherigen Leben zu tun hatte, waren alle der Meinung, dass Borderline und ich nicht zusammen passen. Meine Therapeutin, bei der ich fast vier Jahre in Behandlung war, habe ich mehrfach in der Zeit darauf angesprochen. Zuletzt kurz vor meinem Klinikaufenthalt. Sie verneinte immer. Aber gut, sie war ja auf der anderen Seite auch nicht in der Lage, eine vernünftige Diagnose zu formulieren, mit der man die Einweisung hätte begründen können. Und die Therapeuten der Klinik befanden nach sieben Wochen, dass mir klinisch überhaupt gar nichts fehlt. Hm, ja, man weiß es nicht, ich will mich aber nicht schon wieder über die völlig absurden Klinikerfahrungen auslassen.

Wie dem auch sei, ich war doch recht dankbar, dass da am Wochenende nicht das nächste Drama durch mögliche Schnittverletzungen in meiner Familie ausgelöst wurde. Sie sollen es nicht wissen, sie werden es nicht wissen und gut ist. Meine sichtbaren Verletzungen, Verbrennungen verdanke ich jedenfalls ausschließlich nur meiner Schusseligkeit. Vielleicht sollte ich da mal ein bisschen vorsichtiger werden.

Gestern bekam ich dann einen Brief von unseren Stadtwerken, meinem Stromversorger. Ich darf kräftig nachzahlen. Rund 200 Euro. Das schockiert mich. Denn ich sitze hier abends eigentlich fast immer im Dunkeln herum. Kerzen brennen, ja. Einige. Aber elektrisches Licht schalte ich eigentlich so gut wie gar nicht an. Etwa 200 kWh soll ich in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr mehr verbraucht haben. Das kann sogar stimmen, denn in ihren Abrechnungen rechnen sie mir vor, dass ich zwischen dem 11.12.09 und dem 31.12.09 110kWh verbrauchte und da ich 2009 ja sieben Wochen lang in der Klinik war, ist es also durchaus denkbar, dass ich 2010 genau 200 kWh mehr verbraucht habe als 2009. Und trotzdem….In den letzten drei Jahren kam ich mit einem Abschlag von rund 30 Euro am Jahresende immer bei etwa Null heraus. Ich bekam zwar nichts zurück, aber musste auch keine Unsummen nachzahlen. Ich meine mich dunkel daran erinnern zu können, dass auch Anfang 2010 die Strompreise deutlich nach oben gingen. Ich muss das mal in den Unterlagen nachschlagen. Denn die 200 Euro Nachzahlung machen mich echt völlig sprachlos.

Und damit nicht genug an Negativüberraschungen zum Jahresanfang. Heute Nachmittag darf ich meinen Dad ins Krankenhaus fahren. Seit Tagen ist er völlig neben der Spur, weil sein Blutdruck trotz der entsprechenden Tabletten viel zu hoch ist. Diese Nacht hat er sich wohl nur mit dem Blutdruckmessgerät beschäftigt. Heute Morgen war er gleich bei seinem Hausarzt. Und der wiederum möchte, dass sich mein Dad in einem Krankenhaus hier in der Umgebung heute in den angeblich besten Computertomographen in ganz Deutschland legt. Und weil es sein kann, dass mein Dad dann im Krankenhaus bleiben muss und weil er bei diesen Blutdruckwerten wohl auch nicht selbst Auto fahren sollte, muss ihn jemand fahren. Freude.

Wobei ich mich nicht daran störe, heute als Taxi fungieren zu müssen. Das ist schon ok. Es ist nur einfach die ewige Krankheit, die bald nicht mehr auszuhalten ist. Bis vor einem Jahr konnte man sie ja fast ein wenig belustigt betrachten. Er konnte keinen Bericht über irgendeine mögliche Krankheit hören, lesen, sehen ohne danach nicht postwendend die entsprechenden Symptome bei sich festzustellen. Aber seit 2010 nehmen ihn ja offensichtlich auch die Ärzte ernst. Der Prostatakrebs. Der Bluthochdruck. Die Thrombose. Immerhin ist er wegen all der Krankheiten doch ein Jahr früher in Pension gegangen als gedacht. Ständig Krankheit, Krankheit, Krankheit, erst die eingebildete, dann die tatsächliche, das ist einfach ein bisschen viel. Wahrscheinlich habe ich auch deswegen so eine Aversion gegen jeden Arztbesuch, der über die üblichen Vorsorgeuntersuchungen hinaus geht. Ich habe für den Rest meines Lebens eigentlich schon passiv genug an Krankheiten miterlebt.

Ich hoffe sehr, dass Deutschlands angeblich bester Computertomograph heute nichts Auffälliges findet. 2011 muss nicht schon wieder ein Krankheitsjahr werden. Das letzte Jahr hat gereicht. Irgendwann muss man ja auch mal zur Ruhe kommen.

Aber so ist das wohl. Von wegen: „Neues Jahr, neues Glück.“ Es ändert sich ja doch nichts und am Neujahrsmorgen hat man, wenn man Glück hat, immer noch dieselben Sorgen wie am Silvesterabend und wenn man Pech hat, haben sie sich am Neujahrsmorgen allenfalls vervielfacht. So ist das wohl. Langsam sollte ich es echt mal gelernt haben.

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2011-01-04 11:18