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Tagebuch WoIstMarie
2004-11-08 19:45
Arbeiten ist angesagt!
Sechs Uhr vier. Der Wecker klingelt. Ich werde aus einem bösen Albtraum gerissen. Schweißgebadet setze ich mich im Bett auf.

Im Traum war ich wieder bei Joseph in Essen. Dort habe ich von 1997 bis 1999 Bühnenkinder betreut, das war ein Musical, in dem Kinder mitgespielt haben.
Im Traum läuft eine Vorstellung, und keins von diesen 50 Kindern weiß, was es machen muß! Ich versuche mich krampfhaft zu erinnern, was Andreas Bieber da nochmal gesungen hat und was die Kinder dabei machen mussten...

Ich bin richtig froh, daß es Montagmorgen ist und ich mit meinem Logpädinnenalltag am Niederrhein besser bedient bin.

Sechs Uhr vierzig. Der Typ auf Einslive sagt, daß die Lage dieses Landes sehr ernst ist.
"Hoffentlich erlebt das Land Sechs Uhr einundvierzig" frozzelt er und ich lache mich scheckig.

Sieben Uhr fünf. Ich verlasse das Haus und fahre zum Sprachheilkindergarten, wo ich von Sieben uhr dreißig bis zwölf Uhr dreißig versuche, den Sprachentwicklungsnotstand am Niederrhein Einhalt zu gebieten.

Ein kleiner, dicker Junge empfängt mich vor der Tür. Er hat ein Holzschwert in der Hand und einen Kochtopf auf dem Kopf.
"Bist du ein Außerirdischer?" frage ich ihn skeptisch.
"Nee, iss bin doch der SSant Maaaahrtin!" lispelt er glücklich.
Achja, es ist ja wieder DIE Zeit des Jahres.

Ich versuche, eine fünfjährige dazu zu brinen, TR von KR zu unterscheiden.
Heißt es Kreppe oder Treppe?
Tragen oder Kragen?
Drücken oder Krücken?
Viel weiter komme ich nicht.

Ein anderer Fünfjähriger, der meistens "F" durch "S" ersetzt, wird schließlich ganz glücklich, als er zum erstenmal "Feuer!!" rufen kann.
Und alle verstehen, was er meint.

Eine sechsjährige mit heftigen Grammatikproblemen übt mit mir Satzbau. "Das Mädchen lacht. Das Mädchen weint. Das Mädchen trinkt. Das Mädchen turnt."
Als ich schließlich frage: "Was macht das Mädchen?" kommt natürlich "Der...?Weiß nicht."

Ich plage mich noch weiter mit Lautlokalisation, Mundmotorik, Wortschatzerweiterung und Sprachverständnistraining herum, aber muß mir zwischendurch eingestehen, daß ich das eigentlich ziemlich gerne mache.

Ich verabschiede mich, fahre in die logopädische Praxis, mache Mittagspause und nachmittags geht es weiter mit erwachsenen Patienten. Ein Schlaganfallpatient, eine Stimmpatientin und schließlich noch ein Hausbesuch, Friedreichsche Ataxie...eine ganz böse progressive Krankheit und nicht heilbar.

Ich fahre heim und bin eigentlich echt glücklich. Ich habe heute ziemlich vielen Menschen geholfen, so gut ich konnte. Und nicht ein einziges Mal konnte mir jemand sagen "Das machst du aber falsch." oder "Ich sage dir jetzt mal, wie du das machen mußt".

Ich kann mir Rat und Hilfe von Kollegen holen - allerdings nur in meiner Freizeit - aber dafür arbeite ich echt ziemlich eigenverantwortlich.
In welchem Job kann man das schon?

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2004-11-08 19:45