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Tagebuch WildFlower
2006-05-21 15:10
Die erotischen Heimwerkerfantasien...
... des Johannes B. Kerner

Die dicke Tine, die dünne Sonya und die rosa Enie waren neulich abend mit einigen anderen einrichtungsmodifizierenden Kolleginnen zu Gast in der Talkshow von Johannes Bandschleifer Kerner. Ich hatte, nach vergnügtem Einschlummern bei South Park, nur halb erwacht verwirrt herumgeschaltet und Deutschlands Ikeakompetenz komprimiert in einem Raum gesehen. Dazu den abscheulichen Moderator. Es konnte nur furchtbar werden. Ich spürte ein historisches Ereignis nahen. Ich würde den Anblick Johannes Bitumen Kerners zum ersten Mal länger als drei Minuten ertragen wollen.

Auf der einen Seite saß also jener, auf der anderen mehrere Damen und ein niederländischer Herr. Diese hatten das Prädikat Wohnexperte gemeinsam, was wohl soviel bedeutet wie gutes Sitzfleisch. Außerdem verbreiten sie ihr Expertentum in zum Teil täglich ausgestrahlten Fernsehsendungen und vereinheitlichen die Behausungen von jungen Familien, jungen Pärchen, jungen WGs. Eine davon, ich sage nicht welche, wurde von Dirk Bach und Hella von Sinnen unter dem Titel 'Hetero macht lebensfroh’ parodiert. Bei genauerer Betrachtung der Heimwerkersendungen fällt auf, daß die Heterozielgruppe tatsächlich stark überrepräsentiert ist, um nicht zu sagen, ausschließlich vorhanden. Das höchste der Abweichlergefühle sind gelegentliche alleinerziehende Mütter. Spekulationen über die Gründe würden zu weit führen, spontane Ideen gehen in zwei, natürlich viel zu allgemein gefaßte Richtungen: entweder will niemand Sendungen herstellen, in denen die Wohnung homosexueller Zuschauer verschönert wird oder homosexuelle Zuschauer wollen ihre Wohnung nicht im Fernsehen verschönern lassen.

Zurück zu Johannes Baumangel Kerner. Das Gespräch war beendet, er wollte Taten sehen. Die Gruppe zerstreute sich auf Werkzeuge und über das Studio. Bevor ich ins Detail gehe, muß ich kurz das Phänomen des verzögerten Applauses erläutern. Es handelt sich um einen Beifall, der aufgrund der verlängerten Reaktionszeit des durchschnittlichen ZDF-Studiopublikums ungewöhnlich stark zeitverzögert zum Auslöser des Applauses einsetzt und dadurch zu Belustigung oder Verwirrung bei weniger stark zeitversetzten Zuschauern führen kann. Dieses Phänomen bemerkte ich zum ersten Mal, als die dünne Sonya die Funktionsweise einer Kettensäge erklärte und sie schließlich startete. Es folgte verzögerter Applaus für das Betätigen des Anlassers durch eine Frau. Sie und Johannes Bewegungsmelder Kerner sägten je ein Stück eines Baumstamms ab. Er reckte einen Arm in die Luft, um Applaus, natürlich verzögerten, einzufordern und bezeichnete das Sägen mit dem Motorgerät als 'irgendwie erotisch’.



vorher



nachher

In einer anderen Ecke hatte eine Frau namens Fuß inzwischen angefangen, eine Stehlampe aus Kaninchendraht zu bauen. Der Moderator betonte zum zwanzigsten Mal, daß er noch nie auch nur eine Schraube festgezogen hätte. Dazu kam es hier ebenfalls nicht, denn er wurde gebeten, den Draht am Rahmen festzutackern. Er zierte sich, tackerte schließlich doch. Der verspätete Applaus klang hinein ins Geräusch der jeweils nächsten Klammer und in seinen Kommentar. "Das ist ein Glücksgefühl, das ist ein wahnsinniges Glücksgefühl! Wahnsinn! Ein Glücksgefühl!" Als die fertige Lampe präsentiert wurde sprach er: "Aus Draht, festgetackert von einem Mann, dem das Tackern Lustgefühle bereitet hat."

Zu einer ordentlichen Talkshow gehört es, daß Zuschauer zu Wort kommen. Einer Dame mitten im Publikum wurde in alter ZDF-Tradition ein Mikrofon an einer vier Meter langen Stange ins Gesicht gehalten, damit niemand den Tonmann sieht. Fernsehen ist Zauberei und muß ganz ohne Menschen funktionieren. Die Dame wurde von Johannes Betonersatz Kerner aber nicht zur Sendung befragt, nein, sie durfte ihren Namen nennen und sich ein Getränk wünschen. Wenn schon, denn schon hat sie sich da wohl gedacht und wozu zahle ich die GEZ-Gebühren und hat höflich um Champagner gebeten. Ein "Ohoo!" des Moderators folgte, danach verzögerter Applaus und Grummeln hier und da unter den restlichen Zuschauern. Herr Kerner beeilte sich, eine Runde Champagner für alle zu bestellen. Kurze Zeit später wurden nadelstreifenuniformierte Mitarbeiterinnen mit Tabletts voller Gläser sorgfältig von den Kameras eingefangen. Drei Fragen hätte ich dazu. Kann das ZDF in fünf Minuten tatsächlich so viel Champagner organisieren? Wenn ja, warum? Und hätte das Publikum gemerkt, wenn es stattdessen schnöden Sekt bekommen hätte?

Johannes Biberschwanz Kerner wandte sich der dicken Tine zu. Sie hatte aus nicht so hübschen Alltagsgegenständen nicht so hübsche Einrichtungsgegenstände gebaut. Auf ihrem Tisch lagen ein Notizklemmbrett aus Mausefallen und ein Zeitungsständer aus etwa fünfzig Fahrradspeichen, die senkrecht in eine Holzplatte gesteckt worden waren. Der Moderator gab den mit Abstand sinnvollsten Satz des Abends von sich, als er auf Gefahren für Kleinkinder hinwies, die von diesem Zeitungsständer ausgingen. Hm, och ja, war in etwa die Antwort, kleine Kinder müßte man vielleicht schon ein wenig davon fernhalten und ein bißchen aufpassen. Meine Meinung ist ja, daß man entweder kleine Kinder oder ein Modell des Pfählungsfeldes von Vlad Tepes, nur ohne Rumänen, zu Hause haben sollte, aber was weiß ich schon? Mit der dicken Tine hatte unser Johannes dann endlich auch sein erstes Mal am Akkuschrauber. Er sollte das Brett mit den darauf montierten Mausefallen an der Wand befestigen. Nachdem er seine Angst vor den Fallen überwunden hatte, klappte das mit Tines Unterstützung ganz gut. Er riß diesmal sogar beide Arme hoch, logisch, der Akkuschrauber ist leichter als die Kettensäge, und ließ sich für das Eindrehen einer Schraube verzögert applaudieren.



Johannes B.: Ich habe es endlich getan.

Diese Lächerlichkeit wurde kurz darauf von dem niederländischen Herrn namens Schalkwijk als 'traurig, wenn schon geklatscht wird, wenn ein Mann eine Schraube reindreht’ bezeichnet, was wiederum verspäteten Beifall auslöste. Es folgten einige Holländerwitze und eine Diskussion zwischen Herrn Schalkwijk und Johannes Blähton Kerner über die Vor- und Nachteile von Rauhfasertapeten. Durch den verzögerten Applaus war es selbst für Kerner, der sicher Übung hat, schwer zu erkennen, wen das Publikum gerade unterstützte. Ich war nur noch verwirrt.

Die Studioprojekte mußten vor Ablauf der Sendezeit fertig werden, also wurde Unterstützung aus den Reihen der Zuschauer geholt. "Ich bin der Martin, hat er gesagt, haha“, wiederholte Johannes Belebtschlamm Kerner die mikrofonlose, schlimmesliedähnliche Vorstellung eines der Männer auf der Bühne. Dann wurde herumgefragt: "Handwerken Sie auch, so richtig mit Werkzeug?" – "Ja." – "Beschreiben Sie doch mal das Glücksgefühl, das es Ihnen vermittelt, wenn Sie sich eine Säge kaufen." Schleimig wurde es, als auch Martin ein Mikrofon bekam. Er sagte über sich selbst: "Der Martin hat morgen 43-jährigen Hochzeitstag mit seiner Frau Heide." – Kerner: "Aber wie konnte Ihre Frau denn schon mit vier Jahren heiraten?" – "Nein, mit drei!" – "Hahahaha!" – "Hahaha." - Die wilde Atmosphäre, geradezu orgienartig, hatte den kleinen Johannes inzwischen komplett eingeschüchtert. Er brachte bei der rosa Enie noch die Bitte um Ansicht eines der hergestellten Möbel vor, aber dann war es um die Sendezeit und seine Tapferkeit geschehen. "Ich will den Stuhl sehen." – "Dann mußt du das Klebeband abmachen." – "Solange ich mich nicht nackig machen muß."

Bitte, bitte nicht.

Nachtrag: http://mytagebuch.de/profil.php?action=eintrag&id=7915&eid=200940 ist der Eintrag nochmal mit Bildern. Ich finde nicht heraus, warum es hier nicht klappt.

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fun 

Kommentare

23:12 23.05.2006
Vielen Dank auch noch an euch beide! :)
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11:43 23.05.2006
also - für den eintrag : leider verspäteten - aber umso
herzlicheren applaus ! ! ! zusätzlich einen begeisterten jauchzer
für johannes belebtschlamm wow !
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16:43 21.05.2006
ha, das kannte ich schon von deiner anderen seite - ich hab mich köstlich amüsiert
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16:31 21.05.2006
Vielen Dank! Leider lassen sich seit ca. dem letzten Eintrag keine Bilder mehr einfügen... am Code liegt es nicht, und anderswo geht es auch... ich arbeite daran. Eigentlich sind sie hier schon wichtig. Viele Grüße!
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15:53 21.05.2006
Genial geschrieben!
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