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Thursday, 25. April 2024
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Tagebuch Vielliebchen
 1895-03-08 hh:mm
Geklatsch

Heute morgen war ich noch bei Doktors und Fitsch um lebe wohl zu sagen, im Falle, daß ich doch nicht wiederkäme. Um 1 Uhr soll unser Zug gehen. Wir mußten uns entsetzlich mit dem Mittagessen eilen. Drewald kam noch um uns Adieu zu sagen, sah aber zu diesem feierlichen Ritt sehr defeckt aus. Wir fuhren etwas nach 12 fort. In Limburg angekommen, hatten wir eine halbe Stunde Aufenthalt. Wir gingen nicht zu Conny, sondern blieben im Wartesaal.
Als wir nachher in den von Diez kommenden Zug einstiegen, fühlte ich wie mich jemand ansah, ich sehe am Zug entlang u. gewahre Bender, der mich unausgesetzt ansieht. Papa stieg auch in den Zug ein, wir konnten aber nicht mit ihm in ein Coupée steigen, da es ganz besetzt war.
In Weilburg nun angekommen begab ich mich auf mein Zimmer u. zu meiner Freude kam Männe gerade aus der Turnstunde, er sah nach meinem Fenster und hatte mich sicher doch bemerkt. Nach dem Kaffee ging er, Andres u. Genth am Hause vorbei. Ich zog mich an um zu Lene Hesse zu gehen u. zu fragen, wann die Generalprobe heute Abend anfange, ich wußte es nicht genau. Von Lene wurd ich sehr kühl empfangen u. ich dachte mir gleich, daß irgendein Geklatsch über mich in der Stadt sein müsse. Nun das stellte sich dann auch bald genug heraus. Es wird mir nachgesagt, ich sei neidisch auf Ella, daß sie und nicht ich mich verlobt habe. Dann weiter wird darüber geredet, daß ich mir von den Gymnasiasten mir den Hof machen lasse. Ich wollte jetzt eine junge Dame sein u. ginge noch mit Gymnasiasten. Sie haben weidlich über mich im vorigen Kränzchen über mich hergezogen. Schließlich sagte sie auch noch, sie dürfe nur dann noch mit mir gehen, wenn keine Penäler mit uns gingen. Nie ist einer mitgewesen, wenn Lene bei mir war. Dieser einfältige Tugendpilz, er hat allerdings nie den Hof gemacht bekommen. Nie jedenfalls, sie hat es mir in so grober Weise gesagt, daß ich ganz empört zu Hause ankam. Von heute ab besteht keine Freundschaft mehr zwischen uns.
Den Abend in der Generalprobe sprach Genth mit mir und frug mich, ob er mich nach Hause begleiten dürfe, ich sagte ihm das zu. Männe ging auch mit. Stedman begnügte sich mich anzusehen. Genth u. ich verabredeten uns für Montag nach Cubach zu gehen. Er ist schon seit vorigen Samstag in Weilburg um auf mich zu warten. Er scheint mich wirklich sehr gern zu haben, schade, daß er ein so häßliches Äußere hat.

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