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Tagebuch Tyche
2006-08-17 06:33
Sohn/Sohn
Symptomatisch für mein disparates Ich ist die immer wieder auftretende Simultanität widersprechender Gedanken. Aber diese Beobachtung ist genauer betrachtet nicht besonders ungewöhnlich.
Allein die Tatsache, dass sich im Television tagtäglich Bilder zerbombter Städte und unter dem Wahnsinn wahnsinniger Wahnsinniger leidende Menschen vertragen mit geweichzeichneten Soapoperas lässt mich über meine innere Verfassungsein, über meine widerstreitenden Gefühle und Gedanken,nicht mehr überrascht sein.
Doch auch in meinem Offlineleben erlebe ich diese starken Kontrast, den das Leben der Menschen zeichnet. Gestern rief ich meinen Chef an, zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe, um ihm mein Beileid auszudrücken zum Tod seines letzte Woche verstorbenen Vaters. Der Mann wurde 94.
Es kostete mich Überwindung diesen Anruf zu machen. Vorher überlegte ich, wie ich mein Beileid zeige. Eine Kondolenzkarte zu schicken wäre der übliche Weg gewesen. Diese Karten haben auch den Sinn, dass die Trauernden in ihrer Trauer nicht gestört werden von nicht zur Familie gehörenden Menschen.
Heutzutag lösen sich aber viele alte Traditionen auf und vor 20 Jahren hätte ich wohl nicht so einen Chef gehabt, mit dem ich mich dutzen kann und der mir nie das Gefühl gibt, er sei mein Chef.
So beschloss ich also anzurufen. Ich sprach mein Beileid aus und versuchte es so zu betonen und zu formulieren, dass er nicht das Gefühl hätte viel sagen zu müssen. Irgendwie erleichtert war ich, als mein Chef dann, nicht hastig, nicht unsicher, nicht aus Verlegenheit, beschrieb wie sein Vater starb. Dass er ihn als einziger noch auf der Intensivstation(es gab eine Notoperation, die der Vater nicht mehr verkraften konnte) besuchen konnte, da alles sehr schnell ging und dass sein Vater sich von ihm verabschiedete.
Er verabschiedete sich, er wusste, dass würde das Ende sein und er gab seinem Sohn noch einige letzte Worte für die anderen mit.
Ich hatte während der Erzählung über das Sterben dieses Mannes immer das Gefühl, alles sei gut und irgendwie hatte ich ein Stück Angst vor dem Tod verloren, weiss aber nicht warum.

Mein Sohn freut sich sehr auf unsere heutige Reise nach Bremen. Gestern schon kaufte ich Reiseproviant ein und checkte noch mal meinen alten VW-Bus durch. Ich rief in Bremen an und teilte unsere ungefähre Ankunftszeit mit und wir verabschiedeten uns, indem wir uns sagten, dass wir uns auf das Wiedesehen sehr freuen.
Ich rief bei der Mutter meines Sohnes an. Wir besprachen, was ich alles mitnehme für ihn und wann ich ihn abholen würde.
Ich ging diesmal früh ins Bett und wachte auch sehr früh auf. Die Sonne scheint. Es "scheint" ein schöner Tag zu werden. Es wird ein schöner Tag.
So verabschiede ich mich mit meinem Sohn und werde wohl nicht mehr an den Sohn denken, der sich von seinem Vater verabschieden durfte.
Bis später liebe Leser

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leben 

Kommentare


unbekannt
09:17 17.08.2006
Ich hatte schon öfter das Glück, Sterbende begleiten zu dürfen in ihren letzten Stunden...und auch mir haben diese Erfahrungen die Angst vor dem Tod genommen...vielleicht, weil dieses Teilhaben am Gehen, sei es nun direkt oder indirekt, dem Ganzen etwas von der eigenen Unwissenheit nimmt, es greifbarer macht, realer...wieder zu einem Teil des Lebens, der viel zu oft ausgeschlossen wird.
Mit Sohnemann viel Spaß in Bremen! :)


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unbekannt
07:40 17.08.2006
ich wünsch dir viel Spaß mit deinem Sohn...

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2006-08-17 06:33