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Tagebuch Tyche
2006-06-21 00:59
Ich lebe die Toten
Als ich mir sicher war, dass mein Innenleben, meine Emfpindungen, meine Gedanken nicht wertlos sind, dass es nur an mir lag sie zu formulieren, sie wertvoll zu machen, begab ich mich auf die Suche.
In unserer nicht allzu großartig bestückten Kleinstadtbücherein fand suchte ich das Regal mit der Überschrift Philosophie. Wie mein Interesse für die Philosophie geweckt wurde, weiss ich leider nicht mehr. In diesem Regal fand ich ein kleines Büchlein im Format einer Postkarte, dass tatsächlich wie ein Poskarte Nachrichten aus einem fernen Land von fremden Menschen beinhaltete. Diese Menschen waren die Philosophen und ich entdeckte das Wort, dass die Überschrift für meinen weiteren Lebensweg sein sollte: Wahrheit.
Das ist jetzt 20 Jahre her und glücklicherweise ist dieses Buch immer noch im Bestand der Stadtbücherei. Und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass dieses kleine Büchlein im Format einer Postkarte mir dabei half einen Abgrund zu überwinden, der leicht meinen Tod hätte bedeuten können. Denn intuitiv erkannte ich, dass die Philosophie, die Liebe zur Wahrheit, das war, was mich bewegte. Von da an wusste ich, dass ich nicht alleine war, dass es vielmehr Menschen gab, deren Schriften über 2000 Jahre alt sind, die schon damals fragten. Sie stellten Fragen, die ich mir auch immer stellte und ich las, dass diese Menschen, antike Philosophen, ein Grundpfeiler unserer Kultur darstellen. Ich sah meine Empfindungen und Gedanken und die daraus entsprungenden Fragen, ich sah, dass diese Fragen schon damals vor über 2000 Jahren in Griechenland gestellt wurden. Die Grundfrage, war die Frage nach der Wahrheit. Doch auch all die anderen Fragen, die immer gefragt werden und die bis heute gefragt werden und auf die bis heute Antworten gesucht werden fand ich nach und nach in der Philosophie. Es geht um Gerechtigkeit, es geht um den Tod, es geht um Freundschaft, es geht um den Sinn des Lebens, es geht um Gefühle, es geht um Leidenschaften, es geht um Tugenden, es geht um die Rolle des Staates, es geht um die Beziehung zu anderen, es geht um Erkenntnis, um Selbsterkenntnis, um Erkenntnis der Welt, es geht um Lust, es geht um die richtige Art sein Leben zu führen.
Es war faszinierend zu erfahren, dass Sokrates so gefestigt war in seiner Weltanschauung, dass er seine Verurteilung zum Tod hinnahm und ohne Gram aus dem Giftbecher trank. Diese Macht über sich selbst, dieses Vertrauen in sich selbst faszinierte und war für mich ein Paradebeispiel für gelebte Wahrheit, für eine Macht des Sokrates über sich selbst, die ihn noch über das Todesurteil stehen ließ, die ihn es hinnehmen ließ, weil er an eine Wahrheit glaubte, die größer war als er selbst, die unabhängig von seinem kurzen Dasein bestand hat und deren Existenz er vorlebte und bis zu letzten Konszquenz verkörperte.
Das Entscheidende für mich war, dass die Suche nach der Wahrheit durch die Entdeckung der Philosophie für mich eine Legitimation bekam, ich sah, ich durfte nach der Wahrheit suchen, ich durfte mich fragen, warum alle anderen nicht fragen, ich sah ich war nicht allein. Ich sah, dass ich etwas tat, indem ich mir Fragen stellte, was urmenschlich ist, was allerdings seltsamerweise in meiner damaligen Lebenswelt niemand zu interessieren schien. So kam ich zur Philosophie, so kam ich zu den Büchern, in denen schon lange tote Menschen mir menschlicher erschienen als die lebenden Toten in meiner Gegenwart. Und die toten Philosophen gaben mir den Mut zum Leben, den mir die lebendigen Menschen um mich herum schon beinahe genommen hätten.
Würdigt die toten Phiolosophen, sie müssen leben, denn in ihren Worten ist mehr Leben als in der einer Vielzahl Lebender der Gegenwart! Saugt Euch das pralle Leben aus den Schriften der toten Weisen, dann prallt ihr nicht ab an den toten Lebenden der Gegenwart! Lebt!
Fortsetzung folgt

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leben 

Kommentare

18:18 21.06.2006
Die Möglichkeit eine neue Perspektive einzunehmen war und ist für mich immer wieder aufregend. Vielleicht bin ich auch deshalb immer gerne auf Bäume geklettert als kleiner Junge. Das Büchlein aus der Stadtbücherei habe ich heute wieder ausgeliehen:: Philosophie: Eine Einführung; von Jörg Aufenanger. Ich werde es mir jetzt kaufen, denn es ist ein Schlüsselbuch in meinem Leben.
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unbekannt
12:42 21.06.2006
Ein schöner, ein Wahrer, ein mich beeindruckender Text! Auch ich suche.... was auch immer ... in Büchern .. in den Texten weiser Leute ... und ich werde eigentlich immer fündig.
Aber eigentlich sucht man ja nicht neue Erkenntnisse, sondern nur Bestätigung der noch nicht so klaren eigenen Gedankengänge!
GLG


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2006-06-21 00:59