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Tagebuch Tyche
2006-07-25 00:18
Freunde
Es gibt Bücher, die lassen einen nicht mehr los. Zu ihnen hat sich für mich auch eine Art freundschaftliches Verhältniss gebildet. Vielleicht wäre es passender von einem freundschaftlichen Verhältniss zum Autor dieser Bücher zu sprechen, um deutlich zu machen, dass Bücher eben Zeugnisse einer lebendigen Existenz sind, einer Existenz die auch schon lange beendet sein kann, die aber durch die überlieferte Schrift eine Vorstellung von der "Seele" dieses Menschen weitergibt, ihn so weiterleben lässt, ihn wirken lässt, ihn so unsterblich werden lässt. Diese "Autorfreundschaft" ist zwar auf den ersten Blick einseitig, da ich ja nur seinen Text lese. Auf den zweiten Blick aber kann sich eine freundschaftliche Beziehung herstellen, wenn ich, der Leser, lese, was ich selbst hätte schreiben wollen, aber nicht schreiben konnte. Diese Erfahrung habe ich vor allem bei philosophischen und literarischen Texten gemacht, denn in diesen Texten habe ich für meine Wahrnehmung der Welt endlich eine adäquate Sprache gefunden, allein, dass diese Sprache existiert, war für mich ein großes Glückserlebniss und hat mich davor bewahrt dieser Welt, die ich nicht verstand, völlig schutzlos ausgeliefert zu sein . In diesen Texten wurde formuliert, was zuvor nur in mir rumorte, ohne dass ich es verstand und über das Wörtchen "Wahrheit" stolperte ich in die Philosophie, die bekanntlich die Wahrheit liebt. In großer Naivität war Wahrheit für mich anfangs nur mein inneres Erleben, dass überhaupt nicht in Einklang zu bringen war mit der Welt da draußen, inzwischen ist Wahreit für mich ein sehr differenzierter Begriff geworden und die auführliche Beschäftigung mit den Texten meiner Freunde gab mir Wörter- und Bedeutungsfarben, die es mir ermöglichten meine Innenleben bunt und oftmals auch "verschroben" zu malen, auch meine Umwelt ist nun nicht mehr einfach schwarz, sie schillert in den verschiedensten Farben und ich bin ihr und den darin lebenden Menschen nicht mehr böse, dass sie mir früher viel Angst eingejagt haben. Sie dürfen sich bei meinen Freunden bedanken, die mir geholfen haben die Welt,taktlose und gedankenlos mein Leben berührende Mensche zu akzeptieren, sie, auch wenn es immer wieder Verletzungen gibt, gelassener zu sehen.
Diese philosophischen Freunde und auch die Figuren aus Romanen und Erzählungen, in denen diese die Welt so erleben wie ich sie erlebte und erlebe, gaben mir die Kraft die Ohnmacht zu überwinden und so kann ich sagen, dass ich meinen Geburtstag, an dem ich schon ganz schön viel Puste brauche, um die nicht unerheblich Zahl der Kerzen auszublasen, mit größter Lebensfreude begehen werde. Und dieser Text ist anläßlich dieses "atemberaubenden" Ereignisses auch ein vorwegenommender Dank an meine Freunde, die ich hier beschreibe, die mir nicht nur Lebensmut, nein sogar mitunter größte Lebensfreude spenden oder wie einer meiner Freunde einmal schrieb "Momente überströmender Seinsfreude"
Ich möchte zum Schluß noch einen meiner Freunde zitieren, der in Worten, die ich nie so formuliern könnte, das Besondere der freundschaftlichen Beziehung beschreibt. Ich möchte, bevor ich Wilhelm Schmid zitiere noch sagen, dass ich ihn, seine Bücher, im Januar dieses Jahres kennengelernt habe. Seine Freunde sind auch alte Freunde von mir, nämlich die griechischen Philosophen. Wilhelm Schmit hat unter anderem ein Buch geschrieben mit dem Titel "Philosophie der Lebenskunst", aus dem das angekündigte Zitat stammt, dass mein zentrales Lebensgefühl und was ich daraus gemacht habe, in eine wunderschöne praktische Lebensphilosophie gekleidet hat. Das zentrale Anliegen dieser Philosopie fomuliert Schmit folgendermaßen:

" Der existenzielle Imperativ der Lebenskunst: Gestalte dein Leben so, dass es bejahenwert ist"

Nun aber endlich das oben angekündigte Zitat:

" Wie die erotische stellt die freundschaftliche Beziehung das Ideal einer schönen, bejahenwerten Beziehung dar; beide können miteinander vermischt sein oder auch jeweils für sich selbst existieren. Die Eigentümlichkeit der Freundschaft ist die daurhafte, wechselseitige Zuneigung der Freunde, nicht um eine Lust oder eines Nutzens, sondern um des jeweils Anderen selbst willen. Wahre Freundschaft hat ihren Zweck in sich selbst und ist Ausdruck des freien Wohlgefallens am Anderen; das vordergründige Eigeninteresse tritt gänzlich zurück zugunsten dieser Beziehung, von der das Selbst gerade aus diesem Grund unendliche bereichert wird. In der Freundschaft ist das Selbst bereit, dem Anderen jedes nur denbare Privileg zuzugestehen, den Umgang mit ihm ohne jedes Kalkül zu pflegen, ihm zu geben, was es zu geben in der Lage ist, auch die Wechselseitigkeit nicht zur Forderung zu erheben, vielmehr in den Anderen sich hineinzuversetzen und immer wieder an seiner Stelle zu fühlen, und dies alles aus keinem anderen Grund zu tun als demjenigen, den die Freundschaft selbst bereits repräsentiert"

Irgendwie könnte dies die Programmschrift meines Tagebuchs sein, denn meinem "Freund" Wilhelm Schmid habe ich die Formulierung meines Weges , die "Exkursion in die Philosophie", zu verdanken und er ist der erste zeitgenössische philosophische Autor, der das, was die Griechen, Lebensphilosophen, Literaten und ihre Figuren verstreut mir gaben, in einer zusammenhängenden Theorie formuliert hat, eine philosophische Theorie, die näher ist an meiner und vielleicht auch der ein oder anderen Lebenswirklichkeit der Leser dieses Eintrags, als jede andere. Und es geht ihm und mir nicht darum zu sagen "Sorge dich nicht, lebe", sondern ganz im Gegenteil "Sorge dich und lebe", denn nur wer sich und andere ernst nimmt, sich sorgt, findet die Tiefe, derer es Bedarf, um in ihr ein Fundament zu errichten, dass ein ganzes Leben trägt, dass am Freitag sich jährt.

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leben 

Kommentare

15:26 25.07.2006
Die Zeit wird zeigen wie genau mein Bild sein wird. Ich glaube dafür ist Abstand nötig.
Indem wir schreiben, malen wir unser Bild und wir erfahren durch die "Bildkommentare", wie es gesehen wird und dann malen wir weiter an unserm Bild und es ist doch schöner ich selbst zu malen als nur gemalt zu werden.
Lieber Gruß Tyche
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unbekannt
15:15 25.07.2006
Auch bei mir sind Texte nie im voraus geplant, aber sie reihen sich wie Plastikperlen einer Kette, ergänzen sich, und im Nachherein stelle ich fest, dass wie bei den Pointillisten Seurat/Signac sich letztlich ein Bild meines Lebens ergibt, dass so genau ist, dass es mich immer wieder "erschreckt"!
Dir glG!


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09:57 25.07.2006
Danke kleine Fee! Es freut mich sehr, deine Gedankenwelt bereichert zu haben! Liebe Grüße!
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09:00 25.07.2006
Ich freu mich sehr darüber, dass du es getan hast! Auch ich habe vieler solcher "Freunde", alte zerlesene Bücher, die mich schon dann fröhlich und nachdenklich stimmen, wenn ich sie nur betrachte. Die Beziehung zu diesen, geschweige denn zu den Autoren habe ich SO noch nicht gesehen und ich möchte mich für diese Ausformulierung deinerseits nochmal bedanken, die meine eigene Gedankenwelt wieder etwas erweitert hat. Ich hoffe, dass du einen schönen Geburtstag verbringen wirst! Liebe Grüße!
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01:34 25.07.2006
Muss mich selbst kommentieren. Dieser Text war nicht geplant. Wie so oft bei mir, verdichten sich Gedanken, Gelesenes, Gedachtes spontan und plötzlich zu Texten, die mich dann selbst überraschen und ich doch froh bin, dass "es" endlich fomuliert ist.
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2006-07-25 00:18