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Tagebuch Tyche
2006-09-27 13:05
Ein toter Mann
Nun könnte es sein, Schwester, dass du hier liest. Und du wirst vielleicht entsetzt sein, wirst eine ungerechte Last spüren, die ich verschiebe, die vielleicht die falschen belastet.
Ich möchte niemanden belasten, ich möchte nur endlich und endgültig Lasten abwerfen, möchte meine Segel wieder in den Lebenswind stellen können, möchte wieder Fahrt aufnehmen, möchte wieder ein Ziel haben können, ohne Furcht zu haben, dass Schiff könnte von seiner Last in den Abgrund des Meeres gerissen werden.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mein Vater mit mir zusammen auf einem Spielplatz war, aber ich kann mich an einen Menschen erinnern, der mein Vater sein sollte, der immer anwesend abwesend war. Sein Anwesenheit erahnte ich als Kind durch das Licht aus dem Flur, dass Nachts durch den Türspalt in unser Kinderzimmer drang, wenn er spät nachhause kam. Dieses Licht war mein Vater.
Dann sah ich einen Mann Bilder malen. Er stand schweigend in unserm Wohnzimmer und malte einsame Landschaften. Es roch nach Ölfarbe. Der Geruch der Farben. Das war mein Vater.
Dann war da ein Mann, der auf Reisen war. Dieser Mann kehrte von seinen Reisen zurück und wohnte dann wieder in unserer Wohnung und dieser Mann brachte manchmal kleine Souvenirs mit.
Die Hoffnung auf ein Souvenir.Diese Hoffnung war mein Vater.
Dann war da ein Mann, der immer sein Kleingeld auf dem Schlafzimmerschrank liegen lies. Ich nahm mir oft heimlich ein paar Münzen. Es war Geld von meinem Vater.
Dann war da ein Mann, ein Mann, der jeden Abend in der Kneipe war. Ein Mann, der jeden Abend ein Taxi nahm. Ich lernte später den Taxifahrer kennen, der mir von meinem Vater erzählte. Diese Erzählung eines Taxifahrers. Das war mein Vater.
Dann war da eine Mutter, unsere Mutter, die hatte einen Mann, der starb und sie sagte, er wäre zu früh gestorben. Im Krankenhaus sah ich einen toten Mann, der noch nie mit mir gesprochen hat und der jetzt nie mehr mit mir sprechen wird.
Das ist mein Vater: Ein toter Mann, der nicht spricht.

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leben 

Kommentare


unbekannt
17:13 27.09.2006
Wenn ich Kneipe jeden Abend lese und Taxi, ahne ich einiges....... auch Dein Vater war wohl im Inneren einsam "eingeschlossen"..... ?!?
LG und zeig Deinem Sohn, dass er mit allem zu Dir kommen kann!


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15:07 27.09.2006
Darf ich fragen, wie alt Du warst, als Dein Vater gestorben ist?
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14:27 27.09.2006
Aven: Ja es war nicht nur schwarz weiß, es gab auch Grautöne, doch es gab eben keine Farben.
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14:24 27.09.2006
Das kannst Du Dir nur selbst beantworten. Vielleicht war ja nicht alles so schwarz weiß, wie es aussieht.
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13:55 27.09.2006
Aven: Was hätte er denn noch sein können?
Eule : Mein Sohn und ich pflegen viel miteinander zu sprechen. Eine wirklich schöne Erfahrung: vor allem für mich, denn für ihn ist es selbstverständlich.
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unbekannt
13:44 27.09.2006
Ich schätze die Gespräche mit meinem Vater, ich bin traurig, das du solche nie führen durfest, ich wünsch dir aber, dass dein Sohn und du diese Macht von Vater- Sohn bzw. Tochtergesprächen zu spüren bekommt!

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13:31 27.09.2006
Sonst nichts?
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2006-09-27 13:05