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Thursday, 28. March 2024
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Tagebuch staunistauni
 1973-06-28 hh:mm
Vor dem ideologischen Scherbenhaufen

 

Mit einem Schlag waren alle Pläne des Ehepaares zerstört. Sinnlos alle heißen Diskussionen um Weiterbildung und Richtigkeit der DDR-Politik. Erst als die Schefflers am eigenen Leibe das wahre Gesicht des Sozialismus erlebten, begannen sie selbständig über Politik nachzudenken. Was war das nur für eine Partei, die die Trennung von Familien vorantrieb? Wieso beendeten die Genossen den bisher geradlinigen Weg der jungen Familie? Der Staat hatte es mit seinen Methoden doch schon so weit gebracht, dass Elvira die Ansichten ihres Elternhauses über Bord geworfen hatte. Das Ehepaar war doch gerade auf dem Weg gewesen gute Kommunisten zu werden und ihre Söhne in diesem Sinne zu erziehen.

In den folgenden Wochen gab es allerdings noch kein Umdenken. Es gab nur ein tiefes Loch und eine hochgradige Enttäuschung. Wie sollte es weitergehen? Die Gedanken und Gespräche gingen nur noch um das eine Thema. Auch für Jörg und Dirk, die in der kleinen 2-Zimmer-Wohnung alle Gespräche mitbekamen, war eine Welt zusammen gebrochen. So unglücklich und hilflos hatten die beiden ihre Eltern noch niemals gesehen. Als erste Reaktion bestellt das Ehepaar alle Zeitungen ab und verhielt sich äußerst passiv. „Ich trete sofort aus der SED aus!“ Das war die erste Reaktion von Helmut gewesen. Nach einigen Diskussionen entschied er sich doch dafür, damit noch etwas zu warten. Ein sofortiger Austritt hätte zur Folge gehabt, dass er keine ordentliche Arbeit mehr bekommen hätte. Aber er musste ja an seine Familie denken. An den Schritt einer Ausreise in die BRD dachten die Schefflers auch des öfteren. Doch da war so vieles, was man zurücklassen würde. Vor allem aber waren es die alternden Eltern, die man doch lieber in der Nähe wusste. Eine klare Vorstellung vom Westen war bei ihnen auch nicht vorhanden.

Der von der Polizei verlangte „Aufhebungsvertrag“ bewirkte, dass man auf der neuen Arbeitsstelle nichts vom Rausschmiss erfuhr und so wurde Helmut auf seine Bewerbung bei der Deutschen Post als Kraftfahrzeugmeister eingestellt. Da er ja noch Genosse war, stellte man ihn auch ohne Meisterabschluss ein. Er bekam ein riesiges Betätigungsfeld und war sofort für die Instandhaltung von 300 Fahrzeugen verantwortlich. Er nahm diese Stelle an, um nicht auf noch mehr Monatsgehalt zu verzichten. Durch den Rausschmiss büßte die Familie schlagartig 300,--Mark monatlich ein.

Bei der Einstellung forderte man von Helmut natürlich das Nachholen des Meisterabschlusses.

Er war sich sicher, dass er ohne Probleme von der Polizeischule die bereits abgeschlossenen Fächer bescheinigt bekommen würde und nur noch die restlichen Prüfungen abzulegen hatte. Aber da irrte er sich gewaltig. Nur durch schweren Kampf und einen „glücklichen“ Umstand erwirkte er durch Fürsprache beim Minister des Inneren in Berlin die Herausgabe der Zensuren. Nur ein Monat hatte ihm gefehlt, um den Meisterabschluss in der Hand zu halten. Nun aber hatte er für die restlichen Teile noch zwei Jahre Volkshochschule vor sich.

Bis heute ist sich Helmut allerdings nicht im Klaren, ob sein „Retter“ ein Stasimitglied war und ihm als „Gegenleistung“ eine imaginäre Mitgliedschaft untergeschoben hat.

 

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1973-06-28 hh:mm