Eine Hochzeit zu planen war in den Sechzigern in der DDR nicht so leicht. Die meisten Eltern konnten ihren Kindern finanziell nicht unter die Arme greifen, weil sie selbst mit ihrem Einkommen nur von einem Gehaltstag zum anderen hinkamen. So mussten auch Helmut und Elvira ihre Feier und die Kleidung für diesen Tag selbst finanzieren. Ein fertiges Hochzeitskleid zu kaufen, wäre glatt über das Budget der beiden gegangen. So schickte der große Bruder aus dem Westen seiner kleinen Schwester den Stoff fürs Brautkleid. Sie kaufte einen Schnittmusterbogen und machte sich auf die Suche nach einer Schneiderin. Überall wurde sie mit den Worten: „Der Termin ist zu kurz“ oder „Ich nehme keine neuen Kunden mehr“, abgewiesen. Vom vielen Suchen müde, sah die junge Braut an einem alten Haus ein schon von Rostspuren gezeichnetes Werbeschild einer Schneiderin. Sie stieg ziemlich hoffnungslos die vier Etagen hinauf und es öffnete ihr eine sehr alte Frau. Elvi brachte ihr Anliegen vor. Mit zarter, brüchiger Stimme antwortete die alte Dame: “Eigentlich tue ich ja gar nichts mehr, kleines Fräuleinchen, aber für Sie mache ich noch mal eine Ausnahme!“ Niemand war glücklicher als Elvira. Die alte Dame nähte ihr ein wunderschönes Hochzeitskleid. Das Oberteil war aus weißer Spitze, der Rock aus strahlend weißem Taft. Es war hoch geschlossen und hatte lange schmale Ärmel. Rosa Rosen hatte Helmut für sie bestellt. Doch wie so üblich in der DDR waren nur gelbe Rosen geliefert worden. Als das Paar zur Trauung in das geschmückte Taxi stieg, blieb Moni, einer früheren Spielgefährtin der Mund offen stehen: „ Die Elvira heiratet ! “

In diesem Augenblick war es Elvira selbst fast unwirklich, dass die Jugendzeit jetzt schon für immer vorbei sein sollte. Sie war schließlich erst neunzehn.

„Nun bin ich also verheiratet!“ Die schöne Feier war viel zu schnell vorüber gewesen, die Klänge, der von Vater auf dem Klavier gespielten Oldies, die stets ihre Kindheit begleitet hatten, längst verklungen. Um Mitternacht wurde Elvis schöner Schleier abgenommen und mit einem guten Rat der Schwiegermutter durfte das glückliche Paar zum ersten Mal offiziell in Helmuts Zimmer zusammen schlafen. Der gut gemeinte Rat hieß: „Soll ich Euch noch ein Klappbett bringen, damit auch jeder genügend Platz zum Schlafen hat?“ Sie hatte es gut gemeint, denn sie wusste, dass die letzten Tage für die jungen Leute wirklich ziemlich anstrengend waren. Sie hatten nämlich bis zum letzten Tag vor ihrer Hochzeit im Urlaub einen großen Teil, der für eine Wohnung erforderlichen manuellen Arbeitsstunden, auf dem Bau geleistet - täglich zehn Stunden. Trotzdem genügte natürlich e i n Bett.