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Tuesday, 16. April 2024
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Tagebuch staunistauni
 1948-12-24 hh:mm
Kriegsweihnachten


Nun, da die Familie endlich komplett war, wurde das Weihnachtsfest wieder gefeiert. Elvira erinnert sich noch ganz deutlich an das Jahr 1948. Es war wohl der bitterste und auch kälteste Winter nach dem Krieg überhaupt und es fehlte einfach an allem. Dick eingemummt saßen die drei Kinder im ungeheizten Wohnzimmer und warteten auf die Bescherung. Elvira wusste genau wie ihre größeren Brüder, dass keiner ihrer geheimen Wünsche in Erfüllung gehen würde. Die Kinder erlebten ja tagtäglich den Kampf der Eltern mit, die drei Mäuler überhaupt satt zu bekommen. Erst drei Jahre waren seit dem Ende des zweiten Weltkrieges vergangen und die Not der Stadtbewohner war noch besonders groß.

 

Was konnte denn da so lange dauern? Was raschelten die Eltern so ewig in der Küche herum?“ Wohl zum zehnten Male hörte sich Hans-Jürgen, das Weihnachtsgedicht seiner kleinen Schwester an. „Meine Papierkette“ so rief Peter „reicht inzwischen schon für einen ganzen Tannenwald!“ „Ob wir denn überhaupt einen Weihnachtsbaum haben?“ zweifelte Hans-Jürgen.

Doch da ging schon die Küchentür auf und drei paar Kinderaugen sahen durch einen Spalt die leuchtenden Kerzen. Vater setzte sich ans Klavier und spielte das Lied von der „Stillen Nacht“. Mutti, Peter und Elvira sangen kräftig mit. Sogar der „Große“, der es mit dem Singen nicht so hatte, brummte zur Begleitung.

In festlicher Stimmung betraten sie dann mit strahlenden Augen die kleine Küche, den einzigen beheizten Raum der kleinen Wohnung. Peter hängte noch schnell seine Papierkette an die Fichte.

Hans-Jürgen stellte einen selbst gebastelten kleinen Zug aus Streichholzschachteln mit Rädern aus Reißzwecken unter den

Weihnachtsbaum.

Ohne einmal stecken zu bleiben sagte die Jüngste ihr Gedicht auf. „Da bin ich aber stolz auf meine kleine Elfe!“ lobte Vati. Nun durften die Kinder zum „Gabentisch“. Elvira überschaute schnell die wenigen Habseligkeiten. „Das Buch dort wird wohl für Hans-Jürgen sein!“ dachte sie. Peter begutachte gerade ein Etui mit einem kleinen Taschenspiegel und einem Kamm. Darin fand er einen Zettel und las laut vor: „Gutschein für fünf Mark“. Elvira ließ ihre Blicke noch einmal über den Tisch gleiten. „Da war ja wirklich nichts mehr!“ Wahrscheinlich hatte das Geld der Eltern nicht mehr für ihr Geschenk gereicht. Tapfer schluckte die Kleine ihre aufsteigenden Tränen herunter. Da nahm sie ihr Vati, der den inneren Kampf seiner Jüngsten nicht länger mit ansehen konnte, in den Arm und drehte sie in Richtung Küchentür. Ein Jauchzer: „Eine Puppenstube! Wirklich! Eine Puppenstube!“ Nichts war an diesem Abend mehr wichtig. Elvi bestaunte das Spielzeug und es störte sie absolut nicht, dass die „Stube“ nur ein beklebter Pappkarton war.

Vati hatte zwei „Fenster“ herausgeschnitten und Mutti ganz allerliebste Gardinen dafür genäht. Die Möbel und die Püppchen waren von einer lieben Nachbarin geliehen, solange bis ihre Tochter ins Puppenalter käme.

Später spielte Vati noch die vielen anderen Weihnachtslieder auf dem Klavier.

Irgendwie hatte Mutti trotz aller Not einen Kartoffelsalat gezaubert und alle konnten sich an diesem Abend einmal richtig satt essen.

Trotz aller Bescheidenheit war es für die ganze Familie ein schönes, unvergessliches Fest geworden.

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