Das kann doch kein Zufall sein, daß ich mich seit ein paar Minuten auf eben dieser Straße bewege. Ich werde das Gefühl nicht los, daß ich eine halbe Ewigkeit laufe und nicht ans Ziel komme. Und dann kommt noch hinzu, daß ich mich so in eine Ecke setzen und heulen könnte. Würde es mir danach besser gehen würde, würde ich das auch in die Tat umsetzen, aber es geht mir bestimmt nicht besser. Tja, so ist das nun mal. Um es auf den Punkt zu bringen: heute ist einer dieser Tage, an dem ich meine Mutter vermisse. Obwohl sie schon über ein Jahr tot ist, begreife ich noch immer nicht, daß sie nicht mehr da ist. Es ist nicht das erste Mal, daß ich mir wünsche, sie wäre wieder hier. Das muß ja nicht die nächsten 20 Jahre so sein, aber mir würde es gut tun, wenn sie immer mal wieder vorbei käme. Und wenn sie alle zwei Wochen die Wäsche macht. Das wäre mir so was von egal. Aber da das Leben kein Ponyhof ist und ich mir bestimmte Dinge nun mal nicht aussuchen kann, muß ich mich wohl oder übel damit abfinden, daß meine Mutter eben nicht mehr vorbei kommt. Auch nicht für die Wäsche. Tja, so ist das. Ich weiß nicht warum, aber ich merke, daß ich mir alles mehr zu schaffen macht, als mir eigentlich lieb ist. Der Tod meiner Mutter, der Virus, der uns in Atem hält, die bange Frage, ob wir in den Urlaub fahren können oder nicht, die Kurzarbeit und die Frage, ob wir nach der Situation alle noch unseren Job haben oder ob da noch was nach kommt. Natürlich ist mir klar, daß es Leute gibt, denen es noch schlechter geht. Ich will mich auch nicht beklagen, denn mir geht es gut. Ich kann diese Gedanken aber nicht einfach so ablegen wie ein dreckiges Hemd. Es gibt Leute, für die es ganz bestimmt nicht wichtig ist, zum Friseur oder ins Nagelstudio zu gehen. Genau das fehlt mir an dieser Stelle. Ich hätte meine Freude daran gehabt, an den freien Tagen zum Sport zu gehen, aber das geht halt nicht. Zumindestens nicht bis kommenden Sonntag. Was danach kommt, steht in den Sternen. So, ich glaube, jetzt habe ich lange genug gejammert. Momentan läuft alles so weiter wie in den letzten Wochen auch. Der Rest kommt bestimmt von ganz allein. Wir werden sehen.