Willkommen auf Tagtt!
Friday, 29. March 2024
Tagebücher » Silvanus » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Silvanus
2006-01-05 13:18
Winternacht und die Ruinen im Wald

Die Ruine Hohenurach gehört schon lange zu meinem Leben.
Das erste Mal war ich dort zu Beltain 1999, bei Vollmond. Ich war 16 und wusste noch lange nicht, dass ich mal ganz in der Nähe leben und studieren würde. Wenn ich mich recht erinnere, bin ich damals auch zum ersten Mal Löwin begegnet (schon seltsam, dass ich meine innigsten Freunde immer in einer ganz anderen Umgebung kennengelernt habe...), es war eine irgendwie magische Nacht, wir heulten den Mond an und tanzten durchs Feuer, auch der Weg ins Tal am nächsten Tag war schön und voller Lieder und Geschichten.
Ich weiß nicht, wieviel Schweiß, Anstrengung und Freude ich seither an diesem Berg und der Burg gelassen habe, aber seit vorgestern ist es noch einiges mehr.

Es begann auf einer Party vor vier Wochen: Nach einigen Runden Wodka Ahoi und Strohrum mit etwas Glühwein drin schwor ich mit Ebran, Terhen, Andurilya (ich benutze mal die Namen aus unserer DSA-Runde), Aishe (ups) und Achalmgeist einen heiligen Eid, dass wir Anfang Januar im Schnee zelten würden. Nach einigem hin und her war es klar: Was wäre besser als "die Urach"?
Am 2. Januar war es dann soweit: Wir trafen uns, schwer bepackt und im Zwiebel-Look am Bahnhof und fuhren zu den Wasserfällen, dann schleppten wir unseren ganzen Kram den Berg hinauf.
Die Ruine war wie immer der Wahnsinn, ich war praktisch schon zu jeder Jahreszeit hier oben, aber noch immer erstaunt es mich, wie weitläufig, verwinkelt und zum sterben schön es hier oben ist, mit den Bäumen und Brunnen, Türmen und Kellern. Und wenn man zur einen Seite ins Tal schaut, sieht man nichts, was nicht 900 Jahre alt sein könnte, Weiden, kleine Hütten, Wälder und Felsen und man hört die Wasserfälle. Die Straße auf der anderen Seite, bei Urach, hört sich von hier ganz ähnlich an...
Es war etwas milder als erwartet, etwa minus 3 Grad tagsüber, schätze ich. Zunächst mal konnte uns auch nicht kalt werden, da wir stundenlang mit Holz sammeln, sägen, hacken, Zelte aufschlagen und Schwitzhüttenkonstruktion beschäftigt waren. Als das Feuer brannte, war es schon dunkel, wir machten Essen und erzählten uns Geschichten, wärmten uns die Füße an der Glut.

Gegen zwei Uhr, als es kälter wurde, gingen wir in die Schwitzhütte, die wir mit heißen Steinen aus dem Feuer geheizt hatten. Das war wichtiger Bestandteil des ganzen Abenteuers, etwas experimentelle Archäologie muss in unserem Fall natürlich dabei sein, und so machten wir uns daran, die Beschreibung Herodots von 450 v. Chr. nachzustellen, "die skythische Art zu kiffen"... Auch ein wenig Räucherwerk landete auf den glühenden Kalksteinen, und die Kerzen im Schnee ringsherum warfen ein mildes Licht durch die Wände der Hütte. Richtig gemütlich warm war es, Andurilya und ich sangen ein paar alte Subway-Stücke, Ebran mal Punk, mal alte Pfadfinderballaden.
Schlimm wurde es nur, als wir neue Steine aus dem Feuer holen mussten. Ich wickelte mir eine Decke um und kroch ins Freie, die anderen ebenfalls, zitternd und jammernd versuchten wir, die glühenden Brocken mit einer Astgabel in den Kochtopf zu manövrieren, meine Füße wären dabei fast erfroren, so dass ich wild fluchend nackt durch den Schnee und in meine dann doch nicht ganz so kalten Gebirgsjägerstiefel hüpfte, bevor ich dann den Topf in die Hütte brachte...
Um vier gingen wir in die Zelte, ich bei Terhen und Andurilya. Es war wirklich SAUkalt (anfangs hatte ich das Gefühl, dass meine Füße abfrieren), nach einiger Zeit ging es dann, aber schlafen konnte ich trotzdem nicht, eher träumte ich im Halbschlaf vor mich hin, eine skurrile Mischung, einige erotische Fantasien kreisten um meine Fee, irgendwann sah ich glühende Kohlen vor mir, aus denen ganze Hexenringe leuchtender Pilze erwuchsen. Vielleicht habe ich doch zwei Stunden geschlafen, ich weiß es nicht...
Jedenfalls wachte ich irgendwie auf, weil unser Achalmgeist irgendwas aus seinem Zelt rief und sich mit Andurilya unterhielt. Ich hatte bohrendes Schädelweh, aber eine kurze, laute Umfrage durch alle drei Zelte ergab, dass ich da nicht der einzige war. Es hatte wohl alle erwischt, die am Schluss noch in der Hütte saßen. Warum wohl? Ob Herodots Skythen auch alle Kopfweh hatten?
Das Geräusch auf dem Zeltdach hörte sich unangenehm nach Regen an, aber es war Schnee, tatsächlich hatte es ziemlich lange geschneit (muss ich also doch irgendwann geschlafen haben), und damit ihr mir das auch glaubt, muss ich wohl noch ein drittes Bild reinstellen, dass unser Frühaufsteher Achalmgeist aus seinem Zelt gegenüber gemacht hat:

Nachdem ich mir meine restlichen Kleidungsschichten wieder aufgezwiebelt hatte, machten wir uns ans Frühstück, dass aus Gummibärchen, kalten Wiener, Aspirin, Tee und Tütensuppen vom Gaskocher bestand, kurz, alles, was unter der Schneeschicht noch an Essbarem zu finden war... mein Schädelweh war dann auch weg.
Die einzelne Kerze im Schnee neben der Schwitzhütte brannte immer noch, trotz Wind und Schneefall. Vielleicht ein gutes Zeichen, jedenfalls ein sehr schönes.
Wir sammelten unseren Müll ein und machten uns an den Abstieg. Erst im warmen Zug merkte ich, wie müde ich war und schlief zweimal ein. Die heiße Dusche zuhause war einfach göttlich.

Ich wünsch euch noch einen schönen Winter. Und vergesst nie die Faszination von Kälte und Feuer, auch wenn sie manchmal schmerzhaft sein kann. Sie zeigt uns, dass wir leben.

Commemoration of all these souls
run from the fire
down my nerves
when will they stop
tremble in fear
and make my panic cease
to heal all those wounds
pitting my surface
down to the core
bursting
bleeding
still
glowing fountains
bowing me down in the
cold
holds me in oblivion
no salvation
is there to be seen
as the frost comes close
growing around my limbs
extincts
the purgatory in my veins
making me rest.

[Silv 2004]

current mood: above average
current music: The 3rd and the mortal, "Painting on glass"

Photos

Kommentare

21:58 11.01.2006
Das machen wir.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

20:11 11.01.2006
sich ihr ausliefern... ja, könnte sein, vielleicht daher meiner begeisterung für das draußenstehen in gewitter und schnee und das gefühl von kompromiß und verlust, wenn ich wieder nach drinnen gehe.

was machst du im märz? ich würde gern mit dir auf berge und burgen klettern.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

16:53 11.01.2006
@ Chili
Wie du ja gelesen hast, sind wir da auch nicht so ganz von alleine drauf gekommen ;) Wodka ahoi!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

11:26 10.01.2006
Das hört sich nach einem wunderbaren Ausflug an. Und die Ruine ist wahrhaft schön. Auf so'ne Idee würd ich alleine gar nicht kommen. Super!!!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

23:41 06.01.2006
@ Marcian
Blöde Keltenfestivals?
Du hast aber Ansprüche!

@ Löwin
Ich will doch gar nicht, dass du mich beneidest. Und allein würde ich das auch nicht machen. Aber mit dir.

@ PloedeQ
'Eins sein mit der Natur'- das klingt soo kitschig, aber tatsächlich weiß ich jetzt mal wieder, was das heißt. Es bedeutet nämlich vor allem: Sich ihr ausliefern.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
23:12 06.01.2006
Auch ich beneide dich um die UFG´ler, die du hast.
Meine gehen nur auf irgendwelche blöden Keltenfestivals.

Oder zum Fußballspielen in die Schweiz.....und natürlich zum Saufen.....

Aber ich glaube fast, ich mag sie mittlerweile trotzdem irgendwie.....


Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
12:49 06.01.2006
Bewundernswert!!! Ich für meinen Teil hätte im wahrsten Sinne des Wortes schon vorher kalte Füße bekommen. Allerdings beneide ich dich um dieses Gefühl "eins zu sein mit der Natur" - und so wie du schreibst spürt man die Wärme des Feuers und eine Art Sehnsucht erwacht...
LG
B.S.


Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

00:26 06.01.2006
ihr habt es also wirklich getan.
weißt du, daß solcherart die gründe sind, wieso ich dich manchmal um dein umfeld beneide? allein würde ich eine aktion wie die eure nie wagen. du?

ich freu mich, daß ihr es geschafft habt, weil ich eben an das glaube, was du schreibst, feuer und eis und erde, und daß ich ohne sie mich schon zuweilen nicht so lebendig fühle... aber ich neide dir die erfahrung nicht, ich freue mich einfach für dich.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

Silvanus Offline

Mitglied seit: 18.07.2005
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2006-01-05 13:18