Prooemium
Es ist weit nach Mitternacht, und hier sitze ich und beginne zu schreiben. Endlich.
Lange war ich ein stiller, gelegentlich auftretender Beobachter in den Tagebüchern meiner Freunde. Ich habe mich oft gefragt, ob ich selbst jemals auf solche Art mein Leben ausbreiten kann. Ich will es zumindest versuchen. Vielleicht werde ich es nicht unbedingt regelmäßig tun, aber es gibt doch oft Momente in meinem Leben, die ich zum Trocknen aufhängen und dann zwischen zwei schwere Buchdeckel pressen möchte, um sie an kalten Abenden meinen Gästen zu zeigen... dies nur, falls ihr euch gefragt habt, was ich mit Herbarium meine.
Was mich oft abgehalten hat, war die Schwierigkeit, meinen Standpunkt zu bestimmen. Denn ich bin wachsamer geworden. Zuviel ist passiert, als dass ich noch so einfach in bequem gewordene, unbewusste Verhaltensweisen zurückverfallen könnte. Aber ich werde es wieder tun, da bin ich mir sicher.

Symbolisch und real stehe ich nun am Beginn einer Reise. In sechs Tagen fahre ich mit zwei Freunden nach Siebenbürgen, wo ich zunächst an einer Grabung teilnehmen und dann noch eine Weile herumreisen werde. Seit der Exkursion letztes Jahr liebe ich dieses Land, aber das ist nicht alles. Ich merke einfach, dass ich für eine Weile aus meinem Studienort verschwinden muss, wenn ich mir nicht selbst die Luft abschnüren möchte. Ich bin hier fest eingebunden in ein dichtes soziales Netz. Meistens geht es mir sehr gut damit, man fühlt sich aufgehoben und anerkannt, aber im Moment engt es mich ein. Ich hasse dieses Wort, "Selbstfindung", als ob irgendjemand oder irgendetwas mir erst zeigen müsste, wer ich bin und was ich will, aber heute macht es in gewissem Maße Sinn. Ich werde sehen. Erst hier raus- dann zurück zu den Wurzeln. Und dann werde ich meinen Platz im Gewebe gern wieder einnehmen...

Noapte buna.
Silvanus