Nun ist unser l. Junge schon 14 Tage abgereist und wir haben nur eine Karte aus Brüssel von ihm; wissen nicht, wo er ist. Wie traurig ist doch für die Mutter diese Kriegszeit. Wir opfern dem Vaterland die Söhne, welche wir mit viel Sorge und Mühe großgezogen – geben unser Bestes dahin und leben in steter Angst und Sorge!

– Und wie viele Sorgen bringt diese Zeit der Not! Vor Allem, wenigstens für mich, ist am drückendsten die Sorge um das tägl. Brod. Ich werde, bis zum Ende meines Lebens, nie vergessen, wie knapp wir immer an Brod gewesen sind, alle diese 4 Jahre – das ewige Abwägen und Überlegen: reicht das Brod diese Woche, kann ich noch ein Stück essen?? – Das wird mir ewig unvergeßlich sein und war mir fast die größte der Lasten, die der Krieg uns auferlegte!  Die Fleischnot wird immer größer. Wir haben wöchentlich ½ Pfund Fleisch und 200 gr. Wurst! – Nun sollen im August, September, Oktober noch je eine fleischlose Woche kommen – es ist mir jetzt noch nicht klar, wie ich uns durch diese Tage durchbringen soll, besonders da ich im Garten, durch die schwarzen Käfer, fast kein Gemüse habe! Dazu bekomme ich noch ein Mädchen zu ernähren, war seit April ohne Magd, aber ich habe nicht die Kraft, alle Arbeit in unserem so unbequemen Hause allein zu leisten. Das ewige Treppenlaufen war zuviel, ich bin total abgemagert u. habe Anfälle von Herzschwäche.

– Mit Sehnsucht erwarten wir eine neue Offensive Hindenburgs, aber die „Atempause“ wie H. die stille Zeit zwischen den Kämpfen nennt, dauert diesmal lange. Es ist ein Rätsel, daß keines der feindl. Völker eine Neigung zum Frieden zeigt, obwohl in Frankreich, wie auch in England, große Friedensparteien sind. Das scheußliche England, mit Amerika verbündet, hetzt.